Das Regiedebut von John Shiban

Hyde und Seek

Von Anthony C. Ferrante

Der Autor und Produzent seit der 3. Staffel bei "Akte X", John Shiban, ist einer der wenigen übrig gebliebenen Hauptstützen der Serie, die sich nicht an die Regiearbeit wagten - bis jetzt.

Am Set, in Fox's Studio Nummer 11, das die Kanalisation von New York darstellt, hat Shiban bei der Folge mit dem Titel "Underneath" sein Regiedebüt. Und obwohl ihn die Annahme dieses Auftrages ursprünglich ein wenig nervös machte, jetzt, da die Folge am vorletzten Produktionstag angelangt ist, ist er noch immer erfreut über die Entwicklungen und dass ihm die Möglichkeit geboten wurde.

"Es ist mir eine riesige Freude", sagt Shiban. "Das ist der größte Spielzeugladen, den man sich vorstellen kann, denn alles, was man sagen muss ist: 'Ich will Regen', und sie laufen los und machen Regen. Der große Druck - das habe ich gelernt - ist, dass die Zeit immer gegen einen arbeitet. Obwohl ich ehrgeiziger und selbstbewusster wurde mit den Dingen, die ich tun wollte, dauerte das natürlich trotzdem doppelt so lange. Man denkt: 'Nun, ich will drei Kameras', und dann kommt heraus: 'Nun, das dauert dreimal so lange.'"

Obwohl man erwartet hatte, dass Shiban schon früher Regie führen würde, gibt er zu, dass er erst möglichst viele Erfahrungen am Set und im Schneideraum sammeln wollte, bevor er so eine große und gewichtige Verpflichtung eingehe.

"Ich wollte schon seit langem mal Regie führen, aber das ist eine sehr komplizierte Serie und wir haben ein bestimmtes Aussehen und ich war mir nicht sicher, ob ich genug Erfahrung im Schneideraum und am Set gesammelt hatte, um das zu schaffen", sagt Shiban.

Schließlich dachte Shiban, er hätte genug Erfahrung bei "The Lone Gunmen" (die "Akte X"-Spinoff-Serie, die er letztes Jahr mitentwickelt und mitproduziert hat) gesammelt um das zu schaffen.

Die Chance zu bekommen, das zu schreiben, bei dem er dann auch Regie führen würde, war für Shiban ebenfalls ein wichtiger Faktor, auch wenn er zugibt, dass das Geschriebene auf die Leinwand zu bringen komplett andere Fähigkeiten benötigt.

"Theoretisch führt man irgendwie mit dem Kopf Regie, man hat eine ganz bestimmte Idee", bemerkt er. "Trotzdem ist es etwas anderes, es wirklich auf die Leinwand zu bannen, zu wissen, wie das Kamerabild sein soll. Natürlich sind da all die Leute, die dir helfen, aber man muss noch immer eine spezielle Vorstellung haben, um so viel Arbeit in möglichst kurzer Zeit zu schaffen."

Für "Underneath" hat Shiban den Kern einer Idee ausgegraben, die schon einige Zeit lang in den Büros von "Akte X" herumschwirrte - die Vorstellung von doppelter Persönlichkeit. "Wir hatten schon für eine Weile über eine Jekyll-und-Hyde-Geschichte gesprochen, sind aber zu nichts gekommen", sagt er. "Ich hatte all diese alten Jekyll-und-Hyde-Filme zur Inspiration geguckt, aber was ich durch sie herausgefunden habe, ist, dass es einfach verschieden Wege gibt, die gleiche Geschichte anzugehen. In diesen wusste man von Anfang an, das dies der Mann war, der sich in jemanden anderen verwandelt. Bei "Akte X" aber geht es darum, dass man sowas nicht weiß.

Dann stieß ich auf den Film "Fight Club" und stellte fest, dass, wenn wir zwei verschiedene Schauspieler casten könnten - einen für Jekyll und einen für Hyde - würden wir die Zuschauer an der Nase herumführen. Dann dachte ich mir, dass man nicht damit durchkommt, ohne den Zuschauern einen Tipp zu geben."

Diese Folge, die gegen Ende dieser Staffel gesendet werden soll, beschäftigt sich mit einem Fall aus dem Jahre 1989, in den Agent John Doggett involviert war. Er und sein Partner verhafteten damals in New York einen Mann, der unter den Namen "Screwdriver Killer" [Schraubendreherkiller] bekannt war. Sie haben ihn geschnappt und ins Gefängnis gesteckt, aber DNA-Analysen aus der heutigen Zeit befreiten ihn von allen Anklagen.

"Die ganze Geschichte geht um Doggett, der sagt: 'Ich weiß, er ist schuldig.' und die Welt, die sagt: 'Nein, er ist unschuldig'. Also folgen wir diesem Charakter, welcher ein gejagter Mann ist, der wiederum einen anderen Mann sieht, der diese Morde begeht", so Shiban. "Er vertuscht sie, aber es stellt sich in Akte-X-Manier heraus, dass, falls ein Mann zu etwas anderem werden kann, seine DNA natürlich auch anders werden würde."

Am Tag des Interviews befindet sich Shiban auf dem U-Bahn-Set, wo die Höhepunkte der Folge bald gedreht werden. Das Set ist ein Wunder nach dem deutschen Impressionismus à la F.W. Murnaus "Nosferatu" und sehr ähnlich wie die gotische Ausstattung von Val Lewton, bekannt durch seine Filme wie "I Walked with a Zombie" und "Cat People", in denen Leute an großen Ziegelgebäuden entlanggehen, während sie von ihren Schatten verfolgt werden.

"Als ich das Drehbuch geschrieben habe, dachte ich an 'Den dritten Mann' oder an die coolen Abwasserkanäle aus Wien", sagt Shiban. "Dann fand Corey Kaplan, unser Art Director, im 20th Century Fox-Archiv einige Originalwerke, die für die Version von 'Les Miserables' aus dem Jahre 1957 für Fox gedreht wurden. Da gab es eine ganze Abwasserkanalszene, ähnlich wie diese.

Das war schließlich der Anfang: 'Schau, wir haben das schon einmal bei Fox getan, deshalb können wir dieses Ding hier bauen und auch Wasser hineinfüllen.' Ich hatte andere Bedürfnisse, als bei Les Miserables, denn wir wollten ein Mexican-Standoff zwischen Doggett, Reyes und dem bösen Kerl. Wir brauchten auch einen Platz, wo sie von oben in den Kanal fallen konnten, sie entwarfen es für die Geschichte, die wir gerade drehen. Es ist aber natürlich von einigen alten Plänen inspiriert. Das ist irgendwie nett." Auch wenn "Akte X" erst seine 10. Folge dieser Staffel dreht, gibt Shiban zu, dass dieses Jahr als ganzes sehr herausfordernd war, denn vor allem musste man den nun Mulder-losen Wagen am Laufen halten, indem man Scully und ihr Baby als Thema behält, sie haben auch versucht die Doggett, Reyes und Scully-Handlung weiterzutreiben, nicht zu vergessen die neuen Charaktere, gespielt von Cary Elwes und Lucy Lawless.

"Mit jedem Schritt, den wir bei "Akte X" machen, müssen wir auch zwölf Schritte vorausdenken, weil wir nicht an eine Stelle gelangen wollen, an der wir unsere Möglichkeiten für den möglichen Film einschränken, aber gleichzeitig hat man die Verantwortung weiterhin interessante, dramatische Geschichten zu kreieren", offenbart Shiban. "Das ist wirklich hart, aber ich bin wirklich glücklich mit dem, was wir machen.

Und um ehrlich zu sein, wenn wir neun Jahre lang die gleich Dynamik gehabt hätten, wäre es den Zuschauern langweilig geworden. Man muss wirklich Veränderungen bringen, aber am Ende des Tages gleicht sich alles aus. Wir wollen, dass der Film auf viele verschiedene Arten weitergehen könnte und am Ende macht es Sinn, dass wir all diese Charaktere in der Serie haben."

In diesem Moment wird Shiban fortgerufen, um eine komplizierte Einstellung zu überwachen, in der Gish von oben in einen Wassertank taucht, was zu dem wesentlich gefährlicheren Fall von Gishs Stuntdouble, früher an diesem Tag gedreht, passt. Und, tatsächlich, es gibt drei Kameras.

Als Gish hinabgelassen wird, steigen die Erwartungen. Das Set ist still, es wird "Action" gerufen und Gish fallengelassen. Statt dem großen Platsch, den die meisten erwarten, hört man nur ein leises "Plätschern". Gish lacht und sagt: "Ich dachte, es wäre beängstigender.

Shiban lacht ebenfalls. Er könnte das selbe über sein Regiedebüt sagen. Quellen: Havennews; Mysterynews



Emil - myFanbase
29.03.2002 00:00

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