Bewertung

Review: #6.04 Der Stellvertreter

Nachdem die letzte Episode für "Lost"-Verhältnisse eher schwächer war, konnte diese Episode wieder einiges rausholen. Den Hauptverdienst trägt dabei kein anderer als Terry O'Quinn, der mit seiner Darstellung von Locke in der einen Zeitlinie und von Jacobs Nemesis in der anderen voll und ganz überzeugen konnte und einmal mehr bewiesen hat, dass er seine Rolle(n) mit einer solchen Intensität spielt, dass man jede Sekunde gebannt auf den Bildschirm starren muss.

"What kind of animal would you describe yourself as? Would you describe yourself as a people person?"

Durch das neue Stilmittel der Flashsideways durften wir diese Episode also erfahren, wie sich John Lockes Leben entwickelt hätte, wäre Oceanic Airlines 815 nicht abgestürzt, die Insel nicht untergangen, hätte Jacob den einzelnen Personen keinen Besuch abgestattet... oder was auch immer letztlich der Auslöser für die Flashsideways eigentlich ist – denn wirklich sicher sein kann man sich immer weniger, je mehr man von den Ereignissen außerhalb der Insel eigentlich sieht.

Tatsache ist, dass John Lockes Leben einen ganz anderen Weg eingeschlagen hat, und das lange bevor er eigentlich auf der Insel abgestürzt wäre. Zwar sitzt er immer noch im Rollstuhl, jedoch scheint dies in unserer neuen Zeitlinie nicht der Verdienst seines Vaters zu sein. Denn sollte Cooper, sofern Helen wirklich Johns biologischen Vater meinte, auch in dieser Zeitlinie der Schuldige sein, würde Locke wohl kaum in Erwägung ziehen, ihn zu seiner Hochzeit mit Helen einzuladen. Womit wir auch schon bei der zweiten Änderung wären. Dadurch, dass John scheinbar nie seine verzweifelte Suche nach Anerkennung seines Vaters angetreten hat, kam es auch nicht zum Bruch zwischen ihm und Helen und die beiden scheinen glücklicher denn je zu sein und planen bereits ihre Hochzeit. Hier wird es sehr interessant zu erfahren, wann Johns Leben letztlich eine Wende eingeschlagen hat und sich in eine (nahezu) vollkommen andere Richtung entwickelt hat. Haben seine Eltern ihn eventuell niemals weggeben und er konnte eine glückliche Kindheit verleben? In #4.11 Hüttenzauber haben wir Johns Jugend sprunghaft gesehen, als Richard ihm immer wieder Besuche abgestattet hat. Dies scheint ja nun nicht mehr passiert zu sein und man kann annehmen, dass bereits mit Johns Geburt, bei der Richard damals anwesend war, der Grundstein dafür gelegt wurde, dass Johns Leben nicht mehr wirklich dem gleicht, das wir bereits kennen.

Was jedoch gleich geblieben ist, ist nicht nur die Tatsache, dass John im Rollstuhl sitzt, sondern auch, dass er einen unliebsamen Bürojob in Hurleys Firma hat. Bei seiner Geschäftsreise nach Australien, von der er in der uns bekannten Zeitlinie erst viele Jahre später zurück gekehrt wäre, hat sich John keineswegs um die Belange der Firma gekümmert, sondern versucht seinen berühmten Walkabout anzutreten. Hier stellt sich sofort die Frage, wie er darauf gekommen ist, denn bekanntlich war es damals Charles Widmores Mitarbeiter Matthew Abaddon, der John auf die Idee brachte, selbigen anzutreten. Wie kam er also in dieser neuen Zeitlinie auf den Gedanken einen Walkabout zu machen?

Doch neben dieser Frage hat uns die Tatsache, dass John auch in dieser Zeitlinie in Hurleys Firma arbeitet, zu vielen faszinierenden Begegnungen gebracht. Zuerst einmal haben wir erneut Randy gesehen, der schon in der uns bekannten Zeitlinie gemeinsam mit John und Hurley gearbeitet hat. Die Tatsache, dass Randy John erneut mit Colonel angesprochen hat, zeigt uns hier zumindest, dass wirklich einige Dinge gleich geblieben sind, die scheinbar nicht unmittelbar mit der Insel zusammenhängen. Somit ist Randy auch weiterhin ein unliebsamer Chef, der Locke kurzerhand feuert. Auf seinem Weg zu seinem Wagen, der natürlich nach guter Locke-Manier nicht auf dem Behindertenparkplatz steht, da Locke eine solche Bloßstellung nicht über sich ergehen lassen möchte, trifft er auf Hurley. Wie schon im Staffelauftakt erwähnt, ist Hurley nun ein absoluter Glückspilz, sodass Johns Rampe für den Rollstuhl genau in dem Moment funktionsunfähig wird, als er Hurleys Auto schaden würde. Genau dies führt jedoch zu einem warmherzigen Treffen zwischen John und Hurley, und John bekommt von Hurley versichert, dass er einen anderen Job innerhalb seines Imperiums bekommen könnte. Bei seinem Vorsprechen trifft er auch dementsprechend prompt auf Rose. Ihr gemeinsames Gespräch über ihre Einschränkungen, denn Rose hat auch in dieser Zeitlinie Krebs im Endstadium, erinnert an ihre kurze Begegnung auf dem Flughafen und ließ einem dementsprechend kurz einen Schauer über den Rücken laufen, da die Autoren es einfach wunderbar geschafft haben, viele liebgewonnene Charaktere logisch in Johns Handlungsstrang einzubinden. Interessant an diesen Begegnungen fand ich auch, dass Hurley und Rose Locke geholfen haben, sowie auch Kate und Claire sich in der letzten Episode geholfen hatten. Sie bieten sich demnach gegenseitig Unterstützung an und vermitteln einander ein positives Gefühl, was scheinbar in ihren Leben fernab von der Insel nicht bei jedem im Übermaß vorhanden ist.

Die Krönung des ganzen bildete aber natürlich Johns Begegnung mit Benjamin Linus, nun Lehrer für europäische Geschichte, als John seine neue Berufung als Aushilfslehrer antritt. Ben erschien mir wie ein absoluter Fremdkörper in dieser Szene, da er nichts von dem hatte, was ihn auf der Insel so unglaublich faszinierend machte. Nicht, dass er in dieser Szene nicht voll und ganz überzeugen konnte, doch irgendwie hatte ich sogleich Mitleid mit diesem Mann, der sich über eine leere Kanne Kaffee aufregt und den neuen Aushilfslehrer sofort auf eine gewisse Art und Weise verzweifelt anspricht. Für mich war die Szene ein absoluter Wechsel zu der uns bekannten Beziehung zwischen den Charakteren. Hier schien es, als hätte John die Oberhand durch seine absolute Gelassenheit und Ben wäre derjenige, der nach Anerkennung strebt. Sollten wir noch einen weiteren Einblick von den beiden bekommen – wer könnte denn ein potenzieller Schüler sein? – dann kann ich mir gut vorstellen, dass Ben sich irgendwie an Johns Rockzipfel hängt, da ich einfach das Gefühl hatte, dass nichts mehr von dem vorausdenkenden, selbstsicheren und genialen Benjamin Linus übrig war. Vielmehr wirkte er eben wie der kleine verschüchterte, unsichere und anerkennungsbedürftige kleine Junge, der er noch zu Dharma-Zeiten war, bevor Sayid ihn angeschossen hat, er von Kate und Sawyer gerettet wurde und letztlich zu einem der Anderen gemacht wurde. Genau aus diesem Grund finde ich diesen neuen Benjamin Linus unheimlich spannend und interessant, da seine Unschuld, wie Richard es damals formulierte, niemals von ihm genommen wurde und wir nun wahrscheinlich den Ben sehen, der er geworden wäre, hätte man ihn nie bei den Anderen in die Gemeinschaft aufgenommen.

"What if I told you I was the person who could answer the most important question in the world?" – "And what question is that?" – "Why are you on this island!"

Auf der Insel befanden wir uns diesmal nicht im Tempel, sondern folgten Jacobs Nemesis, wie er alles dafür tat, um seinen Masterplan, endlich nach Hause zu kommen, in die Wege zu leiten. Nachdem wir am Ende von #6.02 LA X (2) sehen durften, wie Jacobs Nemesis Richard niederschlug und mit ihm ins Innere der Insel stampfte, schließt diese Episode genau dort an. Jedoch haben wir keineswegs die Informationen bekommen, die ich mir erhofft hatte. Eigentlich sind wir nämlich noch immer auf dem gleichen Stand was Richards Existenz und Verbindung zu Jacob und dessen Nemesis angeht. Einzig die Tatsache, dass Richard kaum etwas zu wissen scheint, ist eine vollkommen neue Einsicht und macht das Mysterium um Richards Person noch spannender für mich.

Doch auch wenn wir nur sehr wenig zu dieser Verbindung erfahren haben, war die gesamte Handlung auf der Insel einfach nur genial. Schon der Beginn, als man das mechanische Geräusch des schwarzen Rauches hörte und dabei durch dessen "Augen" sehend über die Insel flog, war einfach nur atemberaubend und versprach eine spannende, mysteriöse und geniale Episode – die wir auch schließlich bekamen. Verantwortlich dafür zeichnet vor allem das unglaublich grandiose Gespann aus Terry O'Quinn und Josh Holloway, die wir bisher noch nie in einer solchen Intensität gemeinsam auf dem Bildschirm sehen konnten, was geradezu schade ist, wenn man bedenkt, welch grandiose Chemie die beiden hatten und wie brillant sie ihre Charaktere verkörpert haben und uns damit eine großartige Szene nach der anderen lieferten.

Dass Sawyer die ausgeprägte Gabe besitzt, Menschen relativ schnell 'lesen' zu können, wissen wir schon durch seine erfolgreiche Vergangenheit als Con-Man und etliche Ereignisse auf der Insel. Seine vollkommen trockene Art Jacobs Nemesis zu verdeutlichen, dass er wisse, dass dieser keineswegs Locke sei, passte demnach wie die Faust aufs Auge, schien Jacobs Nemesis jedoch im ersten Moment deutlich zu überraschen. Ähnlich wie die Tatsache, dass Sawyer vollkommen ignorant gegenüber dem Aspekt zu sein schien, dass er behauptete tot zu sein. Doch wie Sawyer so wunderbar formulierte: "I don't give a damn if you're dead or time traveling or a ghost of Christmas past.", denn schließlich haben wir auf der Insel und außerhalb selbiger schon so viele kuriose Dinge gesehen, dass man wohl mit allem rechnen muss.

Doch dieses kleine Intermezzo der beiden, in dem Josh Holloway durch sein Unterhemd-Outfit definitiv Mut zur Hässlichkeit bewiesen hat, aber natürlich auch noch mit dreckiger Unterwäsche und filzigen Haaren unglaublich attraktiv wirkt, war nur der zugegeben sehr amüsante Beginn einer unheimlich interessanten Handlung, die uns tiefer in die Mysterien von "Lost" einführt. Doch bevor es zu der ultimativen Enthüllung in dieser Episode kommt, treffen wir erneut auf Richard. Diesmal ist dieser vollkommen verängstigt und vermittelt dem Zuschauer, dass eine enorme Gefahr von Jacobs Nemesis ausgeht, sodass man quasi um das Leben von Sawyer bangen muss, da man Richard noch nie so angsterfüllt und verzweifelt gesehen hat. Sogar Sawyer hat dies mehr als wahrgenommen und reagiert natürlich sofort, was jedoch im Sande verläuft, da er, genau wie wir Zuschauer, endlich Antworten haben möchte und dafür auch gut und gerne ein Risiko eingeht – die Rede von Jacobs Nemesis war aber auch unglaublich beeindruckend. Dennoch kann niemand bestreiten, dass er nicht um Sawyers Leben gebangt hat, als dieser die Klippe herunter geklettert ist.

Doch das, was wir als nächstes zu sehen bekamen, war diese nervliche Berg- und Talfahrt absolut wert. Als erstes sehen wir eine Höhle in der ein Tisch steht, auf dem sich eine Waage befindet. Diese Waage ist durch einen schwarzen und einen weißen Stein im vollkommenen Gleichgewicht. Jacobs Nemesis kann es natürlich nicht lassen, seinen derzeitigen Triumph über Jacob gleich auszukosten und den weißen Stein ins Meer zu schleudern. Seine Begründung, dass es sich dabei um einen Inside-Joke handelt, lässt einen gleich alle möglichen Szenen und Bilder durch den Kopf laufen, die bisher durch die Farben schwarz und weiß geprägt waren, und die spätestens seit dem Finale der fünften Staffel für Jacob und seinen Nemesis stehen. Die Aussage lässt jedoch auch erneut die Vermutung zu, dass diese Situation nicht das erste Mal geschehen ist. Immer noch stellt sich die Frage, warum Jacob nichts gegen Ben unternommen hat, als dieser ihn getötet hat. Und gerade jetzt stellt sich mir erneut die Frage, ob der Tod von einem der beiden nicht einfach dazu gehört, aber immer noch zum Verlauf des Ganzen gehört und erst jetzt der eigentliche Teil beginnt, bei dem am Ende ein "Gewinner" dastehen könnte.

Dafür sprechen könnte auch die absolute Gänsehaut-Szene, als wir tiefer in die Höhle hinein gehen und überall an der Wand Nachnamen mit entsprechenden Zahlen sehen. Viele von den Namen sind bereits durchgestrichen und Jacobs Nemesis lässt es sich nicht nehmen, auch den Namen von Locke gleich durchzustreichen. Listen und Zahlen scheinen also definitiv auf der Prioritätenliste von Jacob ganz oben zu stehen und sofort sucht man natürlich fleißig nach uns bekannten Namen... Die scheinbar Wichtigsten sind: Locke (4), Reyes (8), Ford (15), Jarrah (16), Shephard (23), Kwon (42). Einmal mehr stellen sich tausend Fragen zu den Nummern und der doch so offensichtlichen Kombination selbiger. Handelt es sich bei diesen Personen um Kandidaten? Sind es wirklich genau die Charaktere, die wir vermuten oder vielleicht andere Familienmitglieder (wie Christian Shephard etc.)? Wie wichtig ist die Kombination der bekannten Lost-Zahlen? Warum stehen genau diese sechs in der uns bekannten Kombination? Welche Auswirkungen hat es, dass Locke nun durchgestrichen ist? Was ist mit den bisher Durchgestrichenen geschehen? Welche Bedeutung hatten sie für Jacob bzw. die Insel? Warum hat man die Zahlenreihenfolge beim Zeigen der "Kandidaten" nicht in der üblichen Reihenfolge getätigt, sondern erst die 23, 8, 16, 42, 4, 15? Warum wurde Kates Name nicht in der Höhle gezeigt, obgleich Jacob ihr einen Besuch abgestattet und sie berührt hat? Warum sehen wir hauptsächlich Nachnamen, die wir männlichen Personen zuordnen? Und dann muss man sich natürlich fragen, warum der Name Straume bereits durchgestrichen ist, wenn Miles doch noch quicklebendig ist? Man merkt schon an den Fragen, dass es bei jeder Theorie, die man im Kopf hat, etliche Widersprüche gibt, sodass ich mir auch hier jegliches Kopfzerbrechen vorerst erspare.

Klar ist jedoch, dass es mir durch Terry O'Quinns geniales Spiel und seine durchdringende Verkörperung seines Charakters immer schwerer fällt zu glauben, dass Jacob der "Gute" in dem ganzen Spiel ist. Immerhin bekommen wir hier von Jacobs Nemesis scheinbar ehrliche Antworten geliefert. Und somit finde ich es erst einmal nicht verwunderlich, dass sich Sawyer nach Nennung der drei Optionen: (1) "Do nothing. See how all this plays out. And possibly your name will get crossed out", (2) "Take over Jacob's job and protect the Island", (3) "We just go. We get the hell off this Island and we never look back. We do that together", spontan für Letztere entscheidet. Obwohl ich natürlich der festen Überzeugung bin, dass er hier seinem eigentlichen Können nachgeht und Jacobs Nemesis nur sein Vertrauen vorspielt, um möglichst viele Antworten auf seine Fragen zu bekommen, damit er sich ein genaueres Bild von dem Ganzen machen kann und dann erst entscheiden wird, welchen Weg er einschlägt.

"You know the rules. You can't kill him."

Als wir die Anderen das erste Mal zu Gesicht bekommen haben, waren sie in abgetragenes Leinen gekleidet. Im gleichen Outfit wurde uns diesmal ein neuer interessanter und mysteriöser Charakter präsentiert: der kleine blonde Junge. Seine bloße Erscheinung in den beiden Szenen wirft gleich tausend Fragen auf: Wer ist dieser Junge? Warum ist er so gekleidet? Was haben seine blutenden Arme zu bedeuten? Kennen wir ihn? Warum kann Richard ihn nicht sehen? Warum kann Sawyer ihn sehen? In welcher Beziehung steht er zu Jacob und dessen Nemesis? Lebt er? Ist er eine Erscheinung? Ist er eine höhere Macht? Warum diktiert er Jacobs Nemesis die "Regeln"?

All diese Fragen schwirren jedem Zuschauer wohl zu Hauf im Kopf herum, obgleich der Junge nur wenige Sekunden zu sehen war. Sich mit diesen ganzen Fragen zu befassen würde mir deswegen auch nichts anderes als enorme Kopfschmerzen bereiten. Die Spekulationen um diesen kleinen Jungen sind jetzt schon enorm. Es wird vermutet, dass es sich bei ihm um Aaron handelt. Oder aber auch Jacob. Dass er die höhere Macht der Insel darstellt. Die Personifizierung der Insel selbst ist, und und und... Alles interessante Theorien, die man jedoch keinesfalls anhand von wenigen Sekunden auch nur ansatzweise ausführen kann.

Besonders spannend in Bezug auf den blonden Jungen fand ich, mal ganz ab von seiner Person selbst, das Verhalten von Jacobs Nemesis. Der Junge ist definitiv kein Unbekannter für ihn, wobei das nicht an der äußeren Gestalt liegen muss. Beides Mal ist er dem Jungen hinterher gerannt, wobei er gerade beim zweiten Mal, als ihm bewusst wurde, dass Sawyer den Jungen auch sehen kann, eine Dynamik an den Tag legte, die schien, als würde er ihn konfrontieren wollen, nach einer Aussprache suchen oder sicher gehen wollen, dass es sich wirklich um ihn – wer auch immer der Junge ist – handelt. Als Jacobs Nemesis bei dieser Verfolgungsjagd stolpert und plötzlich auf dem Boden landet, erinnert dieses Bild sofort an den echten John Locke, der immer mal wieder durch seine gelähmten Beine in einer solchen Situation zu sehen war. Nicht nur dieser Moment, sondern natürlich auch der Locke-typische Spruch "Don't tell me what I can't do" erinnern das erste Mal an den Locke, den wir eigentlich kennen. Da wir bereits im Auftakt der Staffel erfahren haben, dass Jacobs Nemesis die letzten Gedanken von Locke kennt, liegt die Vermutung nahe, dass er – trotz der Tatsache, dass er nicht in DEM Körper von Locke steckt – alle Gedanken und Gefühle von John Locke kennt und "spürt". Durch Ilana haben wir außerdem in dieser Episode erfahren, dass Jacobs Nemesis nun scheinbar vorerst nicht mehr seine Gestalt "wechseln kann", was wahrscheinlich mit Jacobs Tod zusammen hängen könnte. Kann es also sein, dass Jacobs Nemesis sich immer weiter Lockes Charakter annähert? Er dieser eventuell sogar "werden könnte", wenn er nicht baldmöglichst "nach Hause" kommt?

Randnotizen

Fast nebensächlich, aber nicht minder interessant, wirkte der Handlungsstrang rund um Ben, Ilana und die anderen. Nachdem Ilana durch Ben erfahren hat, dass Jacob im Feuer getötet wurde, ist sie fest entschlossen zum Tempel zu gehen, da dies derzeit der sicherste Platz auf der gesamten Insel ist. Einmal mehr muss man sich fragen, welche Beziehung Ilana zu Jacob und der Insel hat, wie viel sie eigentlich weiß und welche Stellung sie im gesamten Mysterium hat? Bevor sie jedoch gemeinsam zum Tempel aufbrechen, wollen sie Lockes Körper beerdigen. Tragische Szene, die schon fast wieder komisch war. Bei Lockes eigentlicher Trauerfeier waren nur Ben und Jack anwesend, die ihm zwar näher standen, als irgendeine andere Person, dennoch alles andere als Freunde von ihm waren. Diese freudlose Trauerfeier wurde dann jedoch von seiner letztlichen Beerdigung übertroffen. Frank und Ilana hat er niemals kennen gelernt, mit Sun hatte er fast gar nichts zu tun und Ben hat ihn ermordet. Der Moment des Schweigens, als jemand für die Trauerrede gesucht wird, ist dementsprechend nicht verwunderlich und Bens anschließende Worte wirken unter diesem Gesichtspunkt ironischer Weise absolut persönlich und passen einfach wunderbar in das gesamte Setting: "John Locke was a believer. He was a man of faith. He was...a much better man than I could ever hope to be. And I'm sorry I murdered him".

Wie befinden uns zwar erst in der vierten Episode dieser Staffel, aber es zeichnet sich bereits ein Muster der Ausstrahlungslogik ab, das dem der ersten Staffel folgt. In #6.03 What Kate Does lag der Fokus auf Kate, sowie auch in der ersten Staffel mit #1.03 Tabula Rasa. Diese Episode fokussierte Locke, wie auch #1.04 Wildschweinjagd. Wenn man nach diesem Schema weiterhin den Schwerpunkt in den Episoden legt – und eventuell bereits verstorbene Charaktere, sowie Doppelungen auslässt – bedeutet dies, dass wir als nächstes Jack (#6.05), Sun und Jin (#6.06) , Sawyer (#6.07), Sayid (#6.08), Claire (#6.09) und Hurley (#6.10) in den Fokus stellen wird. Es fehlen dann natürlich noch Ilana, Miles, Frank, Ben und Richard (!), weswegen das nicht ganz aufgeht, spannend finde ich diese bisherige Parallele jedoch allemal. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass ich keinerlei Spoiler kenne und mir noch nicht einmal die Titel der kommenden Episoden bekannt sind, weshalb ich keine Ahnung habe, ob dies auch nur ansatzweise zu den bisher bekannten Episodentitel passt (und es auch gar nicht wissen will...).

Fazit

Lockes Flashsideway konnte voll und ganz überzeugen, hat uns faszinierende Einblicke gegeben, interessante Verbindungen hergestellt und einige neue Fragen aufgeworfen, womit wir es hier eigentlich wirklich zu tun haben. Doch Terry O'Quinn konnte auch im Handlungsstrang auf der Insel voll und ganz überzeugen, enthüllte einige Geheimnisse, gab uns neue Rätsel auf und hatte im Zusammenspiel mit Josh Holloway eine unglaublich starke Dynamik. Dass man uns am Ende auch noch mit den Zahlen überraschte, setzte dem ganzen die Krone auf und entschädigt vollkommen für die letzte Episode.

Annika Leichner - myFanbase

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