Bewertung
Hearst, Dorothy

Der Schwur der Wölfe

"Und als die Sonne am Himmel aufging und die Geschöpfe im Großen Tal wieder zueinanderfanden, spürte sie, wie eine schwere Bürde von ihrem Herzen fiel."

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Inhalt

Einst schworen sich die Wölfe, sich nie wieder auf die Menschen einzulassen und sie auch nie grundlos zu töten. Dieser Schwur bestimmt über Jahrtausende das Leben der Wölfe in dem Großen Tal. Kaala, eine junge Wölfin, die im Rudel des Schnellen Flusses hineingeboren wird, rettet wider der Regeln jedoch ein Menschenmädchen vor dem Ertrinken. Die beiden entwickeln eine tiefe Freundschaft, wodurch Kaala ein großes Risiko eingeht. Abgesehen davon, dass sie damit gegen das höchste Gesetz der Wölfe verstößt, hat sie es ohnehin seit ihrer Geburt schwer, ihren Platz im Rudel zu finden. Ihr Vater stammt nicht aus dem Großen Tal und das Blut der Wölfe zu vermischen ist ebenso verboten, wie sich auf einen Menschen einzulassen. Doch schon bald erfährt Kaala, dass sich hinter dem Schwur eine große Lüge verbirgt und ausgerechnet sie dazu bestimmt ist, das Gleichgewicht der Geschöpfe im Großen Tal zu bewahren.

Kritik

"Der Schwur der Wölfe" scheint auf den ersten Blick vor allem ein Buch für Tierfreunde zu sein. Bevor man das Buch zur Hand nimmt, muss einem auch durchaus bewusst sein, dass das Buch aus Sicht der Wölfin Kaala geschrieben ist, was zunächst sicherlich gewöhnungsbedürftig ist. Der Spannung der Handlung tut dies jedoch keinen Abbruch und der Roman geht weit über die Beschreibung von tierischem Verhalten hinaus. Der Habitus der Wölfe ist jedoch weitestgehend realistisch dargestellt. Die Autorin Dorothy Hearst beschäftigt sich selbst mit der Thematik und so kann der Leser aus dem Buch durchaus etwas über das Leben von Wölfen im Rudel, zum Beispiel was das Jagen oder die Rangordnung angeht, lernen. Es wird an keiner Stelle etwas beschönigt und deswegen muss man, wie in der Realität, jederzeit damit rechnen, dass eines der Tiere stirbt. Bis auf die Tatsache, dass die Wölfe sprechen und die Gespräche von Menschen und anderen Tierarten mitverfolgen können, werden sie nicht vermenschlicht. Dass die Tiere in der Lage sind, zu sprechen, ist natürlich die zwingende Voraussetzung dafür, dass das Buch überhaupt Sinn macht.

Der Roman spielt nicht in der heutigen Zeit. Die Menschen haben gerade das Feuer für sich entdeckt und jagen die Tiere noch mit Speeren. Von Gewehren oder Siedlungen mit richtigen Häusern kann also noch keine Rede sein, weswegen oftmals altertümliche Gedanken artikuliert werden, was die Beziehung zwischen Mensch und Wolf angeht. Dennoch sind einige Parallelen zur heutigen Welt vorhanden. Damals wie heute stellt sich die Frage, wie man als Mensch am besten im Einklang mit den Tieren lebt: Beschützt man sie, lebt man mit ihnen zusammen oder ignoriert man sie und lässt der Natur ihren Lauf, auch auf die Gefahr hin, dass einige Tierarten dann womöglich aussterben? Oder tötet man sie sogar selbst, weil sie für die eigene Art eine Gefahr darstellen? Sowohl Mensch als auch Wolf müssen sich diese Frage stellen und es ist sehr interessant zu lesen, welchen Weg die Autorin im Laufe der Geschichte einschlägt.

Die Wölfe im Rudel des Schnellen Flusses haben verschiede Persönlichkeiten und so entstehen sowohl Freundschaften als auch gegenseitige Abneigungen. Kaalas Charakter könnte in meinen Augen noch ein wenig facettenreicher sein. Sie wird als starke Wölfin dargestellt, die ihrem Instinkt folgt und so schon bald dem Geheimnis hinter dem Schwur auf die Schliche kommt. Doch das richtige Feuer in ihr fehlt, sowie ein paar Ecken und Kanten, die ihren Charakter interessanter machen würden. So ist sie nur eine von vielen Helden, die man irgendwann nach Beenden des Buches wieder vergisst. An manchen Stellen wirkt sie sogar unsympathisch, vor allem ab dem Zeitpunkt, ab dem ihr bewusst wird, dass sie kein gewöhnlicher Wolf ist. So lässt sie in einem Moment beispielsweise ihre Wut an ihrem unschuldigen Freund Ázzuen aus, der die ganze Zeit über für sie da ist und sie für ihr manchmal leichtsinniges und riskantes Verhalten nie verurteilt.

An manchen Stellen wirkt die Handlung durch die ausführliche Beschreibung des Rudelverhaltens und der Entwicklung von Kaala vom Welpe zur Jungwölfin sehr langgezogen, doch im zweiten Teil nimmt die Gechichte mehr an Fahrt zu und wird so spannend, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Das Ende lässt schließlich genug Spielraum für zwei weitere Bände der Wolfs-Chroniken, bietet aber auch einen runden Abschluss ohne Cliffhanger, sodass man nicht sofort das Bedürfnis hat, zu Band 2 zu greifen.

Fazit

Für Wolfsfreunde bietet das Buch sicherlich einen großen Spaß, gerade weil die Tiere sehr realitätsnah dargestellt werden und dennoch genügend Spielraum für eine spannende Handlung vorhanden ist. Doch auch für Fantasyfans, die kein Problem mit einer tierischen Hauptfigur haben, ist das Buch empfehlenswert.

Laura Krebs - myFanbase
29.09.2015

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