Bewertung
Kurtz, Mareile

Mausmakis blaue Pumas

Über chemisches Heilfasten und die Angst, sich zu Tode zu feiern

Foto: Copyright: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag
© Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag

Inhalt

Emma Fröhlich leidet seit ihrer Jugend unter Bulimie ("die Mutter aller Süchte"). Als Art Director kann die 27-Jährige nach ihrem Burn-Out nicht mehr arbeiten, nur noch gelegentlich im Café. Sie nennt sich selbst drogenabhängig, nimmt Koks, säuft, wirft Pillen ein, lässt die Hände dafür aber ganz und gar vom Gras. Gleichgesinnte hat Emma in ihrer WG gefunden. Die DJs Regina und Frederik, der sein iPhone über alles liebt, sowie Skater Schnulli bilden Emmas Kommune. Wer die WG-Mama ist, kann Emma nicht entscheiden – mal sie, mal Regina.

Kritik

Auf den ersten Blick scheint "Mausmakis blaue Pumas" wie ein übliches Buch über die Technowelt. Doch öffnet man die blauen Buchdeckel, findet man sich in einer Vielzahl von unüblichen Welten wieder. Es ist Mareile Kurtz' dritter Roman, nach Sachbuch und Kinderbuch, und zugleich auch ein dicker Wälzer, der starke autobiografische Züge aufweist, wobei Mareile Kurtz "niemals als Art Director gearbeitet und noch nie ein Drehbuch geschrieben hat, locker 20 Kilo mehr wiegt und Essen (inzwischen) über alles liebt".

"Mausmakis blaue Pumas" schneidet wild zwischen Jetzt und Vergangenheit hin und her, mal Emma-Kind mit "Benjamin Blümche"“-Kassette, mal Emma-Teenie mit Placebo-Platte, mal die nicht erwachsen gewordene Emma im Bett mit ihrem Lieblingsfilm "Forest Gump". Diese Leidenschaft teilt sie mit Nicki, ihrer verflossene Liebe – ein wesentlich besserer Freund für sie als ihr erster, Konstantin. Dazwischen: Jede Menge Herumgevögle, Schulwechsel (nachdem es auch Notentechnisch besser wird), der Verlust von allem, was ihr lieb und teuer ist. Konstantins Ex führt sie in den Hippie-Trance ein – so wie ein Vampir einen Menschen beißt und ihn selbst zum Vampir macht, wie Emma romantisch vergleicht.

Gegensätzlich zu ihrer Erfüllung, die sie in wilden Partys findet, steht, dass Emma sich immer wieder fragt, ob sie nicht aufhören soll mit den Drogen, auch aus Angst um ihre Freunde. Mareile Kurtz darüber: "Emma Fröhlich ist nicht nur drogensüchtig, sondern hat auch Bulimie. Sprich: Sie ist - wie alle Bulimiker - ein absoluter Kontrollfreak." In ihrer Pubertät hat Emma sich immer hässlich gefüllt, Mareile Kurtz verzeichnet daher zum Kapitelnamen das aktuelle Gewicht ihrer Protagonistin. Daher auch der Untertitel: Über chemisches Heifalsten und die Angst, sich zu Tode zu feiern.

Früher wie heute beschäftigt sich Popkulturnerd Emma mit Religionen aller Art inklusive Wicca. Dazu passt auch, dass sie sich mit Filmen wie "Matrix" identifiziert. Mareile Kurtz definiert das so: "… weil sie mit Hilfe dieser Kunstformen in ihr Inneres gehen kann. Sie ist ständig auf der Suche nach Gleichnissen und Geschichten, die ihr ihre eigenen Gefühle, Gedanken und inneren Konflikte erklären."

Romane wie dieser werden so eigentlich nicht mehr geschrieben. Die Blütezeit war die Ära "Kleinstadtschlampe" (2009), doch gerade deswegen findet man auch schnell einen Zugang zu "Mausmakis blaue Pumas": Man vermisst diese Art von Literatur. Ein ähnliches Exemplar ist "Axolotl Roadkill", welches auch zitiert wird. Denn Mareile Kurtz möchte nicht plagiieren, sie hinterlässt tausend Fußnoten zu ihren Quellen und Zitaten. Die ellenlangen Querverweise zeigen allerdings nur noch mehr auf, wie verdichtet die Hinweise auf Literatur, Film und Musik wirklich sind. Dies fällt vielleicht nicht groß negativ auf. Doch wenn sie frei vom Drogenrausch schreibt, wenn wirklich Emma zu Wort kommt, ohne zu zitieren – dann kann es ziemlich ekelig werden.

Fazit

Oft poetisch-kindlich, oft brutal-ekelig, dennoch immer fest in der Popkultur verankert.

Simone Bauer - myFanbase
16.06.2013

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