Bewertung
Hiaasen, Carl

Sternchenhimmel

"Dem Bodyguard war klar, dass er jetzt ein persönliches Interesse daran hatte, dafür zu sorgen, dass diese dauerbekiffte Dummtorte zumindest die nächsten zwei Monate weiteratmete."

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Inhalt

Mit ihren ständigen Drogen - und Alkoholexzessen treibt Popsternchen Cherry Pye ihr Management an den Rand der Verzweiflung. Der ehemalige Strafgefangene Chemo soll nun mit rabiaten Methoden dabei helfen, Cherrys Absturz zu bremsen. Einer, der nur darauf lauert, dass sich Cherry publikumswirksam ins Grab feiert, ist der Paparazzo Claude "Bang" Abbott, der jedoch außer Kontrolle gerät, als er herausfindet, dass er mehrmals gar nicht Cherry abgelichtet hat, sondern deren heimliches Body-Double. Besagtes Double, die unbekannte Schauspielerin Ann DeLusia, wird bald tiefer in den Schlamassel um Cherry hineingezogen, als ihr lieb sein kann, doch sie findet auch einen ungewöhnlichen Verbündeten.

Kritik

Adjektive wie lästig, schamlos und aufdringlich zählen noch zu den netteren Ausdrücken, die einem spontan zu der Berufsgruppe der Paparazzi einfallen. Nicht unbedingt zu Unrecht genießen die Papparazzi weltweit einen so schlechten Ruf, dass keiner sie mehr als Fotografen bezeichnet. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt damit, dass sie Prominenten nachstellen und deren Leben in hochauflösenden Bildern vor der Öffentlichkeit ausbreiten. So mancher Star ist an dieser intensiven Dauerverfolgung schon zu Grunde gegangen. Andererseits wären viele Prominente nicht einmal halb so berühmt, wie sie jetzt sind, wenn nicht ständig Paparazzi um sie herumschwirren und jeden ihrer Schritte dokumentieren würden.

Carl Hiaasen stellt uns in "Sternchenhimmel" einen Paparazzo vor, der all das Schlechte dieses Berufsstandes verkörpert, der sich dessen aber auch bewusst ist. Claude Abbott, genannt Bang, leugnet seine Unehrenhaftigkeit und seinen Mangel an Anstand nicht. Er arbeitet des Geldes wegen als Paparazzo und weil dieser schmutzige Beruf sein Leben interessant und aufregend macht. Die überspitzten, aber auf wahrem Kern beruhenden Eindrücke in Abbotts Arbeitsalltag zeigen auch, dass sich um jeden Paparazzo herum schnell eine eigene kleine Industrie entwickelt. Hotelpagen, Kellner, Reinigungskräfte und andere Angestellte verdienen sich ein Zubrot damit, Paparazzi mit Informationen über den Aufenthaltsort und das Verhalten von Prominenten zu versorgen. Von Abbotts Anzahl an Spionen und von den sekündlich eingehenden Informationen auf seinem Handy können so manche Geheimdienste dieser Welt nur träumen.

Abbotts Lieblingszielobjekt Cherry Pye ist das klassische, wenngleich natürlich auch überzogene Beispiel eines auf kommerziellen Erfolg getrimmten Popsternchens. Sie ist ein rücksichtslos vermarktetes Produkt, das von außen gut aussieht, aber jeden Inhalt vermissen lässt. Man könnte sie auch einfach als ein Vakuum im sexy Outfit bezeichnen. Ihr Gesangstalent tendiert gegen Null, Songs schreiben kann sie auch nicht und ihr IQ erreicht nicht einmal annähernd Durchschnitt. Sie hat die emotionale Reife einer hyperaktiven Vierjährigen. Ihre selbstzerstörerische Begeisterung für Sex, Drogen, Alkohol und sensationell peinliche Tattoos ist daher auch keine Form der Rebellion, sondern einfach ihre unreife, verantwortungslose Vorstellung von Spass, der man durch klare Ansagen und therapeutische Maßnahmen Einhalt gebieten müsste. Doch statt Cherry vor Schaden zu bewahren, geht es ihren Eltern und ihren Managern vornehmlich darum, hinter ihr aufzuräumen und ihre Fehltritte zu vertuschen, damit sie weiter Geld einbringt. Cherrys gesamtes Umfeld ist vollkommen skurril und dabei tragisch-komisch, da man als Leser weiß, dass es - in abgeschwächter Form - tatsächlich immer wieder solche "Karrieren" gab und gibt, die wenig mit Kunst und Können, aber viel mit Geldgier, Ruhmsucht und Ausbeutung zu tun haben.

Den Kontrast zu Cherry bildet ironischerweise ihr Body-Double Ann, das dem Popsternchen zwar äußerlich gleicht, aber anders als dieses tatsächlich Talent, Schlagfertigkeit und Tiefe besitzt. Cherry weiß nicht einmal, dass sie einen "Zwilling" hat, denn immer, wenn Ann für die talentfreie Sängerin einspringt, ist diese zu bekifft, betrunken oder beides, um dies mitzubekommen. Außerdem ist Cherry zu hohl und desinteressiert, um Zeitschriften zu lesen und zu bemerken, dass sie ständig irgendwo gesehen und fotografiert wurde, wo sie gar nicht war. Daran, dass hier die falsche Person reich und berühmt ist, besteht gar kein Zweifel, doch der Tag, an dem es im Showbusiness nur noch fair zugeht und allein Talent und Vernunft über Berühmtheit entscheiden, ist der Tag, an dem das Hollywood-Schriftzeichen vor Langeweile umkippt.

Apropos Talent. Carl Hiaasen beweist einmal mehr sein Gespür für unterhaltsame Skurrilität, die zum Grinsen und Kopfschütteln anregt. Im Prinzip erzählt der Autor in diesem Roman die schrägste, bitterböseste und für Kinder ungeeignetste Variante vom Doppelten Lottchen aller Zeiten.

Fazit

Carl Hiaasen, den ich seit seinem Roman "Der Reinfall" sehr schätze, kann auch mit "Sternchenhimmel" wieder einmal überzeugen.

Zur Rezension von Band 2 "Grosse Tiere"

Zur Rezension von Band 4 "Krumme Hunde"

Zur Rezension von Band 5 "Der Reinfall"

Maret Hosemann - myFanbase
20.09.2012

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