Bewertung
Blazon, Nina

Zweilicht

"Wenn Wendigo über die Seele siegt. Das waren die Worte, die sein Vater auf eine der Postkarten geschrieben hatte."

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Inhalt

Jay ist endlich angekommen, in der alten Heimat seines verstorbenen Vaters – New York. Dort erlebt er nicht nur ein verwirrendes Gefühlschaos, sondern auch das Abenteuer seines Lebens. Gefährlich und erschreckend! Bereits an seinem ersten Tag verknallt er sich in die wunderschöne Madison. Ihre unnahbare Art und die Indianeraugen haben es dem deutschen Romeo einfach angetan. Doch dann gibt es da noch dieses andere Mädchen, Ivy. Ebenfalls schön und sehr rätselhaft. Seltsamerweise kann nur Jay sie sehen. Ständig spricht sie von einer geheimnisvollen Welt, Mannahatta genannt, in die Jay sie unbedingt begleiten soll. Aber warum? Bald schon weiß der Austauschschüler nicht mehr, was er glauben soll, und vor allem, für wen sein Herz schlägt. Ivy oder Madison? Das soll nicht sein einziges Problem bleiben. Denn plötzlich sieht Jay sich von dem geheimnisvollen Wendigo bedroht, jenem dämonischen Wesen, über das sein leicht durchgedrehter Vater kurz vor seinem Tod schrieb.

Kritik

Dies ist mein dritter Fantasyroman von Nina Blazon, nach "Faunblut" und "Ascheherz", die im Gegensatz zu "Zweilicht" in einer fiktiven Welt spielen. Bereits in ihren früheren Werken bewies die deutsche Autorin, dass sie den internationalen Kollegen durchaus das Wasser reichen kann und schreibtechnisch einiges auf dem Kasten hat. Wenn man ihren Romanen eines nachsagen kann, dann, dass sie stets für eine Überraschung gut sind. Entsprechend schafft Blazon es in diesem Werk erneut, mich mit ihrem lebendigen Schreibstil zu verzaubern und mir plottechnisch ein "WOW!" zu entlocken, trotz kleiner Kritikpunkte.

KOMISCH, VERWIRRT und HÄH! Sind die Worte, die einem in den Sinn kommen können, wenn man mit den ersten Kapiteln beginnt. Es wird sehr verquer und undurchsichtig, wenn Austauschüler Jay in New York vor seinem alten Leben flieht und sich von zwei bezaubernden Mädels den Kopf verdrehen lässt. Für wen schlägt Jays Herz am Ende? Für die elfenhafte und geheimnisvolle Ivy, oder für die etwas spröde aber wunderschöne Madison? Und was haben die rätselhaften Postkarten von Jays verstorbenem Vater zu bedeuten, in denen es um ein gefährliches Wesen namens Wendigo geht? Fragen über Fragen, Andeutungen über Andeutungen. Da kann man schon mal vor Ungeduld und einem riesen Fragezeichen im Oberstübchen leicht genervt aufstöhnen.

Alles an diesem Urban-Fantasy Werk erinnert zunächst an eine typische 08/15-Romantasy, die mit unnahbaren Charakteren aufwartet und nichts wirklich Neues zu bieten hat... zunächst! Ich sage nur eines: wer die Flinte zu früh ins Korn wirft, ist selbst Schuld und verpasst das Beste. Denn erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Hält Blazon sich in den ersten Kapiteln sehr bedeckt mit Details und Hintergrundinformationen über ihre Protagonisten, werden diese ab der zweiten Hälfte geschickt ausgearbeitet. Zum Glück! Anfangs waren mir die drei Schlüsselfiguren Madison, Ivy und Jay nämlich ein wenig egal, trotzdessen die Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven (3. Person) beleuchtet wird. Der Leser erfährt auf den ersten 200 Seiten nur wenig über sie. Zudem bekleckert sich keiner der Dreien wirklich mit Ruhm. Jay plagen ominöse Sorgen aus der Vergangenheit. Außerdem kann er sich nicht entscheiden, bei wem sein Herz schneller zu flattern beginnt. Ivy taucht auf, wie es ihr gerade in den Kram passt, und Madison ist irgendwie seltsam eingebildet. Auch die Nebenfiguren bleiben größtenteils geheimnisvoll und unantastbar.

Doch schlagartig gibt es eine Wendung, mit der ich NIEMALS gerechnet hätte und die plötzlich ganz viel Sinn ergibt. Tausende von Fragen werden aufgeklärt und die verteilten Puzzlestücke setzen sich allmählich zusammen. Am Ende entsteht ein fabelhaftes und zugleich tragisches Bild, das zwar leichte Knicke in der Optik hinterlässt, aber dennoch wunderschön anzuschauen ist – Nervenkitzel, Romantik und Überraschungsmomente sorgen für ein Leseerlebnis der etwas verzwickten Art. Erst erscheint die Story wirr und KURIOS, wird dann aber aufklärend und FURIOS!

Jedes Wort zu viel über den Twist im Buch wäre an dieser Stelle ein No-Go, weil es einfach den Überraschungseffekt vermiesen würde. Ein kleiner Tipp: es findet ein Genrewechsel statt, der sich wirklich sehen lassen kann. Folglich wird es auf den letzten Metern sehr aufregend, charakternah, emotional und leider etwas enttäuschend, wenn der todbringende Wendigo blitzartig auftaucht. Irgendwie habe ich mir diesbezüglich etwas ganz anderes vorgestellt. Man stelle es sich in etwas so vor: da denkt man King Kong kommt um die Ecke gestampft, doch stattdessen wird man von einer tosenden Lawine überreifer Bananen angegriffen. Es wird schon dramatisch, aber hinsichtlich des gefürchteten Wesens wurde meiner Meinung nach viel Rauch um "nichts" veranstaltet, obwohl die Idee an sich brilliant und die Message angekommen ist. Dieses Manko ist aber sicherlich eine reine Geschmacksfrage und kein Grund, sich dieses phantastische Buch entgehen zu lassen. Genauso wenig wie die mysteriösen Botschaften eines eingebauten Nebencharakters – ich nenne ihn an dieser Stelle mal Zweiherz -, die am Ende zwar einen Sinn ergeben, aber gleichzeitig etliche Fragen nachhallen lassen. Ein paar mehr Details wären an dieser Stelle sehr hilfreich gewesen.

Fazit

"Achte auf die Details", nicht nur Hauptprotagonist Jay sollte sich diesen Tipp zu Herzen nehmen, sondern der Leser gleich mit. Ist der Plot auf den ersten 200 Seiten sehr verwirrend gestrickt, inklusive unnahbarer Charaktere, bügelt der zweite Teil anfängliche "Schwächen" wieder aus und überzeugt (fast) auf ganzer Linie. Getreu dem Motto: Das Beste kommt zum Schluss! Das Ergebnis ist ein komplex ausgearbeiteter Phantastik-Roman, der seine eigene, wundervolle Sprache spricht - gleicht mintunter einem Irrgarten und weist nur langsam auf den ersehnten Ausgang hin. Die Wegweiser sind von romantischer, überraschender und spannender Natur. Licht an, Buch auf!

Doreen B. - myFanbase
04.10.2011

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