Bewertung
Despain, Bree

Urbat. Die Dunkle Gabe

"Ich bin der Tod oder das Leben. Ich bin Heil oder Zerstörung. Engel oder Dämon."

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Inhalt

Pastorentochter Grace Divine fällt aus allen Wolken. Plötzlich steht Jugendfreund Daniel vor ihr und tut, als wäre nichts geschehen – drei Jahre ist es her, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hat und ihren Bruder Jude blutverschmiert auf der Veranda des Familienhauses vorfand. Aber was ist damals wirklich passiert und warum fehlte seitdem jede Spur von Daniel? Fragen, auf die Grace nur zu gerne Antworten hätte, stieß sie doch stets auf eine Mauer des Schweigens, wenn es um das Thema Daniel ging.

Nun, da er wieder in der Stadt ist, versucht sie seinem dunklen Geheimnis auf die Spur zu kommen und das umzusetzen, was ihr als Pastorentochter immer eingeimpft wurde: Vergebung ist nicht immer einfach, aber notwendig, um weiter machen zu können. Somit lautet ihr Ziel, Daniels beschmutze Weste wieder reinzuwaschen und ihn mit der Familie, insbesondere ihrem Bruder Jude, zu versöhnen. Keine einfache Aufgabe, weiß Grace doch selbst nicht, ob sie Daniel jemals wieder vertrauen kann, als er ihr endlich reinen Wein einschenkt und sie damit in ein Gefühlschaos wider Willen stürzt.

Kritik

"Urbat. Die dunkle Gabe" ist der erste Jugendroman der amerikanischen Autorin Bree Despain, die gleich einen richtigen Volltreffer landet. In diesem Buch findet man alles, was einen guten Dark-Fantasy-Schmöker ausmacht, obgleich der Buchrücken auf den ersten Blick einen typischen braves-Mädchen-verliebt-sich-in-gefährlichen-Jungen-Roman präsentiert und das Cover nicht recht zum Inhalt passen mag. Schaut man jedoch hinter die Kulissen, wird man überrascht sein. Despain gelingt es nämlich, eine tiefgründige und spannende Liebesgeschichte zu erzählen, die sich von dem sonstigen Einheitsbrei abhebt und auf eigene Weise zu begeistern weiß. Dabei sollte man genügend Zeit für das Buch einplanen, man kann es nämlich nur schwer aus der Hand legen – Lesenachtschicht also nicht ausgeschlossen.

Sieht man sich den Plot genau an, so bietet er nichts wirklich Außergewöhnliches: ein Mädchen, ein Junge, Konflikte in der Familie, ein gefährliches Wesen, das die Stadt unsicher macht, und ein düsteres Geheimnis. Ein Konzept, das sich schon in vielen Jugendromanen bewährt hat und besonders junge Mädchen und Frauen ansprechen soll. Stellt sich also die Frage, was dieses Buch so besonders macht. Ganz einfach: Bekanntes wird neu erzählt, geschickt zu einem Ganzen verwoben und durch frische Ideen ergänzt.

Das ist aber noch nicht alles, denn das wirklich gelungene bei "Urbat. Die dunkle Gabe" sind die Charaktere. Allen voran die Pastorentochter Grace Divine, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Dabei bedient sich auch Despain an der neu in Mode gekommenen Ich-Perspektive, die in diesem Fall gut gewählt ist und einen sofort in Graces (bisher) behütete Welt zieht. Denkt man bei einer Pastorentochter sofort an ein spießiges Mädchen mit geflochtenen Zöpfen, das jeden Sonntag in die Kirche geht und munter Bibeltexte zitiert, liegt man hier nur bedingt richtig. Denn Grace ist alles andere als ein Mauerblümchen. Sie besitzt eine starke Persönlichkeit und kämpft für das, was sie will. Dabei befindet sie sich stets in einem Zwiespalt zwischen "Richtig" oder "Falsch" – bezogen auf die Erziehung ihrer Eltern. So soll Grace keine Geheimnisse vor ihrer Familie haben, wird aber selbst oftmals im Unklaren gelassen, insbesondere was Daniels Rückkehr und Vergangenheit anbelangt. Sie hält sich nicht immer an die Vorschriften oder versucht diese geschickt zu umgehen. Darf sie zum Beispiel keinen Jungen mit aufs Zimmer nehmen, so führt sie Daniel einfach auf das Dach des Familienhauses und tut somit nichts Verbotenes. Das macht Grace sehr sympathisch und authentisch. Eben eine Jugendliche, die sich zum ersten Mal richtig verliebt und Dinge hinterfragt, die auf den ersten Blick klar erscheinen, bei näherem Hinsehen aber nicht nur Schwarz oder Weiß sein müssen.

Konflikte sind das A und O in einer gut durchdachten Geschichte und deshalb gibt es für Grace mehr zu verlieren, als nur ihre große Liebe. So muss sie sich nicht nur mit Daniels unerwarteter Rückkehr und ihren neu entflammten Gefühlen für ihn auseinander setzten, sondern auch mit ihrem Bruder Jude, der einst Daniels bester Freund war und seit jenem mysteriösen Abend nur noch Hass für ihn empfindet. Für wen wird Grace sich entscheiden? Für Daniel, der hier den stereotypisch gestalteten Antihelden darstellt, trotzdessen aber nicht 08/15 rüberkommt, was besonders seiner traurigen Vergangenheit zu verdanken ist, oder für Jude, der Daniel zwar aus seinem Leben verbannt hat, aber dennoch bereit ist, sein dunkles Geheimnis zu hüten? Fragen die sich nicht nur Grace stellen muss. Denn zum Ende hin ist so gut wie alles möglich.

Auch an der sprachlichen Umsetzung gibt es nicht viel zu meckern. Einzig störend bzw. befremdlich waren die anfangs extrem kurzen Kapitel, die mehr wie ein Tagebucheintrag wirken, sich im Endeffekt aber als gutes Stilmittel entpuppen, um Spannung zu erzeugen. Im Ganzen merkt man, dass Bree Despain etwas vom Schreibhandwerk versteht und dieses auch gefühlsbetont und actiongeladen umsetzen kann. Trotz oftmals einfachem Satzbau gelingt ihr eine gelungene Inszenierung von Charakteren, Umgebungen und alten Legenden.

Fazit

"Urbat. Die dunkle Gabe" ist eine schaurig-schöne Liebesgeschichte, die mit religiösen Hintergründen gespickt ist, dabei aber nie den Zeigefinger erhebt oder bekehren will. Ein gelungener Fantasy-Roman über die große Liebe, Freundschaft, Vergebung, Zusammenhalt in der Familie und mystische Legenden. Urbat – Hunde des Himmels oder des Todes? Eine Frage, die hoffentlich im zweiten Band "The Lost Saint" (engl. Originaltitel) geklärt wird.

Doreen B. - myFanbase
28.12.2010

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