Bewertung
Roche, Charlotte

Feuchtgebiete

"Dass ich in Muschisachen so gesund und in Arschsachen normalerweise so verkrampft bin, liegt daran, dass meine Mutter mir ein Riesenkackaproblem angezüchtet hat. Als ich ein kleines Mädchen war, hat sie mir oft gesagt, sie gehe nie groß auf Toilette. Sie müsse auch nie furzen. Sie behalte alles inne, bis es sich auflöst. Kein Wunder dann alles!"

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Inhalt

Helen Memel liegt in der Inneren Abteilung von Maria Hilf. Sie wartet auf den Besuch ihrer geschiedenen Eltern, in der irren Hoffnung, die beiden könnten sich am Krankenbett der Tochter endlich versöhnen. Unterdessen nimmt sie jene Bereiche ihres Körpers unter die Lupe, die gewöhnlich als unmädchenhaft gelten und lässt Krankenpfleger Robin die Stellen fotografieren, die sich ihrem neugierigen Blick entziehen.

Nebenher pflegt sie ihre Sammlung von Avocadokernen, die ihr auch in sexueller Hinsicht wertvolle Dienste leisten. Selbst wenn Helens Besessenheit eine Notoperation nötig werden lässt - ihr ungestümer Witz und ihre Wahrhaftigkeit machen sie zu einer Sensation nicht nur auf der Station des Krankenhauses. Sie spricht aus, was andere nicht einmal zu denken wagen.

Kritik

Charlotte Roches Erstlingswerk wirkt keinesfalls wie ein Tabubruch, eher wie eine zeitgenössische Aussage einer Frau, die einem sagen möchte, dass man nicht so verkrampft mit dem Thema Sexualität umgehen sollte, denn dieses ist in unserer heutigen Gesellschaft allgegenwärtig und eigentlich auch das Normalste der Welt. Trotz allem genieren wir uns dennoch, das auszusprechen, was man eventuell denken könnte. Helen, der Hauptcharakter des Buches, spricht eigentlich auch nicht alles aus, was sie denkt, und hat Hemmungen vor bestimmten Ausdrucksweisen. Viel eher denkt sie sich die meisten unpassenden Dinge.

Auch ich bin eigentlich gezwungen, zensiert über dieses Buch zu schreiben, da man sich keinen Zwist mit verärgerten Eltern einheimsen möchte, da doch ein Hauptteil der Leser entweder noch Kinder sind, oder gerade einmal die Hürde zur Jugendlichkeit überwunden haben. Dabei gibt es nichts zu verbergen. Was Helen ausspricht oder denkt, das denkt doch jeder Jugendliche in irgendeiner Art und Weise, auch wenn es verharmlost sein kann. Konservative sprechen vielleicht nicht über Masturbation, doch sie tun es wie alle anderen Menschen auch.

Helen kommt in ein Krankenhaus und ihr liebster Bereich muss unter das Messer. Sie als Analerotikerin trifft das ziemlich hart und so beginnt sie, während sie im Krankenbett liegt, darüber nachzudenken, was sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr erlebt hat. Von ihrer Fissur am Anus, über oralgenitalen Verkehr bis hin zu ihrem ersten Bordellbesuch, sowie ihre Neigung dazu, statt nackte Männer auch gerne einmal nackte Frauen zu sehen, da sie niemals ihre Freundin oder ihre Mutter fragen könnte.

Dabei kann man das Buch in zwei Teile trennen. Im ersten Teil geht es hauptsächlich um ihr freizügiges Leben und im zweiten Teil geht es um ihr fragiles, gestörtes Familienleben. Zu ihrer Mutter hat sie gar keine gute Beziehung, zu ihrem Vater eine umso bessere, obwohl die Mutter immer versucht hat, Helen nach der Scheidung auf ihre Seite zu bringen.

Wie der erste Teil allmählich zu Ende und langsam zum zweiten übergeht, so ändert sich auch der Ausdruck. Andererseits kann es daran liegen, dass man sich auf die zu einfache Sprache eingestellt hat, und es gar nicht mehr bemerkt, denn neben den vielen Neologismen findet man heraus, dass sich der Schreibstil im Laufe des Buches verbessert. Diese Verbesserung geht in die Gefühle von Helen über, denn eine kleine Überraschung ist vorprogrammiert, die man von diesem doch nicht so starken Mädchen nicht erwarten könnte.

Fazit

Ein schönes Buch, gerne auch für Männer, in dem ausgesprochen wird, was wir Männer denken, es aber den Frauen nicht trauen würden zu sagen, wenn die Beziehung nicht verfestigt ist. Anders gesagt: Wir lieben zu sehr mit dem Kopf, als mit allem anderen.

Ignat Kress - myFanbase
23.03.2008

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