Boyle, T.C.

Wassermusik

Wassermusik erzählt mehrere Geschichten. Zum einen geht es um Mungo Parks, schottischer Entdecker um 1800 und dessen Ehefrau Aillie, zum anderen um den Londoner Trunkenbold Ned Rise. Parks ist ein junger, ungestümer Draufgänger, beseelt davon als mutiger Entdecker berühmt zu werden...

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Inhalt

Wassermusik erzählt mehrere Geschichten. Zum einen geht es um Mungo Parks, schottischer Entdecker um 1800 und dessen Ehefrau Aillie, zum anderen um den Londoner Trunkenbold Ned Rise. Parks ist ein junger, ungestümer Draufgänger, beseelt davon als mutiger Entdecker berühmt zu werden. Die Erkundung des afrikanischen Flusses Niger auf zwei langen Reisen soll sei Lebenswerk werden. Seine Frau Aillie hingegen verbringt in Schottland lange Jahre mit dem Warten auf die Rückkehr ihres Mannes. Parallel hierzu wird die Lebensgeschichte von Ned Rise erzählt. Rise ist ein Londoner Kleinkrimineller, der sich mit größter Mühe durch das harte Großstadtleben schlägt. Immer gerade dann, wen er die Möglichkeit hat, aus dem Bodensatz der Londoner Bevölkerung rauszukommen, schlägt ihm das Schicksal ein Schnippchen. Die Lebenswege von Rise und Parks sollen sich zum Ende des Buches miteinander verbinden.

Kritik

Mungo Parks hat tatsächlich gelebt, aber Boyle stellt seinem Roman ein Vorwort voran, in dem er ausdrücklich erklärt, dass die historische Wahrheit lediglich Grundlage für die Ausgestaltung seiner eigenen Phantasie war. Und das merkt man, denn Boyles Welt ist eine Welt der Übertreibung. London und Afrika sind lebensfeindliche Moloche, in denen es von Ungeziefer, Parasiten und Perversen nur so wimmelt. Der Held, also Parks, leidet an absoluter Selbstüberschätzung, der Verlierer, also Rise, schafft es nicht auch nur ein wenig Lebensqualität zu erreichen. Vor allem aber ist die Welt die Boyles entwirft zynisch und so für den Leser höchst unterhaltsam. Der naive, ungestüme Parks wird auf seinen Expeditionen begleitet von Dolmetscher und Freund Johnson.

Afrikaner mit humanistischer Bildung, der Parks mehr als einmal das Leben rettet und sich als Bezahlung für die lebensgefährlichen Unternehmungen Shakespeares Gesammelte Werke wünscht. Ned Rise hingegen verkörpert die Kämpfernatur, die immer wieder aufsteht. Sein gesamtes Handeln läuft immer wieder auf die Rettung seines Lebens hin. Nur durch härtestes Ringen schafft er es, der schon unzählige Tode überstanden hat (inklusive Exekution durch Henker), als Hilfssoldat an Mungos zweiter Expedition teilzunehmen. Johnson, der Bildungsbürger und Rise, immer bemüht sein Leben zu retten, verkörpern quasi die Gegenpole zu Mungo Park, dem naiven, lebensgefährdenden Draufgänger, der doch nur zu Ruhm und Ehre gelangen möchte. Aber auch Aillie, Mungos Ehefrau, verkörpert einen Gegenpol zu Parks. Dem ewig rastlosen Parks steht sein Frau gegenüber, die Jahre mit Warten verbringt. Und immer mit der Angst Parks könnte nicht lebend aus Afrika zurückkehren.

Um so glücklicher ist sie nach der Rückkehr von Parks erster großer Expedition. Er hat den Niger gesehen, ist der Star der Londoner Society, beginnt seine Memoiren zu schreiben. Aillie hofft auf ein Leben in Frieden, aber Parks ist unruhig, er will den Niger bis zur Mündung abfahren. Und so kommt es, dass er sich nach einigen Jahren der familiären Idylle heimlich wegschleicht, um seinen Verpflichtungen als todesmutiger Entdecker nachzugehen, auf einer zweiten Nigerexpedition.

Boyle schafft das Kunststück einen Roman zu schreiben, der sowohl ein klassischer Entdecker- und Abenteuerroman ist, als auch eine unterhaltsame Satire auf europäische Imperialgeschichte und dennoch trotz aller Absurditäten höchst unterhaltsam und lesenswert ist. Dabei wirkt der Roman jedoch nie blöd, denn in aller Satire steckt immer auch eine wahre Aussage. Parks ist nämlich auch als Karikatur auf arrogante und intolerante europäische Besetzter zu begreifen. Denen es unbegreiflich ist, dass hinter all den komischen Sitten der "minderwertigen Stämme" Afrikas große Kulturen mit langer Geschichte stehen. Johnson, der afrikanische Humanist, zeigt dem Leser, dass im 19. Jahrhundert so mancher Sklave klüger war als sein europäischer Besitzer. Und die vielleicht ein wenig drastische Beschreibung des vorindustriellen Londons führt dem Leser ins Bewusstsein, dass europäische Großstädte Jahrhunderte lang tatsächlich vor allem schmutzige, mit Fäkalien verdreckte Seuchenherde waren, vor denen sich alte, große afrikanische Städte wie Timbuktu nicht verstecken brauchen.

Es ist Boyle hoch anzurechnen, dass er die Aufgabe von Satire, nämlich durch Übertreibung und Humor auf Missstände hinzuweisen, gekonnt umsetzt. Für den Leser ist so ein Roman entstanden, an dem er viel Freude hat.

Julie C. - myFanbase
10.01.2005

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