Bewertung
Illies, Florian

Anleitung zum Unschuldigsein

"Da es keine verbindliche Moral mehr gibt, keine objektiven Maßstäbe für gut und böse, haben wir uns alle im Laufe der Zeit ein sonderbares Gedankengebäude errichtet, nach dem der gut ist, der joggt und auf dem Wochenmarkt frische Tomaten kauft und der schlecht, der nicht joggt und Pommes mit Ketchup mag. Wir sollen und wollen uns ständig schuldig fühlen, wissen aber gar nicht mehr so ganz, warum – und vor allem: vor wem."

Foto: Copyright: S. Fischer Verlag GmbH
© S. Fischer Verlag GmbH

Inhalt

"Anleitung zum Unschuldigsein" ist das erste Übungsbuch für ein schlechtes Gewissen. Von Mülltrennung über ungesunde Ernährung bis hin zur falscher Scham wird hier alles aufgezählt, was dem normalen Deutschen bis in die Nacht hinein Gewissensbisse verursacht.

Kapitel für Kapitel werden hier die Feinheiten des alltäglichen Lebens auf Herz und Nieren überprüft, hier ein kurzes Beispiel: Kapitel 3 – Heute nehme ich mir ein Taxi – "Am schönsten entfalten sich die Schuldgefühle im automobilen Bereich, wenn man sich zu einer Taxifahrt entschließt. Besonders rasch werden sie bei mir wirksam, wenn ich in einer fremden Stadt am Bahnhof in ein Taxi steige, das angegebene Fahrziel aber nur 1000m entfernt ist, der Fahrpreis dafür also das Briefporto für einen 1000-Gramm-Brief kaum übersteigt. Sofort drängt sich die Frage auf, wie anständig es wäre, den Taxifahrer mit 20 Pfennig Trinkgeld abzuspeisen [...]."

Jedes Kapitel beinhaltet zum Schluss eine Übung für den Leser, damit dieser auch selber in den Genuss des eigenen schlechten Gewissens kommen kann. In diesem Fall hier lautet der Vorschlag zur Nachahmung: "Übung: Heute gehen wir zu einem selten frequentierten Taxistand, an dem die Taxis besonders lange warten müssen, steigen ein [...]. Dann sagen wir zum Taxifahrer anerkennend 'Sie haben es ja ganz schön weit gebracht.' Wir fahren 500 Meter und brüllen dann bei 3 Mark 90, der Fahrer möge uns hier endlich rauslassen. Dann geben wir im 3 Mark 90 und sagen 'Stimmt so'."

Kritik

Florian Illies, dessen Erstlingsroman "Generation Golf" (2001) hochgelobt wurde, bleibt seinem Stil auch beim zweiten Buch treu. Treffend und pointiert beschreibt er die Klippen des Alltags und fühlt dabei den eigenen und unseren Unzulänglichkeiten auf den Zahn. Mit Ironie und Witz schafft er es, auch der langweiligsten Tätigkeiten eine humorvolle Seite abzugewinnen. Und von seiner "Problemzonengymnastik für den Kopf" fühlt sich fast jeder Leser angesprochen. Denn wer hat nicht schon einmal ein schlechtes Gewissen bekommen, weil er auch nur ein klitzekleines Vergehen gegen die allgemeine Ordnung, und sei es nur bei Rot über die Ampel zu gehen, begangen hat?

Man muss allerdings den ironischen Schreibstil Illies mögen, um den Humor des Buches genießen zu können. Der eigene Wortwitz und die Spitzfindigkeiten des Autors sind vielleicht nicht jedermanns Sache. Wer sich allerdings darin wiederfindet, darf eine hochkomische Lektüre genießen.

Mit einem Augenzwinkern erzählt ist "Anleitung zum Unschuldigsein" wohl eines der besten Selbsthilfebücher unserer Zeit. Denn nur der, der sich auch mal so richtig gehen lässt und seinem schlechten Gewissen etwas Ausgang gönnt, kann das Leben wahrlich genießen.

Fazit

Ein kurzweiliges Buch mit Witz und Charme. So hat man gerne mal ein schlechtes Gewissen, weil man sich lesend auf der Couch lümmelt, anstatt für die Schule oder Uni zu lernen.

Barbara Kotzulla - myFanbase
15.01.2008

Diskussion zu diesem Buch