Bewertung
Tolstoi, Leo N.

Krieg und Frieden

"Und während er Napoleon in die Augen sah, dachte Fürst Andrej an die Nichtigkeit aller irdischen Größe, an die Nichtigkeit des Lebens, dessen Sinn ihm noch niemand begriffen haben schien, und an die noch größere Nichtigkeit des Todes, dessen Sinn überhaupt kein Mensch auf Erden zu begreifen und zu erklären vermochte."

Inhalt

1805: Moskaus wohlhabende Gesellschaft feiert bei den Rostowas eine Feier, bei der alle eingeladen sind. Es kommen Pierre und seine Mutter, welche schon langjährige Freunde der Rostows sind, die Kuragins, Graf Andrej Bolkonskij und viele weitere. Auf dieser Feier führt man politische, familiäre und andere erheiternden Gespräche. Der Adjutant von Graf Andrej erhält eine Depeche, und verkündet im Saal, dass das Reich Russland an der Seite der Österreicher in den Krieg gegen Napoleon ziehen wird, wodurch Jubel im Saal ausbricht. Die Frauen und Freundinnen der Männer können diesen Jubel nicht begreifen.

Der junge Graf Rostow ist Kavallerist und gehört somit zu den ersten, die den Krieg nah erleben werden. Was er jedoch hinterlassen muss, ist seine Geliebte Sonja, die ebenfalls bei den Rostows wohnt. Der mürrische und vom Leben nicht sehr begeisterte Andrej fühlt nicht wie die anderen. Doch was er verlieren könnte, scheint ihm unwichtig. Erst als er vom Krieg zurückkehrt, ändert sich sein Leben. Zu diesem anderen Leben verhilft ihm Pierre. Er ist der uneheliche Sohn des Grafen Besuchow, welcher im Sterben liegt, und seinen einzigen Sohn ein letztes Mal sehen möchte. Dieser Wunsch wird ihm erfüllt. Bei der ersten Begegnung mit Pierre kommen ihm Tränen, und er überreicht mit letzter Kraft sein Erbe an ihn. Somit ist Pierre zum neuen Grafen Besuchow erklärt worden.

Von diesem unerwarteten Schicksalsschlag ist der alte Kuragin nicht sehr begeistert, denn er wollte das Testament fälschen. Nun muss ihm etwas anderes einfallen. Er schickt seine intrigante Tochter Helene auf ihn los, die ihn am Ende der Verführungskünste heiratet.

Kritik

Ein mit Abstand überwältigendes Buch, welches sich nicht nur durch seine Länge hervorhebt, sondern auch durch seine Schreibweise und seinen Darstellungen. Es ist ein Genuss, jede einzelne Passage, jeden einzelnen Absatz zu lesen. Jedes einzelne Wort, jeder Teilabschnitt für sich ist gut bedacht eingebracht und untermauert so jeden einzelnen Charakter und jedes Wohl- oder Unwohlbefinden, aber auch den Konflikt zwischen den Charakteren selbst und der Geschichte.

Die Sprünge zwischen einer heilen Welt, die Welt der Adligen, die Welt der russischen Adligen, bei denen nur noch Frauen und alte Herren leben, und nicht immer wissen, was sie mit dieser heillosen, zerstörten Welt und mit ihrer Zeit anstellen sollen, außer Intrigen zu schnüren, und nach der großen Liebe Ausschau zu halten, oder auf die zu warten, welche im Krieg gegen das Kaiserreich Frankreich gezogen sind. Es ist der Frieden und zugleich der Krieg, der in den Familien herrscht. Es ist aber auch das atemberaubende Sinnbild einer Zeit, die nur eine Scheinfriedenszeit hatte, und der Krieg immer an vorderster Stelle lag. Getrieben durch den Wahnsinn eines Mannes. Doch nicht weniger schuldig waren die Anderen, da sie gar nicht genug kriegen konnten.

Jeder einzelne Charakter wird von Tolstoi gut untermauert, jede einzelne psychologische und physiologische Verständnismäßigkeit stellt er gut dar. Leicht dümmliche Menschen können trotzdem weit hochkommen, wenn sie die passenden Verbindungen haben. Eine leichte Gesellschaftskritik, doch viel mehr findet sich spärlich in diesem Buch, da Tolstoi selbst Graf gewesen ist, und sich als Protagonisten einbringt.

Der Wille zu überleben steht für die Soldaten am Ende einer Schlacht höher, als für den Kaiser ihr Leben zu opfern. Ein wahrer Fanatismus, wenn man bedenkt, dass man willenlos für einen Menschen in den Krieg zieht, und sich auch noch darüber freut. Nur um einen einzigen Augenkontakt zu ergattern. Und so kommt auch die Philosophie nicht zu kurz in diesem Roman, der nach langer Zeit nicht mehr unbedingt so begeistert wie zu Anfang, dass das Leben eines Menschen zu dieser Zeit nicht viel Wert war. Dass der Mensch auf Gottes Erden, welche so schön hergerichtet und vom Menschen zugerichtet wurde, nur auf einer Zwischenstation zwischen dem Nichts und der Endlosigkeit lebt. Man nimmt die Schönheiten wahrscheinlich gar nicht wahr, bis man kurz vor dem Tode steht, oder nicht begreifen kann, welchen Sinn alles ergibt. Zu groß ist die Gefahr, dass man sich auf etwas fixiert, und alles andere vergisst.

Fazit

Ein Glanzstück weltweiter Literatur, die uns einen Einblick in die Welt der Napoleonischen Kriege und deren Gesellschaft gewährt.

Ignat Kress - myFanbase
09.01.2008

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