Bewertung

Review: #9.02 Alles nur Einbildung?

Foto: Lee Norris, One Tree Hill - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Lee Norris, One Tree Hill
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Nach dem doch recht durchwachsenen Auftakt der neunten Staffel liegt es nun an der zweiten Folge, die qualitative Richtung zu weisen: entwickeln sich die in #9.01 Know This, We Noticed angerissenen Geschichten zu tatsächlichen Storylines und bekommen die nötige Substanz? Oder läuft es wie in der achten Staffel und wir können uns auf eine Reihe von Stand-Alone-Folgen einstellen, deren Handlungsstränge gar keine oder kaum Relevanz für die Charaktere und die gesamte Serie haben? Ein großes Problem ist und bleibt die Menge der Hauptfiguren, vor allem wenn alle ihre eigene Story bekommen sollen. Das zeigt sich wieder einmal an Mouth und Millie, deren Abwesenheit im Staffelauftakt mir ehrlich gesagt gar nicht aufgefallen ist und deren Storyline ähnlich kurios wirkt wie Clays Schlafprobleme.

I don't know how to talk to him, it's not an easy subject to bring up.

Der Zeitsprung von mehr als einem Jahr, der im Finale der achten Staffel vollzogen wurde, hat also noch eine Auswirkung, die wir erst jetzt kennenlernen: Mouth hat an Gewicht zugelegt, unter anderem weil in seiner gemeinsamen Fernsehsendung mit Millie eine kleine Kochshow eingebaut wurde und er nur noch auf seiner Couch liegt. Ungesunde Essgewohnheiten schleichen sich ein und diese Faktoren potenzieren sich zu einem Teufelskreis, den Mouth selbst in diesem Ausmaß nicht zu bemerken scheint. Die Problematik Fettleibigkeit bzw. in diesem Fall zunächst einmal plötzliche Gewichtszunahme zu thematisieren finde ich an sich nicht schlecht, aber ist es dazu wirklich nötig, Lee Norris in einen Fatsuit zu stecken und ihm via Maskenbildner ein Doppelkinn zu verpassen? Dadurch wirkt die Storyline einfach von Anfang an irgendwie lächerlich und zieht damit auch das gesamte Thema an den Rand der Lächerlichkeit, was definitiv vermieden werden sollte.

Interessant ist, dass wir die gesamte Problematik in dieser Folge zunächst aus der Sicht von Millie sehen und noch nicht wissen, wie Mouth selbst zu dieser Veränderung steht, die offensichtlich keineswegs nur auf das Körperliche beschränkt ist. Schließlich scheinen sich Mouth und Millie durch ihre unterschiedliche Freizeitgestaltung auseinander zu entwickeln und auch die Tatsache, dass Millie Mouth nicht direkt auf seine Gewichtszunahme ansprechen kann, fördert diese Distanz. Die Basis der Storyline ist also durchaus positiv, auch wenn ich es wie gesagt generell schade finde, dass Mouth und Millie nicht mit einer anderen Storyline verflochten werden und die Screentime, die alle Handlungsstränge haben, durch diese Extra-Geschichte noch weiter reduziert wird. Aber wenn Lee Norris es schafft, seine angeklebten Hängebäckchen zu überspielen, wir in der nächsten Folge mehr Innensicht von Mouth bekommen und das Thema Übergewicht mit seinen gesundheitlichen und auch sozialen Konsequenzen weiterhin ernst behandelt wird, dann besteht die Möglichkeit, dass sich die Storyline von kurios zu interessant und nicht zu ärgerlich entwickelt. Trotzdem bleibt die hartnäckige Frage, wieso man diese Thematik nicht in der achten Staffel ausgepackt hat, sondern in 13 Folgen stopfen muss, die dadurch bereits in der Frühphase sehr überfrachtet wirken.

I know it seems like a big step, but I think it's the right step.

Kommen wir zur nächsten Nebenstory des erweiterten Hauptcasts: Die Beziehung von Chase und Alex wird innerhalb von einer Folge auf die nächste Stufe gebracht, nur um gleich darauf wieder zerstört zu werden – und ich bin hin und her gerissen, was ich davon halten soll. Einerseits hat mir die Entwicklung von der letzten Folge zu dieser gut gefallen, denn anstatt die beiden nur im Bett liegen zu lassen, beschäftigen sich die Autoren mit den unterschiedlichen Vorstellungen der beiden was ihre Beziehung und auch ihre Zukunft angeht. Für Chase hätte ich mir zwar gerne einen etwas niveauvolleren Gesprächspartner als Chuck gewünscht, aber die Gespräche von Alex mit Chris und vor allem mit Julian haben mir gut gefallen.

Auf der anderen Seite haben wir nun allerdings dieselbe Situation wie in der zweiten Staffel mit Haley: Alex liebt Chase zwar, scheint aber von diesen Gefühlen und auch der damit verbunden Verantwortung etwas überfordert zu sein und will nicht wie Chris ihre Chance verpassen, mit ihrer Musik erfolgreich zu sein. Genau diese Wiederholung hatte ich nach der letzten Folge befürchtet und es zeigt einmal mehr, dass den Autoren keine neuen plausiblen Geschichten mehr einfallen – vor allem nicht für die Figuren, die für die Gesamtstory der Serie sowieso kaum noch relevant sind. Bleibt also nur zu hoffen, dass im weiteren Verlauf dieser Storyline vielleicht doch noch ein Funke Kreativität zu finden ist.

What happened to you as an artist?

Restlos begeistert war ich dagegen wieder einmal von Chris Keller – und ja, ich glaube ich kann jetzt schon davor warnen, dass die Reviews zur neunten Staffel voller Lobeshymnen auf diese skurrile und gleichzeitig komplexe Figur sein werden. Nachdem er bei seinem Kurzauftritt in #4.17 Ausflug nach Honey Grove fast schon zu sehr eine Karikatur seiner selbst war, zeigt sich uns in dieser Folge endlich wieder die ernsthafte Seite, die schon während der zweiten Staffel (als ich persönlich Chris noch leidenschaftlich gehasst habe) für eine gewisse Faszination sorgte. Denn trotz seiner scheinbaren Oberflächlichkeit kann Chris seine Mitmenschen erstaunlich gut analysieren – wenn er sich denn dazu herablässt, sich mit ihnen ernsthaft zu beschäftigen. Und nun werden also auch erstmals selbstkritische Töne laut, natürlich gut versteckt zwischen extrem viel Großmäuligkeit. Dass Chris seine Chance verpasst hat, als Musiker den tatsächlichen Durchbruch zu schaffen, hat sich schon in der eben erwähnten Folge der vierten Staffel angedeutet und wird nun bestätigt. Auch wenn er durchaus finanziell erfolgreich ist, so ist dieser Erfolg nur bedingt befriedigend, da Chris seinem musikalischen Anspruch an sich selbst damit nicht gerecht wird. Dass dieser talentierte Künstler noch immer existiert, wurde nicht nur in der letzten Folge mit der intuitiven Bearbeitung von Alex' Song deutlich, sondern auch in dieser Episode durch den emotionalen Auftritt in der Coda.

Trotz allem bleibt aber der komödiantische Aspekt dieser Figur stets präsent und kulminiert auf grandiose Weise im ersten Zusammentreffen zwischen Chris und Nathan. Allein schon die ständige Betonung der Nachnamen, die beim Liebegeständnis zwischen Alex und Chase einfach nur fehl am Platz gewirkt hat, repräsentiert bei Nathan und Chris eine Art verächtlichen Respekt für den Erzfeind und die Freude über diese Szene wird nur getrübt durch die Tatsache, dass der Schlagabtausch der beiden schon wieder vorbei ist, bevor er richtig begonnen hat. Doch auch die folgende Unterhaltung mit Haley, die Anbietung aller seiner Dienste während Nathans Abwesenheit und überhaupt die gesamte Attitüde, dass Chris einfach schnurstracks zum Haus der Scotts marschiert, als er erfährt, dass Nathan wieder abreist, ist einfach nur herrlich! Auch wenn es in den bisherigen zwei Folgen der neunten Staffel doch einiges gab, was mich skeptisch werden lässt, so wird alleine Chris Keller dafür sorgen, dass ich mich auf die restlichen Folgen freue.

Do not break your daughter's heart!

Brookes Storyline bleibt weiterhin eher die Storyline von Victoria und Ted – und das ist auch gut so! Mir gefällt es sehr gut, dass Victoria um Brooke zu kämpfen beginnt und dass es dabei eben nicht nur um Eifersucht gegenüber Ted geht, sondern auch darum, ihre Tochter vor einer Enttäuschung zu beschützen. Es ist zwar etwas heuchlerisch, dass sie, die Brooke jahrelang alles andere als fürsorglich behandelt hat und ihr Talent als Designerin ausgenutzt hat, nun genau dieses Verhalten ihrem Ex-Mann vorwirft. Andererseits ist es für Victoria verständlicherweise auch verletzend, wie freudestrahlend Brooke ihrem bislang quasi nicht-existenten Vater um den Hals fällt und immer wieder zärtlich von "Daddy" spricht, während Victoria oft genug nur ein kühles "Mother" zu hören bekommt. Ebenso ist es aber auch verständlich, dass Brooke die Chance nutzen will, endlich ein besseres und engeres Verhältnis zu ihrem Vater aufzubauen – und wieso nicht über eine gemeinsame Zusammenarbeit, schließlich haben auch sie und Victoria sich auf diese Weise ausgesöhnt.

Richtig stark fand ich die Szene zwischen Brooke und Victoria nach deren versehentlichem Versprecher, die Zusammenarbeit wäre nur ein verzweifelter Versuch von Brooke, um endlich zu erreichen, dass ihr Vater sie liebt. Denn auch wenn Victoria sich in den letzten Jahren unglaublich verändert hat, so hat Brooke absolut Recht, wenn sie auf die Parallelität der Beziehungen zwischen sich und ihrem jeweiligen Elternteil verweist. Interessant war auch die direkte Konfrontation zwischen Victoria und Ted, der mir in dieser Folge schon fast etwas zu glatt war und bei dem ich hoffe, dass er als Charakter nicht zu klischeehaft wird, sondern stattdessen an Komplexität und Tiefe gewinnt, meinetwegen auch gern durch eine kleine Background-Story. Einen schönen Gegensatz zu diesen Problemen des Davis-Clans bildete schließlich die Familienszene mit Brooke, Julian und ihren Söhnen, die deutlich machte, dass beide sehr wohl aus den Fehlern ihrer Eltern gelernt haben und ihren Kindern nie das Gefühl geben wollen, sie müssten etwas erreichen, um geliebt zu werden.

Clay is a werewolf!

Eine weitere durchaus positive Entwicklung konnte auch die Storyline von Clay aufweisen, die in dieser Folge durch Humor und die Konfrontation zwischen Clay und Quinn punkten konnte. Auch wenn die beiden ein süßes Paar bilden, so sind sie mit Dauerharmonie doch sehr langweilig, mit ein bisschen Krach dagegen durchaus interessant – das konnte man schon in den Anfängen ihrer Beziehung in der siebten Staffel feststellen. Ich fand es gut, dass Quinn deutlich macht, wie sehr auch sie, und nicht nur Clay, unter der Situation leidet und dass er sich nicht nur seinetwegen, sondern auch für sie einer psychologischen Behandlung unterziehen sollte. Dass Clay sich so sehr dagegen sträubt könnte vermutlich an seinen Problemen nach Saras Tod liegen – schließlich wissen wir immer noch nicht genau, was passiert ist, bevor Clay von seiner Firma vorübergehend beurlaubt wurde und nach Tree Hill gezogen ist. Die Storyline hat es also geschafft, mein Interesse zumindest marginal zu wecken und außerdem fand ich es sehr süß, wie Clay mal wieder als loyaler Freund gezeigt wurde, der sich für Nathan in Europa ans Bett fesseln würde – Bromance lässt grüßen!

I believe a person should have the opportunity to prove that they've changed.

Am meisten gespannt bin ich allerdings weiterhin auf die Geschichte um Dans Rückkehr in das Leben seines Sohnes. Es stört mich zwar etwas, dass sich die Situation zwischen Dan und Nathan nicht sichtlich geändert hat, aber einerseits MUSS in den kommenden Folgen einfach etwas passieren, dass diese festgefahrene Situation kippt und die beiden sich einander annähern und andererseits gefällt es mir, dass Nathan nicht länger ausschließlich mit "but you killed Keith" argumentiert, sondern Haley gegenüber verdeutlicht, dass Dan schon vor der Ermordung von Keith eine aggressive, fast schon sadistische Ader hatte und diese unter anderem auch an seinem Sohn auslebte.

Nun ist Nathan weg und Dan bleibt – und ich bin wirklich gespannt, was für eine Dynamik sich nun zwischen ihm und Haley entwickelt. Es kann bestimmt nicht einfach sein, ins Gesicht gesagt zu bekommen, dass man gehasst wird, doch Dan sieht hinter Haleys Worten auch völlig korrekt ihr Verhalten, nämlich dass sie ihn trotz Nathans vorhersehbarer Wut über die Situation aufgenommen hat. Er sieht eindeutig eine Chance, über Haley einen Zugang zu seinem Sohn und seinen Enkelkindern zu bekommen, die Frage ist jetzt nur, welche Absicht dahinter steckt. Eigentlich hat Dan seit dem Ende der vierten Staffel nonstop bewiesen, dass er seine Taten bereut und sein Leben ändern will – aber Paul Johansson spielt dann einfach wieder zu genial diesen mysteriösen und schlichtweg nicht einzuschätzenden Dan, dass man trotz aller Entwicklungen, die der Charakter durchgemacht hat, immer noch nicht ganz sicher ist, was man von ihm halten soll.

Fazit

In einer Hinsicht kann ich mein Fazit des Staffelauftakts wiederholen: Chris und Dan sind definitiv die Highlights der Folge! Ansonsten fällt meine Kritik etwas milder aus, da sich die Geschichten eigentlich durchweg gut entwickeln, auch wenn bei allen Storylines durchaus noch etwas zu bemängeln ist. Größtes Manko bleibt allerdings die Menge der Hauptcharaktere und daraus resultierend die Menge der Storylines, die sich leider so wenig überschneiden wie selten zuvor – davon können auch die szenenverbindenden gleichen Sätze leider nicht ablenken. Luft nach oben bleibt also nach wie vor.

Lena Stadelmann - myFanbase

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