Bewertung

Review: #8.01 Winter

Foto: Alexis Bledel & Lauren Graham, Gilmore Girls: Ein neues Jahr - Copyright: Saeed Adyani/Netflix
Alexis Bledel & Lauren Graham, Gilmore Girls: Ein neues Jahr
© Saeed Adyani/Netflix

Es ist endlich wieder soweit! Der brühwarme Kaffee steht bereit und wir erwarten freudig unser liebstes Mutter-Tochter-Gespann, auf das wir die letzten neun Jahre verzichten mussten. Die "Gilmore Girls" sind zurück! Am Freitag veröffentlichte Netflix vier brandneue Folgen in Form von 90-minütigen Episoden, die sich je einer der vier Jahreszeiten widmen, und brachte das Fandom damit um den Verstand.

Es dauerte nicht einmal fünf Minuten und man war wieder mittendrin, in der Wohlfühl-Serie schlechthin und das nicht ohne Grund: Noch bevor wir den ersten Blick auf das winterliche Stars Hollow werfen konnten, hörten wir ein paar der schönsten Zitate aus sieben Staffeln "Gilmore Girls" und waren somit mehr als bereit für die neuen Folgen. Um Lauren Graham und Alexis Bledel wieder in ihren Paraderollen sehen zu können, mussten wir immerhin neun ewig lange Jahre warten. Nun war es aber wieder soweit und was soll ich sagen, im verschlafenen Stars Hollow hat sich kaum etwas verändert. Kirk hat mit Öööber mal wieder eine Geschäftsidee die zum scheitern verdammt ist, was ihn aber nicht davon abhält, sein Herzblut hinein zu stecken. Taylor versucht immer noch die Kleinstadt zu einer Metropole werden zu lassen und Miss Patty unterrichtet auch weiterhin in ihrer Tanzschule. Es fühlt sich tatsächlich nach nur wenigen Sekunden an, als sei man wieder zu Hause! Die Frage, die wohl den meisten Fans auf der Zunge brennen wird, ist, was sich bei den Charakteren denn verändert hat, und dies wird uns in der ersten Folge #8.01 Winter gezeigt:

Lorelai und Luke

Lorelai lebt mittlerweile mit Luke zusammen und scheint immer noch sehr glücklich zu sein. Ich denke man kann sich einig sein, dass einem beim Anblick der beiden immer noch das Herz aufgeht. Zu sehen, wie Luke in der Küche steht, um seinen Gilmore Girls ein Abendessen zu zaubern, fühlt sich einfach richtig an. Bei den beiden scheint sich in den letzten sieben Jahren kaum etwas verändert zu haben. Luke hat immer noch seinen Diner, vor dem er mit aller Macht Wi-Fi-Zombies fernhalten will. Ich habe schmunzeln müssen, als er den Besuchern immer wieder falsche Passwörter gibt, denn es ist einfach typisch Luke. Wer Luke's Diner betritt, kommt zum Kaffee trinken (den es im übrigen immer noch schön nostalgisch aus den alten Glaskannen gibt) und zum Essen, für alles andere gibt es die eigenen vier Wände. Seine bessere Hälfte Lorelai betreibt das Dragonfly Inn immer noch sehr erfolgreich mit einem mürrischen, aber so was von liebenswerten Michel, der mittlerweile übrigens verheiratet ist. Soweit ich mich erinnern kann wurde seine sexuelle Orientierung nie wirklich ausgesprochen; dass dies aber nun auf diese Art und Weise geschieht, passt zu "Gilmore Girls" und macht mich glücklich. Beide vermissen allerdings Sookie, die sich vor mehr als sechs Monaten eine Auszeit genommen hat und seitdem nicht wieder aufgetaucht ist. Wie Lorelai versucht, die Entlassungen der bisherigen Übergangsköche zu rechtfertigen, ist herrlich: Keiner kann es mit Sookie aufnehmen!

Leider ist aber nicht alles so perfekt wie es auf den ersten Blick wirkt und das wäre nun auch wirklich mehr als überraschend. Die wohl größte Baustelle ist die zwischen Emily und Lorelai. Wie sich herausstellt ist ihr Verhältnis seit Richards Beerdigung vor vier Monaten mehr als eisig: Nachdem Emily um eine schöne Erinnerung an Richard gebeten hatte, stammelte sich eine mehr als überrumpelte Lorelai zwei fahrige und doch eher emotionslose Erinnerungen zusammen. Ihre Mutter verstand dies in ihrer Trauer als verachtend und warf ihrer Tochter vor, das Ansehen der Familie und die Erinnerung an ihren geliebten Ehemann mit Absicht beschmutzt zu haben. Der Streit in der Küche hat mein Herz bluten lassen, denn es war sehr offensichtlich, dass beide in ihrer Trauer sich gegenseitig nicht verstanden. Lorelai war emotional offensichtlich noch nicht soweit eine persönliche Erinnerung an ihren Vater mit irgendwem zu teilen, weil es einfach noch zu sehr schmerzte, an ihn zu denken. Emily auf der anderen Seite hätte es geholfen von ihrer einzigen Tochter ein paar schöne Worte über Richard zu hören. Mir standen die Tränen in den Augen, als Lorelai auf die Aussage ihrer Mutter, dass sie ihren Ehemann verloren habe, antwortet: "Und ich meinen Vater."; beide Gilmore-Herzen sind gebrochen und keiner von beiden weiß, wie sie sich aus dieser Situation befreien sollen.

Etwas freudiger wird hingegen das Thema Familienplanung zwischen Luke und Lorelai angegangen. Nachdem sich in einem kleinen Dialog in Luke's Diner zwischen den beiden Turteltauben herausstellt, dass wohl beide bereit dazu sind, eine Familie zu gründen, finden wir uns plötzlich in einer Fruchtbarkeitsklinik wieder. Hier wartet dann die erste großartige Überraschung auf uns, denn die Klinik gehört niemand geringerem als Paris Geller! Im ersten Moment konnte ich es kaum glauben, dass wir sie nicht inmitten einer Herz-OP wieder sehen, sondern in einer Fruchtbarkeitsklinik, aber nach nur ein paar Sekunden in ihrem Büro war klar: "Dynasty Makers" ist genau das Richtige für Paris. Sie hat nichts von ihrer bestimmenden, direkten Art verloren und sorgt damit für uns für jede Menge Lacher und für Luke für einen unangenehmen Moment nach dem anderen. Er ist am Ende des Termins so überfordert, dass er Lorelais unausgesprochene Frage nach einem Kind durch eine Leihmutter mit einem "Nein" beantwortet und flüchtet. Die Arme tat mir echt leid, andererseits ist diese Reaktion auch irgendwie typisch für Luke. Wirkt sie im ersten Moment doch etwas überstürzt, klingen mir seine Worte vom Gespräch im Diner noch in den Ohren. Er hat schon zwei Töchter: April, seine leibliche Tochter, und Rory, die er wie seine Tochter ansieht und, seien wir ehrlich, auch genauso behandelt. Wie es bei den beiden mit diesem Thema weiter geht, dürfte spannend zu beobachten sein. Genauso, wie der Konflikt zwischen Emily und Lorelai.

Emily und Richard

Wo wir gerade von ihr sprachen, schauen wir uns doch Emily sieben Jahre nach dem Serienfinale noch einmal an. Erst einmal muss man zugeben, dass sich Kelly Bishop unglaublich gut gehalten hat! Sie hat kein bisschen von ihrer Eleganz und ihrem schauspielerischen Talent eingebüßt. Emily hingegen wirkt ohne Richard verständlicherweise sehr verloren. Sie musste ihren Ehemann, den sie wohl sehr plötzlich verloren hat, vor vier Monaten beerdigen. Was mich zu den emotionalsten Szenen dieser Folge bringt. Es wurde wirklich ein wunderschöner Weg gefunden, sich von Edward Herrmann (der leider 2014 verstorben ist) aka Richard Gilmore zu verabschieden. Neben seinem Sarg sah man sein Lieblingsalbum, sein Lieblingsbuch und seine Lieblingsperson, Emily. Das Bild, das sie dazu ausgewählt hatten, wurde auf ihrer zweiten Hochzeit aufgenommen; sie waren wohl nie verliebter als zu diesem Zeitpunkt. Als "Gilmore Girls"-Fan hat man in dem Moment genauso Abschied von Richard genommen wie Emily, Lorelai und Rory.

Vier Monate nach einem der schwersten Momente in ihrem Leben ist das nun verbliebene Familienoberhaupt der Gilmores immer noch von einem Schleier der Trauer umgeben. Dies würde die stolze Emily natürlich niemals zugeben, stattdessen bemerken alle anderen es durch einige sehr offensichtliche Indikatoren: Beispielsweise lebt nun eine Haushaltshilfe, mit der ich Emily nur mit Händen und Füßen verständigen kann, mit gefühlt ihrer gesamten Familie im Haus. Offensichtlicher äußert sich ihre Überforderung allerdings, als uns im Wohnzimmer ein überlebensgroßes Portrait von Richard entgegen springt. Metaphorisch betrachtet, macht es fast schon Sinn, ihn so zu sehen, denn sein Verlust steht bei Emily momentan wortwörtlich über allem, die Erklärung ist aber wesentlich einfacher: Sie hat sich einfach in den Maßen, welche sie dem Künstler mitgeteilt hat, vertan, was sie natürlich erst preisgibt, nachdem sie Lorelai direkt darauf anspricht. Emily hat ihren Anker und die Liebe ihres Lebens verloren und es bleibt nur zu hoffen, dass ihr die Therapie, für die sie sich am Ende der Folge öffnet, hilft, ihren Verlust zu verarbeiten.

Rory

Das jüngste Gilmore-Familienmitglied, und ja auch mit 32 Jahren ist man noch jung, hat unter Richards Verlust zu leiden. Neben Lorelai war er eine wichtige Bezugsperson, an die sich Rory immer wenden konnte. Nun deckt sich die freie Journalistin mit Arbeit ein und pendelt zwischen London, New York und Stars Hollow. Der Fakt, dass sie ihr Leben in all diesen Städten in Kartons gelagert hat, ist ein erstes Zeichen für Rorys innere Unruhe. Sie ist sich anscheinend noch nicht sicher, wo sie Fuß fassen will und hält sich somit alle Optionen offen. Ihr Herz scheint zunächst vergeben zu sein, denn Paul, ihr Freund mit dem sie anscheinend schon seit zwei Jahren zusammen ist, kommt sie in Stars Hollow besuchen. Wer? Woher kommt Paul plötzlich? Wo haben die beiden sich kennengelernt? Was macht er? All diese Fragen schwirrten für drei Sekunden durch meinen Kopf und spätestens als Rory ihn im Diner vergessen hatte, war er aus meinem Gedächtnis wieder verschwunden. Vollkommen im Niemandsland begraben war er allerspätestens, als wir Rory mit nach London begleiten und wir sie plötzlich mit Logan sehen. Damit war die Frage, welcher ihrer Ex-Freunde den ersten Auftritt haben würde, relativ schnell beantwortet. Die Chemie zwischen Alexis Bledel und Matt Czuchry war zugegebenermaßen sofort wieder spürbar, bekam für mich aber schnell einen bitteren Beigeschmack: Rory scheint aus dem Dean-Desaster nicht wirklich viel gelernt zu haben, denn sie betrügt nicht nur ihren aktuellen Freund, sondern ist wohl auch wieder die "andere Frau", denn auch Logan ist vergeben. Wie das mit den beiden ausgeht, dürfte mehr als interessant zu beobachten sein. Ich frage mich, ob sie auffliegen, die Affäre aufgeben oder vielleicht sogar mit ihren Partnern Schluss machen, um sich gegenseitig noch eine Chance zu geben. Die Möglichkeiten sind schier endlos und ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wie das Ganze ausgeht. Es ist jedenfalls sehr interessant, dass sich die "Gilmore Girls"-Macher dazu entschieden haben, Rorys letzten Freund den ersten großen Auftritt haben zu lassen. Man darf gespannt sein, wann Jess und Dean dazu stoßen!

Beruflich scheint es etwas unkomplizierter zu laufen als in ihrem Liebesleben: Wie wir von einem überstolzen Luke zu Beginn der Folge erfahren, wurde ein Artikel von Rory über eine britische Schauspielerin im New Yorker veröffentlicht. Mit genau dieser Dame sitzt sie später in London in einem ehemaligen Gentlemen's Club und bespricht ein Buchprojekt. Ich habe mich in Grund und Boden geschämt, als Naomi Shropshire sich frech ihr Essen zusammen klaut und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich Rory am liebsten auch unterm Tisch versteckt hätte. Man darf sehr gespannt sein, wie es mit diesem sehr unterschiedlichen Gespann weiter geht.

Randnotizen

  • Paris ist mittlerweile von Doyle getrennt und hat Kinder. Zwei Tatsachen, die ich so nicht habe kommen sehen.
  • Lane und Zack leben immer noch ein glückliches Familienleben und rocken mit Hep Alien in ihrem Wohnzimmer ab.
  • Ist euch aufgefallen, dass Emily vier Monate nach Richards Tod immer noch die gleiche Kette trägt? Ob das wohl etwas zu bedeuten hat?
  • Kommt euch Emilys Haushälterin bekannt vor? Sie wird von Rose Abdoo verkörpert, die auch Gypsy zum Leben erweckt.

Fazit

Wie man sieht, diente #8.01 Winter erst einmal zur einigermaßen entspannten Wiedereingewöhnung in die turbulente, von rasend schnellen Dialogen und clever eingesetzten popkulturellen Bezügen geprägte "Gilmore Girls"-Welt. Die ersten Überraschungen haben genauso wenig gefehlt wie die klassischen Mutter-Tochter-Momente zwischen Rory und Lorelai, die es so nur bei den "Gilmore Girls" gibt. Alexis und Lauren haben nichts von ihrem Charme und der Chemie ihrer beiden Paraderollen eingebüßt und begrüßen uns genauso wie der Rest des Casts mit offenen Armen zurück. Wir sind wieder zu Besuch bei Freunden und man merkt in jeder einzelnen Szene, wie viel Herzblut und Freude die (Sherman-)Palladinos in dieses Revival gesteckt haben. Man darf gespannt darauf sein, was uns in den nächsten Folgen erwartet.

Nicola Porschen - myFanbase

Die Serie "Gilmore Girls" ansehen:


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