Bewertung

Review: #8.03 Sommer

Foto: Gilmore Girls: Ein neues Jahr - Copyright: Saeed Adyani/Netflix
Gilmore Girls: Ein neues Jahr
© Saeed Adyani/Netflix

Vom Revival erwartet man so viel und noch mehr, da man nicht nur liebgewonnene Figuren wiedersehen möchte, sondern auch will, dass ihr Leben voran geht. In den ersten beiden Episoden beschäftigte man sich hauptsächlich mit dem nostalgischen Gefühl, "Gilmore Girls" nach all den Jahren noch einmal zum Leben erweckt zu haben und brachte auch ganz langsam einige Steine ins Rollen, um zu zeigen, dass die Zeit niemals still steht. Für mich stellt diese Episode einen Wendepunkt dar, da man hier wichtige Entscheidungen trifft und zum ersten Mal auch wieder Konflikte ausbrechen lässt. Dabei steht besonders Lorelai im Fokus, da sich um sie herum plötzlich alles verändert.

Sommer

Auch wenn ich den Sommer für eine fantastische Jahreszeit halte, startete die Geschichte in diesem Fall etwas schwächer. Man zeigt uns wenig von Emily, wir begleiten Lorelai nicht mehr zu ihren Therapiesitzungen und das Musical nimmt für mich zu viel Zeit ein.

Zuerst zu den Therapiesitzungen. Es hat in #8.02 Frühling viel Spaß gemacht, Lorelai und Emily wieder in Aktion zu sehen. Ganz wie früher konnten sie sich ihre Wortgefechte liefern und kratzen dabei entweder sachte an der Oberfläche ihrer Probleme oder drangen gleich richtig ins Thema vor. Man fühlte sich sofort an die Vergangenheit erinnert und beide Schauspielerinnen konnten beweisen, was für eine grandiose Chemie sie miteinander haben und dass sie gegenseitig das Beste aus sich herauskitzeln können. Egal ob Emilys spitz zugekniffener Mund oder Lorelais Schlichtungsversuche, man fühlt sich mit den kleinen Zankereien der beiden einfach wohl. Nun hat Emily jedoch genug von der Therapie und das zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Es ist klar, dass aus Lorelai und Emily nie so ein Gespann wird, wie es Lorelai und Rory sind, dennoch hätten die gemeinsamen Sitzungen ihnen durchaus helfen können, wenn sie lernen würde, sich ohne Vorhaltungen aufeinander einzulassen. Ich finde es daher schade, dass man den beiden die Möglichkeit nun nicht mehr gibt, andererseits ist es in meinen Augen auch für Lorelai allein nötig, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Denn schon in der ersten Episode des Revivals merkte man, dass unter der Schale eine tiefe Traurigkeit zu liegen scheint und dass Lorelai mit ihrem Leben, auch wenn es in vielen Punkten perfekt zu sein scheint, nicht glücklich ist. Ein wenig hat man uns bereits verraten, womit dies zusammenhängt: sie hat ihren Vater verloren, durfte sich nicht von ihm verabschieden, Sookie arbeitet nicht länger im Dragonfly Inn und nun macht sie sich auch noch Gedanken darüber, ob sie Luke in ihrer Beziehung unterdrückt. Lorelai beschäftigen offensichtlich viele Dinge, doch sie ist eine starke Frau und gibt es nicht gern zu, wenn sie etwas belastet. Ihr Dilemma hat mich sehr an Episode #4.14 Land unter erinnert. Auch damals schien ihr alles über den Kopf zu wachsen und sie wollte sich gern jemandem anvertrauen. Ich wüsste daher gern, was Lorelai ihrer Therapeutin in den Sitzungen alles mitteilt, zu denen sie offenkundig regelmäßig geht. Was ist ihre größte Sorge? Luke? Sookie? Rory? Emily? Michel?

Als hätte es Lorelai nicht schon schwer genug, kehrt ihr nun auch noch Michel den Rücken zu. Es ist verständlich, dass Michel im Leben nach mehr strebt, als Concierge in einer Kleinstadt zu sein, doch man sieht dadurch auch, wie Lorelais Welt zu bröckeln beginnt. Sie wäre im Hotel dann auf sich allein gestellt, obwohl es doch immer ihr Traum war, dieses gemeinsam mit ihrer besten Freundin zu leiten. Diese Folge bietet daher sehr viel Konfliktpotential, doch Michels Kündigung ist noch nicht das Schlimmste, was Lorelai nun erleben muss.

Ich weiß nicht recht, ob man Jack tatsächlich als neuen Mann an Emilys Seite betrachten soll, klar ist jedoch, dass er bei Lorelai in eine offene Wunde sticht. Sie hat den Tod ihres Vaters alles andere als verwunden und ich wünsche mir, dass im Finale noch eine Szene mit Lorelai und Richards Portrait oder seinem Grab kommt, die aufzeigt, dass Lorelai nun bereit ist, den Tod ihres Vaters zu verdauen.

Dass sie nun auch noch das Gefühl hat, Luke wäre ihr in den Rücken gefallen, hilft Lorelai dabei auch nicht gerade weiter, zeigt uns Zuschauern aber, dass ein Unglück niemals allein kommt. Den Streit zwischen den beiden, in dem Luke nicht glauben kann, dass Lorelai allein zur Therapie geht, fand ich sehr authentisch. Denn es sieht Lorelai nicht ähnlich, ihren emotionalen Ballast bei jemandem abzuladen. Sie ist eine starke Frau, die versucht, alles in sich aufzunehmen und mit sich auszumachen, doch wenn man den Punkt erreicht hat, an dem es zu viel wird, braucht man dringend ein Ventil.

Es hat mir sehr gut gefallen, in dieser Folge mehr von Lorelai und Rory in gemeinsamen Szenen zu sehen, da diese zuvor etwas zu kurz kamen. Doch mit Rorys Rückkehr nach Stars Hollow hat man nun die Möglichkeit, mehr der heißersehnten Mutter-Tochter-Momente in die Story einzuflechten und uns den alten Charme der kaffeesüchtigen, schnell redenden Gilmores spüren zu lassen. Richtig Tiefgang kommt allerdings erst zum Ende der Episode auf, als Rory ihrer Mutter mitteilt, ein Buch über ihre gemeinsame Geschichte schreiben zu wollen. Man kann Lorelais Standpunkt sofort nachvollziehen, da sie sich gerade an einem Tiefpunkt befindet und nicht möchte, dass ihre Fehltritte nun auch noch publik gemacht werden. Für Lorelai ist dies der Tropfen, der alles zum Überlaufen bringt. Sie braucht Zeit. Sie braucht Abstand. Und wir brauchen einen tieferen Einblick in ihre Emotionen und möchte, dass Lorelai all ihre Probleme endlich anspricht. Daher ist dies ein Schritt in die richtige Richtung und ich hoffe, dass die letzte Folge Lorelais Drama und innere Zerrissenheit zu einem guten Abschluss bringen kann. Sehr gut dazu gepasst hat das letzte Lied von Sutton Foster, mit dem man Lorelai vollkommen aus der Seele gesprochen hat. Dabei ist sicher kein Auge trocken geblieben.

Weniger ansprechend fand ich den Rest des Musicals. Natürlich spiegelt es in jedem Aspekt den Charakter von Stars Hollow wieder. Es ist schwungvoll, bringt Stimmung, setzt gern auf Klischees und neigt zu Übertreibungen. Daher war es durchaus lustig zu sehen, wie viel Spaß Babette, Gypsy und Co. bei der Vorführung hatten, während Lorelai über Taylors Stück nur den Kopf schütteln konnte. Leider hat es in meinen Augen aber zu viel Zeit der kostbaren Sommer-Folge an sich gerissen. Denn mehr als ein Lacher für Zwischendurch ist das Musical nicht und man hätte die Zeit dafür lieber nehmen sollen, um uns ein wenig mehr von Jess und April zu zeigen.

Die beiden sind in meinen Augen nämlich viel zu kurz gekommen und hatten wirklich nur winzige Auftritte. Während man bei April noch darüber hinwegsehen mag, ist es bei Jess durchaus ärgerlich. Er war ein großer Teil von Rorys Leben und sollte mehr Screentime bekommen als einen kurzen Drink und einen Ratschlag für die Zukunft.

Auch für Rory ist diese Episode von Umbrüchen geprägt. Dies hängt nicht nur mit ihrer Rückkehr nach Stars Hollow zusammen, sondern besonders mit dem Eingeständnis, dass ihre Karriere nicht den gewünschten Gang geht. Denn obwohl Rory sehr talentiert ist, fehlt es ihr an Jobangeboten, weshalb sie nun zu ihren Wurzeln zurückkehrt und für die Stars Hollow Gazette arbeitet. Wir konnten uns in den letzten Folgen einen Eindruck von Rorys Leben verschaffen und auch wenn es recht geschäftig wirkt, fehlt ihr auf jeden Fall ein Hafen, in den sie sich zurückziehen kann. Sie hat kein eigenes Heim, keinen festen Beruf, keinen Mann an ihrer Seite und nun tut sie nicht länger so, als würde dies alles spurlos an ihr vorbeigehen. Es war gut gewählt, dass Rory sich vor Jess ihre missliche Lage eingestanden hat, da Jess immer jemand war, der Rory gefordert hat und sie dazu zwang, über den Tellerrand zu sehen. Nun ist er es auch, der ihr eine Zukunftsperspektive öffnet, die ich selbst nicht kommen gesehen habe.

Die Idee, das Leben von Rory und Lorelai in ein Buch zu packen, finde ich genial, da man damit die ungewöhnliche und innige Beziehung der beiden noch einmal ehrt. Zwar kann ich Lorelais Standpunkt nachvollziehen, doch ich denke nicht, dass Rory das Buch in irgendeiner Weise schreiben würde, die ihre Mutter in einem schlechten Licht dastehen lässt. Viel mehr sehe ich darin die Chance, dass Rory quasi eine Ode an ihre tiefe Verbundenheit schreibt und damit ihre starke Mutter, die in diesen Zeiten Rückhalt nur zu gut gebrauchen kann, in den ergreifendsten Tönen lobt.

Absehbar war dagegen das Ende der Beziehung von Rory und Logan. Ich finde es schön, dass die beiden sich nicht aus den Augen verloren haben, muss aber auch sagen, dass es passend ist, dass sie keine normale Beziehung miteinander führen. Die Lage erinnert ein wenig ans Rorys Affäre mit den verheirateten Dean, die irgendwann auch in die Brüche gegangen ist, wenn auch unter anderen Umständen. Da Rory und Logan sich auf verschiedenen Kontinenten befinden, ging die Trennung recht unspektakulär vonstatten und ich befürchtet, dass wir Logan nun zum letzten Mal gesehen haben.

Abschließend betrachtet, wurde die Folge zum Ende hin immer besser. Zunächst war ich eher enttäuscht, da alles still zu stehen schien, doch die Mühlen mahlen langsam und so baut man nach und nach immer mehr Spannung auf. Es ist nicht einfach, nun nur noch eine Folge vor sich zu haben, da man natürlich möchte, dass alle Geschichten gut enden und dass die Gilmores und Luke zum Schluss wieder eine große glückliche Familie sind.

Randnotizen

  • Während Rorys Affäre mit Logan durchaus ansprechend ist, bin ich des Running-Gags über ihren tatsächlichen Freund Paul langsam müde geworden. Er war im Auftakt des Revivals bereits recht farblos und nun will sie seit Monaten mit ihm Schluss machen, vergisst es aber immer wieder? Das passt nicht zu Rory.
  • Man hat nun Logan und Jess gesehen, weshalb man sich fragt, wann wir Dean endlich treffen werden. Ich befürchte ja, dass er nur einen ähnlich kurzen Auftritt wie Jess bekommt.
  • Sutton Foster konnte im Stars Hollow Musical wirklich alles geben und ich bin froh, dass sie auf diesem Weg Teil des Revivals sein konnte. Amy Sherman-Palladino erinnert mit den Szenen sofort an "Bunheads".
  • Nur noch eine Folge und keine Sookie in Sicht. Ich wünsche mir für das Finale, dass Sookie ins Dragonfly Inn zurückkehrt und das Hotel wieder gemeinsam mit Lorelai leitet, so wie es die beiden sich früher erträumt haben.
  • Das Lorelai sich zum Nachdenken in die Natur zurückziehen will und Luke ihr wortreich klar macht, auf was sie sich beim Wandern alles gefasst machen muss, war urkomisch. Ich fand es auch gut, dass Luke nicht angeboten hat, Lorelai zu begleiten, da er gesehen hat, dass sie dies allein machen muss.
  • Witzig war auch die 30-Something-Gruppe, zu der Rory Kontakte knüpfen sollte. Genau wie zu ihrer Schulzeit lässt sich Rory zu nichts drängen und vertraut sich lieber ihrer alten Freundin Lane an, als der Gruppe beizutreten.
  • In den ersten beiden Episoden hatte bereits Julia Goldani Telles aus "Bunheads" einen Gastauftritt und nun hat auch Bailey Buntain eine kleine Rolle bekommen. Ob wir Kaitlyn Jenkins und Emma Dumont auch noch wiedersehen werden?

Fazit

Diese Folge zeigt die vielen Aspekte, die im Leben von Lorelai, Rory und Co. aus dem Ruder gelaufen sind, bietet aber auch gleichzeitig Lösungsansätze, was ich sehr gelungen finde.

Marie Florschütz - myFanbase

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