Review: #1.04 Die Diagnose
Endlich hat er es ihr gesagt. Endlich hat Walter Skyler mitgeteilt, dass er an Lungenkrebs leidet. Irgendwann zwischen der vorangegangenen Episode und der vorliegenden (der Zuschauer bekommt das Geständnis nie zu sehen, wodurch auf clevere Art und Weise insbesondere in den Anfangsminuten eine gehörige Portion an Spannung aufgebaut wird) versucht Walter, mit dieser Tat Skyler den Wind aus den Segeln zu nehmen, die zunehmend verdächtig wird ob des mittlerweile doch sehr offensichtlichen und für sie unerklärlichen Verhaltens Walters, seit dieser von der Diagnose weiß. Doch die Episode befasst sich nicht nur mit dem Umgang von Walters Umfeld mit dessen Beichte, sondern zudem mit einem Jesse, der mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert wird und der Aussicht auf eine Beendigung des finanziellen Dilemmas, in dem sich Skyler und Walter wegen der Krebstherapie befinden. Das alles ergibt ungewöhnlich ereignisreiche 48 Minuten, die, gepaart mit großartig aufgelegten Schauspielern, einer kleinen Portion Humor und einer wie immer grandiosen Optik und Akustik eine richtig gute Episode ergibt.
"Me personally, I think Albuquerque might just have a new kingpin."
Über Krazy 8 und das in seinem Auto sichergestellte Meth erlangt die DEA, allen voran Hank, wichtige Hinweise darüber, dass das Drogenmilieu offensichtlich hochtalentierten Zuwachs bekommen hat. Natürlich weiß Hank noch nicht, dass es sich um seinen eigenen Schwager und dessen Partner handelt, die er da ins Visier nimmt. Dennoch ist es erfreulich, dass relativ früh im Verlauf der Staffel bereits klar wird, dass jemand die Spur aufgenommen hat und sich weder Walter noch Jesse besonders viele Fehler erlauben dürfen, weil sie sonst im Gefängnis landen würden. Dazu kommt der wunderbare Kontrast zwischen gefürchtetem Drogenbaron und Walter, der dadurch erzeugt wird, dass unmittelbar nach obigem Zitat ein sichtlich gezeichneter und in keinster Weise furchteinflößender Walter beim Zähneputzen gezeigt wird. Außerdem sorgt Hank in seiner unnachahmlichen Art für einige Lacher, als er sich mit seinem Partner Steven "Gomey" Gomez vor versammelter Mannschaft neckt. Doch Hank kann nicht nur den großspurigen DEA-Agenten mimen, sondern auch den verständnisvollen guten Freund, denn als genau dieser offenbart er sich, als Walter ihm, seiner Frau Marie, Skyler und Walter, Jr. von seiner Krebserkankung erzählt.
"I have cancer. Lung cancer. It's bad."
Das gemeinsame Barbecue von Walter, seinem Sohn, Skyler, Hank und Marie, kommt zu einem abrupten Ende, als Walter erzählt, wie er Skyler kennengelernt hat und diese währenddessen sichtlich bewegt wirkt und anschließend sogar zu weinen beginnt. Denn Skyler weiß mittlerweile, weswegen sich Walter so seltsam verhält, musste ihm jedoch versprechen, dies fürs Erste zu verschweigen, was natürlich nur schief gehen kann, insbesondere wenn man sich eines vorzeitigen Endes der schönen Liebesidylle bewusst wird. Diese allmählich durchsickernde Erkenntnis vollzieht sich zwar anfangs nur in Skylers Kopf, wird durch Anna Gunn aber auf eindrucksvolle Art und Weise dem Zuschauer und auch den Anwesenden am BBQ-Tisch offenbart. Diese kraftvolle Szene, Skylers Zusammenbruch und Walters anschließendes Geständnis über seinen Zustand, wirkt umso stärker, wenn man die unbeschwert-lustige Harmonie, die zuvor herrschte, berücksichtigt. Auch hier sorgt Hank für die nötige Auflockerung durch seine Liebesratschläge an Walter, Jr. und eine durch und durch grandiose Antwort auf Walter, Jr. und dessen Wunsch nach einem Bier ("Hey, I want a beer." - "Yeah? I want Shania Twain to give me a tuggy. Guess what? That ain't happening either.").
"Then why don't you just fucking die already? Just give up and die."
Herzerwärmend und kurz danach geradezu schmerzhaft wirkt die aufrichtige Anteilnahme von Walters Umfeld, denn auch wenn jeder Walter seine bedingungslose Hilfe anbietet, so ahnt der Zuschauer doch bereits, dass sich dieser längst dagegen entschieden hat. Walter scheint bereits mit der ganzen Angelegenheit abgeschlossen zu haben, was trotz all der Bekundungen, dass es anders sei, auch seinem Sohn nicht entgeht. Hier vollzieht sich das erste Entfernen von Senior und Junior, da Walter, Jr. natürlich nicht wahrhaben kann, dass sein Vater sich derart seinem Schicksal ergibt, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Und, auch wenn die gemeinsame Szene im Klassenzimmer, als Walter, Jr. lieber darauf wartet, mit seinem Vater nach Hause zu fahren als den Bus zu nehmen, eine immens wichtige für das Zusammenleben der beiden ist, da Walter versucht, die Wogen zu glätten, so merkt auch Walter, Jr., dass er deutlich weniger ausrichten kann als er wahrhaben will. Skyler ist es ebenso gänzlich unverständlich, wie Walter weiterhin sein Leben leben kann, als sei alles in Ordnung, als sei nicht vor einem Monat eine Diagnose gestellt worden, die ihn unter Umständen töten kann. Doch schließlich kann auch Walter nicht verhindern, dass sich Skyler auf Anraten Maries die Meinung eines zweiten Arztes einholen möchte. Nicht nur die (bestätigende) Diagnose, sondern auch die anschließende Behandlung, kosten Unsummen an Geld, die weder Skyler noch Walter aufbringen können – zumindest wenn sich Walter vom Drogengeschäft verabschiedet.
"Get the hell off my property. And don't come back."
Jesse jedoch bietet Walter eine "Entschuldigung" (wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt so nennen kann), das Kochen von Meth auch weiterhin zu verfolgen, denn schließlich sorgt Jesses Kumpel Combo dafür, dass das von Jesse und Walter hergestellte Meth zu einem lukrativen Preis verkauft wird. Walter wird ein schneller und vermeintlich einfacher Weg aufgezeigt, Geld zu verdienen. Dieser Umstand, verbunden mit den immensen Unkosten der bevorstehenden Krebstherapie, kann zweifellos zu einem Umdenken führen. Man kann gespannt sein, ob es nun doch weiterhin eine gemeinsame Zusammenarbeit von Walter und Jesse gibt. Bevor Jesse ihm das Geld, das er verdiente, gab, wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so gewesen, dass es nicht dazu kommt, was durch Walters ablehnendes Verhalten deutlich demonstriert wurde.
"We need you to leave."
Aus Sicht Walters scheint die Sache schon fast klar zu sein, doch weswegen ist Jesse derjenige, der so schnell Walter davon zu überzeugen versucht, dass eine weitere Kollaboration der beiden unwiderlegbare Vorteile bietet? Auch dafür gibt diese Episode wichtige Anhaltspunkte, die zudem dem Charakter Jesse eine Hintergrundgeschichte bietet, um sich aus dem Schatten des nahezu übermächtig vorherrschenden Bildes von Walter zu emanzipieren. Als Jesse nach einer drogenreichen Zusammenkunft mit seinen beiden Kumpels Skinny Pete und Combo völlig verängstigt und paranoid das heimische Elternhaus als Zufluchtsort aufsucht, vollzieht sich eine interessante und klischeefreie Darstellung der Konfrontation Jesses mit seiner eigenen Jugend. Viele Serien hätten hier die Mär des kaputten Elternhauses aufgetischt, die den Sohn geradezu dazu zwang, ein Leben im Drogenmilieu zu führen. "Breaking Bad" verzichtet glücklicherweise darauf und zeigt lieber offensichtlich verständnisvolle Eltern, die immer und immer wieder erfolglos versucht haben, ihren Sohn zurück auf den Pfad der Tugend zu bringen, jedoch mittlerweile den Kampf aufgegeben haben und nur noch versuchen, ihren jüngsten Sohn vor dem schädlichen Einfluss des großen Bruders zu schützen. Dabei kommt es durchaus zu internen Diskussionen darüber, ob nicht eventuell doch ein Zusammenleben möglich ist, bevor die Vernunft siegt. Es ist also keineswegs so, als wären Jesses Eltern herzlos, sie wissen nur schlichtweg nicht mehr weiter. Dass Jesse schließlich aus dem Haus geschmissen wird, weil er etwas auf seine Kappe nimmt, was sein jüngerer Bruder (und auf den ersten Blick Vorzeigesohn) Jake verursacht hat, sorgt für zusätzliche Brisanz.
"KEN WINS"
Eine amüsante Randnotiz bietet neben all der gedrückten Stimmung das Zusammentreffen Walters mit Ken, einem lauten und unverschämten Mann, mit dem er zuerst auf der Bank das "Vergnügen" hat. Nachdem sich Ken dort sichtlich unbeliebt macht durch eine arrogante Bemerkung über sein Umfeld nach dem anderen, bekommt Walter ihn und seinen fahrbaren Untersatz anschließend an der Tankstelle wieder zu Gesicht und macht etwas, das nicht nur Bryan Cranstons hervorragendes Schauspieltalent offenbart, sondern zudem für einen großen "Hell yeah!"-Moment sorgte: Walter, der voller Entschlossenheit aus seinem Auto steigt, sicherstellt, dass Kens erst zu brennen beginnt und schließlich sogar explodiert, und sich schließlich mit einer Genugtuung im Gesicht, die man bisher bei ihm überhaupt noch nicht gesehen hat, in sein Auto setzt und wegfährt. Allein für die Mimik während dieses Moments war der Emmy 2008 für Cranston bitter nötig.
Fazit
Nicht nur, dass die Auswirkungen von Walters Geständnis auf sein Umfeld thematisiert werden, es kommt zusätzlich zu einer wichtigen Hintergrundstory Jesses, die dem Charakter eine wichtige Portion an Profil verleiht. Durch die geschickte Verquickung dieser beiden vorherrschenden Storylines gelingt es den Machern von "Breaking Bad", die Motivationen von Walter und Jesse glaubhaft und frei von Stereotypen zu transportieren und sicherzustellen, dass der Zuschauer sich bewusst wird, wieso sich die beiden für den in den kommenden Episoden wohl unausweichlichen Weg entscheiden. Eine stimmige Menge an Humor lockert das depressiv stimmende Bild auf, ein gelungener Soundtrack sorgt für eine perfekte Untermalung des wie immer überragend in Szene gesetzten Geschehens. Wenn auf den ersten Blick derart wenig derart langsam geschieht, auf den zweiten Blick jedoch so unglaublich viele Themen angeschnitten und miteinander vereint werden, so sagt das alles über die Qualität der Serie aus.
Andreas K. - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: Cancer ManErstausstrahlung (US): 17.02.2008
Erstausstrahlung (DE): 16.10.2010
Regie: Jim McKay
Drehbuch: Vince Gilligan
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