Bewertung

Review: #1.06 Das Baby

Nach #1.05 Katastrophenstimmung ging ich davon aus, dass es in der darauf folgenden Episode wieder ruhiger zugehen würde, doch da hatte ich mich deutlich getäuscht. Einen Kritikpunkt löst die Tatsache, dass Gail und Bob in dieser Folge nicht weiter thematisiert werden, aus. Ansonsten geht es in #1.06 Das Baby sehr bewegend zu. Im Mittelpunkt stehen Bodie und Bessie, die ihr Baby erwarten, das es eiliger hat, auf die Welt zu kommen, als es geplant ist. Dazu werden der Handlungsstrang rund um Pacey und Tamara Jacobs zu einem (vorläufigen?) Höhepunkt gebracht und nebenher noch schön diverse Beziehungen unter den Charakteren weiter beleuchtet. Es fällt also kaum auf, dass Gail und Mitch mit ihrem Beziehungsdilemma, diesmal komplett von der Bildfläche verschwunden sind.

Überraschungen

Okay, zugegebenermaßen verrät der Episodentitel bereits, was das Thema dieser Folge ist. Es überrascht daher nicht, dass Bessie die Geburt nun eher erlebt, als es erwartet wurde. Was aber dann schon überraschend gut umgesetzt ist, ist die geschickte Handhabe bezüglich der Dramaturgie im weiteren Verlauf. Gerne werden Geburten dramatisch inszeniert, mit aufkommenden Komplikationen, inmitten von Chaos und Irritierung. Somit kann man mehr die Emotionen aufrütteln und den Wunsch verstärken, dass alles gut ausgehen wird. Es überrascht auch nicht, dass es also mit Bessies Geburt ziemlich wild vonstatten geht. Was ich aber nicht ahnte und mich wirklich ins Herz getroffen hat, ist die intelligente Verstrickung diverser Beziehungen, um diese weiter zu vertiefen. Somit ist nicht nur allein Bessies Geburt ein Moment für viele witzige, rührende und ja auch fesselnde Momente. Auch die Charaktermomente machen dies möglich.

Jen und ihre Großmutter

Die Diskussion der beiden scheint sich etwas im Kreise zu drehen und dennoch ist es immer ein kleiner Schritt voran und wird von den Autoren im Detail behandelt. Mein Eindruck bisher ist übrigens, dass in der Charakterbehandlung, die größte Stärke der Serie liegt. Jen, die erst kürzlich bei ihrer Großmutter untergekommen ist und schon viel durchgemacht hat, versucht sich ihr anzunähern, um ein gutes Verhältnis aufzubauen und sich gleichzeitig mehr Freiraum zu ermöglichen, da die religiöse Weltansicht ihrer Großmutter auch ihr Privatleben zu sehr einengt. Auf der anderen Seite wünscht sich die Großmutter Jens Einbindung in ihre Prinzipien. Beide beißen so also gegenseitig ziemlich auf Granit. Und da, wo Worte nicht ausreichend helfen, übernimmt diesmal die Geburtssituation bei Bessie einen entscheidenden Schritt. Jens Oma ist auch ausgebildete Krankenschwester, benötigt aber wegen einiger Komplikationen Jens Hilfe. Der rührende Erfolg hilft Jen hierbei zumindest den Glauben an die Menschen um sie herum zurückzugewinnen. Indirekt wird deutlich, dass die Sympathie zwischen Enkelin und Großmutter wächst und Hoffnung gibt, dass die zwei doch noch so etwas wie Freundinnen werden.

Für mich ist Jens Großmutter in dieser Episode noch ein Stück interessanter geworden. Sie scheint nicht nur weise Sprüche liefern zu können und eine wahre Hilfe zu sein, sie versteckt auch gut die Unsicherheit und strahlt auch sowas wie eine beruhigende Aura in brenzligen Situationen aus. Als sich bei Bessies Geburt herausstellt, dass zuviel Blut dabei fließt, guckte ich gespannt, mit der starken Hoffnung, dass nichts schief geht und ein gesundes Baby zur Welt kommt, auf den Bildschirm. Eine Zeit lang war es deshalb spannungstechnisch und emotional kaum auszuhalten. Man konnte zudem die Charaktere noch ein Stück besser kennen lernen und sie als Team agieren sehen. Während Jen und Joey wohl eher schnell in die Panik verfallen, Dawson eher eine Coolness zur Überspielung beibehält, ist es Jens Großmutter, die sehr temperamentvoll wird und viel Durchsetzungsvermögen hat.

Joey und Bessie

Endlich gewannen wir mehr Einblick ins Schwesternverhältnis der beiden. Mehr noch, es wurde gleich noch der Mutter-Verlust mit eingebracht und wirft ein neues Licht auf Joeys Einstellung gegenüber Bessie. In ihr sieht sie ein Stück weit die Mutter und es lässt sich an einer Hand abzählen, was das zu bedeuten hat. Die bislang eher vernommene Distanz zu ihr, speist sich also aus Respekt und einer emotional schwierigen Situation. Ich weiß an dieser Stelle noch nicht genau, was ich davon halten soll, dass Joey mit Bessie direkt zusammenwohnt. Einerseits könnte es natürlich positiv für Joey sein, die traumatische Erfahrung mit der verstorbenen Mutter aufzuarbeiten. Auf der anderen Seite wird ihr das immer wieder bewusst werden, wenn sie bei Bessie lebt. Vielleicht wäre es für Joeys Entwicklung besser, auf eigenen Beinen zu stehen, um dazu etwas Abstand zu gewinnen. Emotional war der Moment allemal, als Joey Bessies schmerzvolle Schreie bei der Geburt nicht aushält und Dawson ihr entlockt, was dahinter steckt. Joey hat stets so einen melancholischen Unterton in ihrer Art und jetzt verstehe ich das schon viel besser. Ich hoffe, es wird sich doch im weiteren Verlauf etwas zumindest ändern.

Bodie und Bessie

Von Bodie weiß man nach wie vor nicht sehr viel. Die Beschneidungszankerei wurde hier (vorerst?) auf Eis gelegt. Lustig fand ich zu Beginn Bessies Antwort auf Bodies "Wie geht's so?"-Frage. Einer hochschwangeren, von Hormonen überwältigten Frau solche Fragen zu stellen, ist durchaus gewagt. Eigentlich musste ihm die Antwort eh schon bewusst gewesen sein. Aber zum Humor der Episode hat es definitiv schon mal gut beigetragen. Genauso wie Bessies Ausraster, als es darum ging, in ein Krankenhaus für die Geburt gebracht zu werden. Ich denke mit Bessie werden wir noch viel Spaß in der Serie haben. Zumindest deute ich dies derzeit so, da ihre Sprüche in dieser Folge einfach mal der Hammer waren. Der Mix aus Sarkasmus und wahrem Wortwitz, das kommt immer gut. Schade aber wirklich schade, dass man es versäumte, Bodie gerade zur Geburt seines Kindes einzubringen. Wobei das natürlich für den weiteren Storyverlauf Wellen schlagen könnte. Wird er es bereuen ist die Frage? Und wird er öfters abwesend sein? Gerade jetzt, da das Kind auf der Welt ist, wird viel Arbeit anfallen. Irgendwie sehe ich da, ohne den weiteren Verlauf zu kennen, am Horizont bereits Spannungen diesbezüglich zwischen Bodie und Bessie. Es ist eine reine Ahnung... man wird sehen.

Dawson, Joey und Jen

Die Dreiecks-Situation lässt sich diesmal hauptsächlich dem Hauptplot zuordnen, was in der Anfangsszene noch anders scheint. Jedenfalls ist zwischen Joey und Jen eine spürbare Spannung in der Luft und der Grund ist hierbei ganz klar Dawson, um den die beiden sozusagen ringen. Jen in bewusster, offensichtlicher Manier, während sich bei Joey vieles im Unbewussten abspielt. Sie will an einem früheren Filmritual mit Dawson festhalten, was schon mal zeigt, dass sie ihn zumindest für sich haben will. Vordergründig als Freund, aber ich interpretiere hier munter schon mal andere Emotionen mit rein. Wird sicher noch eine lange Story, mit interessanten komplizierteren Situationen. So rein charakterlich sehe ich aber eher Joey an Dawsons Seite, da sie mehr verbindet. Die Gespräche sind auch durch mehr Gemeinsamkeiten geprägt und dadurch irgendwie tiefergehend. Jen könnte Dawson aber auf der eher lockeren Ebene mehr reizen. Sie wirkt halt, von der charakterlichen Betrachtung her, auch mehr abgeklärt und "leichter" als Joey. Hier bleibt es definitiv interessant, auch wenn es in dieser Folge nur ganz nebenher weiterläuft.

Entscheidende Veränderungen

Im zweiten großen Thema der Folge wird die pikante Konstellation zwischen Pacey und Tamara weitergesponnen. Hier gibt es eine riesige Überraschung, da ich nicht davon ausging, dass jetzt schon diese Storyline auf die Spitze getrieben werden würde. So macht der Anfang in der Folge eher den Eindruck, dass sich das Versteck- und Bezirzspiel der beiden noch in die Länge zieht. Dank Pacey ist dem nicht so, der besser zuvor hätte die Toilette überprüfen sollen, anstatt erst während beziehungsweise nachdem ihm die enthüllenden Worte rausgerutscht sind. Und wieder zeigt es sich: Gerüchte und Skandale verbreiten sich irrsinnig schnell. Mir tat Tamara im weiteren Verlauf sehr Leid und die Spannung ist von da an auch groß, nämlich durch die Frage, ob sie den Kopf aus der Schlinge halten kann? Die Gespräche von Pacey mit Dawson und Joey verfolgte ich mit sehr viel Kopfnicken, denn genau diese Weisheiten hätten auch von mir kommen können. Er solle nach dem Skandal dem Ganzen erhaben sein und mit guter Miene entgegnen oder darauf warten, dass dies bestimmt von einer neuen wilden Story irgendwann mal abgelöst wird. Skandale zu deeskalieren ist im Grunde nicht schwer, vorausgesetzt man lässt die Emotionen dabei innerlich, beispielsweise durch das Schamgefühl, nicht völlig aufkochen.

Tja, und genau da tat mir besonders Tamara Jacobs Leid, die sich einige spitze Bemerkungen anhören muss und dann auch noch Probleme mit den Behörden bekommt und fürchtet, dass Pacey es schafft, die Lage sogar noch zu verschärfen. Doch es kommt Gott sei Dank anders und Pacey schafft es zur Abwechslung mal auch, eine sinnvolle Tat aus dem Hut zu zaubern. Wobei man ihm echt lassen muss, dass er für sein Alter eine gewisse Reife zur Schau stellt. Dumm ist er sicher nicht, eher von Hormonen und einer gewissen Unsicherheit etwas verblendet, was bei Teenagern wohl normal ist. Vielleicht würde es 90 Prozent von Jugendlichen dann aber nicht gelingen, so abgeklärt und vernünftig die Behörden, mit einer eigentlichen Lüge, zu besänftigen. Auch von der Mimik und der getroffenen Wortwahl her kann man Pacey nur auf die Schulter klopfen. Er hat es also geschafft, nach der unbesonnenen Sache, zumindest diese Situation wieder zu relativieren. Seinen Bruder Doug will ich kurz erwähnen, der hier kurzzeitig effektiv dazu beitragen kann, dass die Story mehr in Fahrt kommt. Ich fürchtete schon, durch ihn eskaliert nun die Sache total, indem er Pacey zu sehr reizt und ihm vielleicht dadurch etwas entlocken kann. Dem ist letztendlich zum Glück nicht so.

Die Reaktion von Tamara empfinde ich als total verständlich, weil es nun eben die logische Konsequenz ist. Mehr noch, ich muss Miss Jacobs auf die Schulter klopfen. Endlich hat sie sich selbst aus der Patsche gezogen, und gleich alle noch möglichen Probleme in Bezug zu Pacey gründlich abgestreift. Die Abschlussszene war dennoch bewegend, da man die Emotionen spüren konnte. Sehr überzeugendes Spiel der Darsteller. Aber Tamara saß dann eben noch der Schreck in den Knochen, da musste sie einfach drastisch handeln. Werde sie in der Serie vermissen und hoffe auf ein Comeback. Sie wirkt auf mich sehr sympathisch. Eine gelungene Abrundung der Pacey-schläft-mit-seiner-Lehrerin-Storyline. Wobei ich mich noch Frage, ob das aufgenommene Videoband eventuell noch weitere Wellen schlagen könnte? Ist den tatsächlich alles vom Tisch? Ein dummer Zufall wäre durchaus noch denkbar.

Fazit

Eine erneut gelungene, beinahe perfekte Episode schließt sich der Vorfolge an. Ganz einfach gehalten, werden zwei Storys herausgepickt und in den Mittelpunkt gestellt. Bessies dramatische Geburt, die durch diverse mitreißende Charaktermomente sehr überzeugt. Hier vermisst man jedoch Bodie, was storytechnisch aber für später relevant sein könnte. Auf der anderen Seite gibt es die spannende, eskalierende Situation bei Pacey und Tamara, welche die Episode besonders bereichert und dabei, wie es aktuell den Anschein hat, ordentlich abgerundet wird. Mir fehlt für die volle Punktezahl aber noch mehr die Ausgewogenheit der Storys. Also das feinere, vielschichtigere Weiterspinnen mehrerer Handlungsstränge. Denn beispielsweise hat man diesmal von Gail, Mitch und Bob rein gar nichts erfahren. Abgesehen davon, eine mitreißende und tolle Folge. So darf es gerne weitergehen.

Samuel W. - myFanbase

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