Bewertung

Review: #4.07 Ein Er in einer Sie

Die heutige Episode konfrontiert uns mit einer mysteriösen Eigenschaft des Fernsehbetriebs, nämlich mit der spontanen Kontamination der einen Serie durch die andere, sofern ein bestimmtes Element die eine Wirkungskette verlässt, um sich der anderen anzuschließen. Äh, ja. Kommen wir von der zweifellos faszinierenden Theorie zur Praxis: "Eine himmlische Familie"-Veteran David Gallagher, in der Serie zeitweise renitenter Sohn eines Pastors, klopft bei "Bones" an – und spielt den zeitweise renitenten Sohn eines Pastors. Vielmehr, einer Pastorin. Aber davon später. Sein Gastspiel schleudert unsere liebgewonnene Serie nämlich durch den himmlischen Mixer, will sagen: Was rauskommt, fühlt sich an wie eine Initiationsgeschichte, eine Erlösungsstory, ein Vater-Sohn-Heilungsprozess, ein ... Nun, ihr versteht, was ich meine. Irgendwie menschelte und himmelte es zu sehr. Jedenfalls für "Bones"-Verhältnisse, denn obwohl mit Booth' Religiosität ein entsprechender Faktor ja vorhanden ist, legt diese Folge den Fokus ungewohnt deutlich auf Wandlung, Selbstfindung und so weiter der Figuren, während die typischen "Momente" deutlich zu kurz kommen. Man könnte auch ein wenig zuspitzend sagen: Die Folge ist zu ernst.

Und nicht nur das: Der Mordfall ist auch noch so dünn wie Fliegenschiss. Normalerweise schrillen bei handelsüblichen Ermittlern sofort die Alarmglocken, wenn ein potenzieller Geliebter und dessen potenziell eifersüchtige Gattin auf der Bildfläche erscheinen. Aber hier: Nix da. Stattdessen wirkte die pingelige Rekonstruktion des Falles mit labortechnischen Mitteln etwas sehr weltfremd und deplatziert, auch wenn sie dann schlussendlich in die richtige Richtung wies. Und originell ist diese Auflösung dann schon mal gar nicht, zumal uns die Mörderin vorher kaum vorgestellt wurde.

Der Fall selbst war ohnehin nicht das Zentrum der Folge, denn da gibt es ja noch das Thema Transsexualität. Recht interessant war, wie unterschiedlich Bones und Booth damit, entsprechend ihrer Vorprägung, umgingen. Booth' Unbehagen war sehr authentisch, während paradoxerweise Bones' sehr natürlicher Umgang mit dem Thema gerade aus ihrer eher, nun ja, unnatürlichen Sicht der Dinge resultierte. Ich empfand es als angenehm, dass die Transsexualität sich schließlich nicht als eigentliches Mordmotiv herausstellte und so das Ganze nicht auf den Sensationsfaktor reduziert wurde. Dennoch war die Botschaft deutlich zu dick aufgetragen: Innen sind wir alle gleich, auf das Innere kommt es an, auch wenn die Körper, die Hüllen und Gewänder unterschiedlich sein mögen. Dass die Feststellung von Gleichheit nun, anders gewendet, eine Vergewaltigung des Einzigartigkeitsprinzips darstellt und genau den Fehler wiederholt, den sie vermeiden möchte – geschenkt. Das ist schließlich "Bones" und nicht das Philosophische Quartett (aber, für die Interessierten unter euch: Lévinas hat darüber sehr Einsichtiges gesagt ;-)). Mir schmeckte einfach der Versöhnungsbrei am Ende nicht ganz so gut wie das übliche Menü, das "Bones" uns Fans sonst bietet. Auch wenn Gallagher sympathisch-pathetisch agierte – allein die optisch überdeutlich vollzogene Saulus-Paulus-Metamorphose denkt ja doch schon das Äußere wieder als Ausdruck innerer Veränderung. Aber gut. Letztendlich geht es wohl einfach darum, sich in seiner Haut wohl zu fühlen. Wortwörtlich. Ob nun auf konventionelle oder unkonventionelle Weise, ob innerhalb der Norm oder außerhalb irgendeiner Norm, solange, bis es keine Normen mehr gibt, denen man sich verweigern müsste.

Schnitt. Als Denkanstoß fand ich die Folge ordentlich, als "Bones"-Episode eher mangelhaft. Nächstes Mal back to the roots, bitteschön.

Melanie Holtmann - myFanbase

Die Serie "Bones - Die Knochenjägerin" ansehen:


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