Bewertung

Review: #4.14 Das Ende aller Dinge

Foto: Joshua Jackson & Michael Cerveris, Fringe - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX
Joshua Jackson & Michael Cerveris, Fringe
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Liane Hentscher/FOX

"Wait, stop!"

"What?! What do you see?"

"I don't see anything, but I really have to pee and I don't want to miss anything."

Dieser kurze Dialogausschnitt zwischen Peter und Astrid dürfte in perfekter Weise den persönlichen Gemütszustand so manch eines Fringies während des Schauens dieser Episode repräsentiert haben, bei der viele wirklich wie angeklebt vor dem Bildschirm gesessen haben dürften. Man wärmte nicht nur Grundzüge aus #1.14 Das Manifest auf sadistischere Art und Weise wieder auf, sondern – und irgendwie kann man es so gar nicht glauben – man lüftete auch das große Geheimnis um die Beobachter und allein deshalb gehört #4.14 The End of all Things schon definitiv in die Geschichtsbücher der Serie.

A question only September can answer...

Daher widmen wir uns doch gleich mal den Szenen zwischen Peter und dem Beobachter September, der plötzlich in Walters Labor auftauchte, als dieser zusammen mit Peter und dem Rest des Teams verzweifelt versuchte herauszufinden, wohin Olivia verschwunden ist. Natürlich ist es eine verdammt schwere Aufgabe seitens der Autoren, dem Zuschauer die Wahrheit über die Beobachter zu offenbaren. Denn in den mittlerweile 78 Episoden der Serie hat man durch einzelne Folgen einen solchen Mythos um die Beobachter entfacht und die Erwartungen bezüglich der Wahrheit über diese Figuren so exorbitant ansteigen lassen, dass es unmöglich war, mit der Auflösung wirklich alle Fans zufrieden zu stellen. Schließlich gibt es die Fraktion an Fans, die die spektakulärste Erklärung der Seriengeschichte erwartet haben, während es wiederum auch die Fans gab, die schon von Anfang an gesagt haben, dass die Wahrheit über die Beobachter letztlich ein Flop wird.

Die meisten Reaktionen der Fans lassen sich irgendwo dazwischen ansiedeln. Die Erklärung, dass die Beobachter Wissenschaftler aus einer weit entfernten Zukunft sind und durch die Zeit reisen, um ihre eigene Geschichte genauer studieren zu können, ist ebenso unspektakulär wie simple, aber irgendwo auch völlig zufriedenstellend. Dankenswerter Weise verzichtet man nämlich darauf, uns die Beobachter als götterähnliche Kreaturen zu präsentieren, was ja so manch ein Zuschauer als Vermutung äußerte. Gleichzeitig passt diese Erklärung auch perfekt in das Bild, das wir all die Jahre von den Beobachtern erhalten haben: merkwürdige Schriftarten, moderne Gerätschaften, merkwürdige Waffen – das alles lässt sich nun dadurch, dass die Beobachter aus der Zukunft stammen, plausibel erklären. Jedoch bleiben auch einige Fragen nach wie vor unbeantwortet. Wieso können Beobachter offenbar kaum etwas schmecken bzw. schütten sich massenhaft Jalapeños über ihr Essen? Und wie gelingt es den Beobachtern, abgefeuerte Kugeln abzustoppen? Oder gar ein Auto allein durch eine Berührung mit ihren Fingern kurz zuschließen? Man sieht also: Obwohl das Geheimnis um die Beobachter nun gelüftet zu sein scheint, gibt es noch genug Fragen, die offen sind, zum Spekulieren einladen und hoffentlich früher oder später noch beantwortet werden. Dass man nicht gleich die ganze Katze aus dem Sack gelassen hat, war auf jeden Fall begrüßenswert. Denn man hat genug Informationen preisgegeben, um fürs erste vollends zufrieden zu sein, aber auch nicht zu viele, sodass man in einigen Folgen wieder wissgierig nach neuen Antworten betteln wird.

Inhaltlich kann man sich natürlich über die Auflösung streiten; ich jedenfalls bin trotz der Schlichtheit wirklich zufrieden damit. Inszenatorisch hingegen war das Gespräch zwischen Peter und September einfach grandios, wie Peter in dem gläsernen Raum stand, zunächst Zeuge des Urknalls wurde und dann, während des Gesprächs mit September, alle für die Serienmythologie relevante Szenen im Hintergrund abgespielt wurden. Meinerseits besteht hier definitiv kein Kritikbedarf, ganz im Gegenteil. Zwar wurde das Ganze, wahrscheinlich auch wegen Budgetgründen, erneut recht schlicht gehalten, dennoch hatte diese Szene etwas Mythisches an sich und konnte einen richtig in ihren Bann ziehen.

Zudem erklärte September noch einmal die gesamten Auswirkungen seines Fehlers, als er Walternate abgelenkt hatte und dieser dadurch nicht das Heilmittel für Peter herstellen konnte. Und wir erfuhren ein neues Detail, das der kompletten Serie einen neuen Impuls verleiht: die katastrophale Auswirkung von Septembers Fehler, von der immer wieder gesprochen wurde, war nicht das Zustandekommen des Krieges zwischen den beiden Universen, sondern vor allem die dadurch resultierende Geburt von Peters Sohn Henry, dessen Geburt, da er von der falschen Olivia geboren wurde, schreckliche Konsequenzen für die Zukunft haben würde und daher aus der Zeitlinie gelöscht werden musste. Endlich wurde also mal wieder Henry erwähnt, nachdem man schon angenommen hatte, dass Peters und Bolivias Baby gar keine große Rolle mehr spielt – doch stattdessen scheint Henry also ein Dreh- und Angelpunkt der Gesamtmythologie zu sein. Hier wurde auch wieder einmal klar, wie komplex eigentlich das Handlungsgestrick der Serie ist und deutlicher denn je wurde mir bewusst, dass auch der Realitätenwechsel wohl früher oder später seine dramaturgische Berechtigung haben wird. Der Teil um Henry erinnerte mich übrigens grob an die Grundzüge der "Terminator"-Thematik, dort war es schließlich auch die Geburt eines Babys, das für die Zukunft eine ausschlaggebende Rolle spielen sollte, und daher den Anstoß für die Handlung gab. Wie dem auch sei: Sehr interessant war dann die Aussage Septembers, dass Peters Rückkehr offenbar dazu gut ist, um die Dinge richtig zu stellen – also ein Baby mit "seiner" Olivia zu zeugen. Ein sehr interessanter Ausgangspunkt, der jedoch zu einer recht ärgerlichen Entwicklung führte – dazu am Ende dann mehr. Mit der aufgeworfenen Geschichte um Henry hat man nun jedenfalls ein interessantes neues Element für die Gesamtmythologie und man darf gespannt sein, wohin das noch führen wird. Und vor allem, ob die anderen Beobachter das zu lassen werden, die bekanntlich keine Fans von Septembers schlampiger Arbeit waren. Werden sie jetzt auf eigene Faust versuchen, Peter aus der Zeitebene zu entfernen? Werden die anderen Beobachter nun gar zu neuen Antagonisten? Und was ist eigentlich mit September? Wirklich tot? Von wem wurde er angeschossen? Und wen genau meinte er, als er sagte, "sie" würden kommen? Fragen, Fragen, Fragen. Aber momentan macht das Rätselraten in "Fringe" so richtig Spaß.

"Olivia Dunham, I've waited so very long to meet you."

Abgesehen von den Rettungsversuchen seitens Walter und Co. sowie von dem Gespräch zwischen Peter und September, stand natürlich Olivias Gefangennahme noch stark im Vordergrund, mit der, wer hätte er gedacht, natürlich David Robert Jones zu tun hatte. Und eines muss man ihm lassen: Er weiß, wie er seinen Willen durchsetzt. Nachdem er deshalb in #1.14 bereits durch ein Pulver sämtliche Körperöffnungen von Menschen zuwachsen und in #4.09 Enemy of my Enemy durch ein Gas alle Patienten eines Krankenhaussektors krepieren ließ, wirkte es fast schon ein wenig unoriginell, Olivia dadurch zur Kooperation zu zwingen, indem er Nina schmerzhafte Stromschläge zufügte. Einfallslos, aber natürlich dennoch extrem effektiv, denn die einzelnen Folterszenen waren stellenweise wirklich sehr schmerzhaft (auch für uns Zuschauer) inszeniert, aber gleichzeitig wurde einfach mal wieder deutlich, dass Jones einer der diabolischsten und dank Jared Harris' tollem Schauspiel auch interessantesten Bösewichte der momentanen Fernsehlandschaft ist. Da kann man ja nur froh sein, dass Jones es locker weggesteckt hat, dass Olivia ihm eine Kugel mitten in den Nacken schoss. Aber hey, wenn "Heroes"-Bösewicht Sylar gemütlich ein Messer aus seinem Kopf ziehen kann, dann ist Jones' Überleben ja schon keine große Leistung mehr.

Zurück zu den wirklich bis auf die letzten Minuten spannenden Szenen zwischen Jones und Olivia, die allein schon deshalb extrem an das Staffel 1-Highlight #1.14 erinnerten, weil Olivia in dieser Folge exakt die gleiche Aufgabe meistern musste – und auch aus den gleichen Gründen, schließlich wollte Jones Olivia auch in dieser Realität "aktivieren". Die Gründe hierfür sind nach wie vor noch völlig offen, denn was nun genau Jones' Plan ist, bleibt ein Rätsel. Aber dass das Ganze sicherlich spannend wird, garantiert schon die Antagonistenkombination aus Jones und Nina Sharp, der die Rolle als weiblicher Bösewicht, wenn auch in ihrer alternativen Version, verdammt gut steht. An dieser Stelle dürfen natürlich nicht die Szenen zwischen Olivia und Alt-Nina vergessen werden, die bis zu dem Zeitpunkt wunderbar emotional waren, bis sich herausstellte, dass Alt-Nina überhaupt Alt-Nina war und gemeinsame Sache mit Jones macht, während die von Broyles verhörte Nina sich als wahrscheinlich gute "echte" Nina herausstellte, nachdem man sie am Ende von #4.13 A Better Human Being noch für Alt-Nina hielt – hachja, Twists in Twists haben schon was an sich. Zu den zahlreichen Highlights dieser Folge zählt – neben dem Gespräch zwischen Peter und September, den emotionalen Momenten zwischen Olivia und Nina und generell allen Szenen, in denen Jones zu sehen war – definitiv auch der Moment, in dem Olivia zweifelsohne aktiviert war und vor Wut fast Jones und Nina mit Stromschlägen grillte. Da übertrug sich die Spannung im wahrsten Sinne wirklich direkt auf den Zuschauer.

"Peter, I'm in love with you. I can't just turn that off and I don't want to lose you. Where are you going?" "Home. I have to go home."

Nach vierzig Minuten fast durchgehend ansprechenden Szenen wäre es auch zu schön gewesen, wenn diese Episode so fast gänzlich ohne Manko ausgekommen wäre. Für jenes Manko sorgte nämlich dann die finale Szene der Folge, also das Gespräch zwischen Olivia und Peter, in dem Peter nach seiner Erkenntnis, dass es wohl seine Bestimmung ist, mit seiner echten Olivia ein Kind zu zeugen, dieser Olivia den Laufpass gibt und ihr bewusst macht, dass ihm klargeworden sei, dass sie nicht seine Olivia sein könne.

Ein Schlag ins Gesicht. Nicht nur für Olivia, sondern auch für uns Zuschauer. Denn mit dieser Szene hat man all die Entwicklungen zwischen Olivia und Peter der letzten Episoden zunichte gemacht. Besonders bedauerlich ist es deshalb, weil wir vor allem nach der letzten Folge, und deren herzzerreißenden Szenen zwischen den beiden, im Glauben gelassen wurden, dass diese Olivia tatsächlich Peters Olivia sei und deshalb auch die Theorie der zwei unterschiedlichen Zeitebenen ordentlich ins Wanken gerät. Doch jetzt befinden wir uns wieder genau da, wo wir auch am Ende von #4.06 And Those We've Left Behind waren: Peter möchte in seine Realität zurück, weil nur dort seine Olivia auf ihn wartet. Doch nicht nur, dass uns Zuschauern jetzt Olivia und Peter als Paar vorerst verwehrt bleiben und sich alle Entwicklungen zwischen den beiden als unnötig herausgestellt haben: Nun, da Peter Olivia einen Korb gegeben hat und auf Abstand gehen möchte, Olivia jedoch Peter verzweifelt zu lieben scheint, steht uns wahrscheinlich nun auch noch eine von Liebeskummer geplagte Olivia bevor. Und mal ehrlich: Will das einer sehen? Reicht es nicht langsam, mit den zahlreichen Odysseen, durch die die Macher Olivia und Peter gehen lassen?

Natürlich reißt diese letzte Szene die Qualität der Folge in keiner Weise groß in die Tiefe. Dafür hatte #4.14 The End of all Things einfach viel zu viele packende Momente, hielt die Spannungskurve konstant bei beachtlichen Werten und mit der Szene zwischen Peter und September zudem noch eine für die Serie epische Szene bereit, die dazu auch noch der ganzen Handlung einen interessanten neuen Aspekt verlieh, weshalb die volle Punktzahl hier nur noch Formsache ist. Nichtsdestotrotz bleibt die letzte Szene negativ in Erinnerung und langsam geht es mir ziemlich gegen den Strich, was die Macher ihren Charakteren so antun. Da zeigt sich im einen Moment nicht nur ein Fünkchen, sondern gleich eine ganze Flamme voller Hoffnung, ehe die Macher im nächsten Moment einen ganzen Eimer Wasser darüberschütten und die Hoffnung nur noch als Rauch emporsteigt, von dem man nach wenigen Sekunden bereits nichts mehr sieht.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


Vorherige Review:
#4.13 Der Schwarm
Alle ReviewsNächste Review:
#4.15 Das Parfum

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier oder in unserem Forum mit anderen Fans von "Fringe" über die Folge #4.14 Das Ende aller Dinge diskutieren.