Bewertung

Review: #5.08 Die Menschheit

Foto: Anna Torv, Fringe - Copyright: 2012 Fox Broadcasting Co.; Cate Cameron/FOX
Anna Torv, Fringe
© 2012 Fox Broadcasting Co.; Cate Cameron/FOX

Das Leben schreibt manchmal nicht nur die schönsten Geschichten selbst, sondern auch die passendsten Einleitungsworte einer Review. So wollte ich vor einigen Tagen bei sehr winterlichen Verhältnissen und einem zu diesem Zeitpunkt recht gestressten Gemüt nach Hause fahren und wunderte mich bei der Fahrt durch den Stadtverkehr, wie merkwürdig mein Wagen doch beschleunigte. Erst nachdem ich meinen Wagen an einer Ampel abwürgte, fiel mir das rot leuchtende Warnsymbol auf dem Armaturenbrett auf, das mir die ganaze Zeit über verzweifelt mitteilen wollte, dass ich vor lauter Hektik die ganze Zeit mit gezogener Handbremse fuhr. Und jetzt, wo ich die einleitende Worte für diese Review zu finden versuchte, erinnerte ich mich unweigerlich an den oben beschriebenen Vorfall, denn es kommt einem doch so vor, als würden J.H. Wyman und den restlichen kreativen Köpfen hinter der finalen Staffel von "Fringe" gerade dasselbe widerfahren.

Wir befinden uns mittlerweile kurz vor dem letzten Drittel der Staffel, wo die Autoren eigentlich aus allen Rohren feuern und – natürlich nur metaphorisch – mit 200 km/h über die Autobahn fetzen müssten. Stattdessen wirkt es aber wirklich so, als hätten die Drehbuchschreiber einfach fest die Handbremse angezogen. Hier und da wird mal versucht zu beschleunigen und spätestens nach den vielversprechenden Entwicklungen in #5.06 Through the Looking Glass and What Walter Found There hätte man denken können, dass die Handbremse nun endlich gelöst wird, aber die Autoren scheinen immer noch nicht das rote Warnsignal auf ihrem Armaturenbrett wahrgenommen zu haben. Entweder das, oder das Team möchte einfach auf dem umweltfreundlichsten Weg das Ziel erreichen – auf Kosten der Zuschauer, versteht sich.

"Why are you smiling?" "Because I believe. You can't know everything."

Nach meiner aus- und umschweifenden Einleitung bringen wir es erst einmal auf den Punkt: Auch #5.08 The Human Kind kann die Staffel nicht aus dem "Weder Fleisch noch Fisch"-Sumpf ziehen, in dem sie sich momentan befindet. Das liegt zum einen einfach schon daran, dass ein Großteil der Folge das altbekannte "Handlung der Woche"-Schema aufgreift, das dieser Staffel ein wenig das Genick gebrochen hat. Klang die Staffel zu Beginn danach, als würde "Fringe" endgültig zum reinen Serial avancieren, lässt man mit der ständigen Beschaffung neuer Bestandteile des so wichtigen Plans viel zu viel das Gefühl aufkommen, dass diese Staffel bisher mehr Procedural ist als so manch andere Staffel zuvor. Zumal einige wichtige Entwicklungen überhaupt nicht mehr aufgegriffen werden, wie z.B. das Auftauchen des Beobachterkindes in #5.06, das sicherlich noch eine Rolle spielen wird, je näher wir an das Finale herankommen.

Bis dahin wurde Olivia aber erst einmal damit beauftragt, das "Teilchen der Woche" zu finden, in diesem Fall einen großen Automagneten. Dabei trifft sie auf eine Frau namens Simone, die sich selbst für ein Orakel zu halten scheint und tatsächlich vorhergesehen hat, dass Olivia kommen und den Magneten mitnehmen würde. Es wurde zwar weder geklärt, wodurch Simone ihre hellseherischen Fähigkeiten her hat noch, ob es Zufall ist, dass die unbekannte Person ausgerechnet eine Familie mit einem hellseherischen Familienmitglied Jahre zuvor beauftragt hat, den Magneten bereitzuhalten. Aber letztlich diente Simone sowieso nur als Mittel zum Zweck, um Olivia ein wenig weg von ihrem sturen rationalem Denken zu holen, welches die jahrelange Arbeit für die Fringe Division mit der Zeit mit sich brachte. Und letztlich war dieser metaphysische Impuls mit Sicherheit auch für das wichtige Gespräch zwischen Peter und Olivia am Ende der Folge verantwortlich, zu dem wir später noch kommen werden.

Wie also bereits in zahlreichen anderen Folgen der Serie wird einer der Hauptcharaktere von einem Gastcharakters positiv beeinflusst, wodurch die ganze Beschaffung des Magneten also immerhin teilweise relevant gewesen sein dürfte. Vollends rechtfertigt das allerdings nicht diesen doch sehr zum Lückenfüllen bedachten Storyarc, der vor allem dann noch einen extra Lückenfüller-Beigeschmack bekam, als Olivia von zwei Männern entführt wurde und kurz vor der Auslieferung an die Beobachter stand. Denn dieser Teil war spürbar nur dazu gedacht, die 42 Minuten voll zu bekommen. Allerdings hatte dieser Teil auch etwas Gutes vorzuweisen, nämlich Olivias Qualitäten als Kick-Ass-Protagonistin wie sie im Buche steht. Ihre sehr nett anzusehende Idee, sich ihren beiden Kidnappern zu entledigen, erinnerte stark an die "bolivianische" Olivia (natürlich nicht geographisch gemeint) und war eine schöne Sache, da Olivia in dieser Staffel bisher nicht wirklich vollends überzeugen kann. Zumindest dann nicht, wenn man, so wie ich, erwartet hatte, dass uns eine Olivia erwartet, die ihrem Staffel 3-Ego in nichts nachstehen wird.

"I know that our hearts are broken and that it hurts. But that's what makes us human."

Neben den Szenen mit Olivia beschäftigte sich die Episode vor allem mit Peters riskantem Versuch, Captain Windmark auszuschalten und somit Ettas Tod zu rächen. Summa summarum fiel dieser Part aber dürftig aus, denn ein Großteil der Szenen erinnerten an Peters erste Racheaktion gegen drei Beobachter in #5.07 Five-Twenty-Ten und auch die schrittweise Wandlung zum potentiellen Beobachter fiel nicht mehr wirklich interessant aus und ich hatte mir eigentlich erhofft, dass anhand der Technologie noch ein paar Fragen mehr rund um die Beobachter beantwortet werden oder etwas bezüglich der Beobachter enthüllt wird, das wirklich überrascht. Dass die Technologie die Denkarsenale des Gehirns effektiver arbeiten lässt und dadurch gleichzeitig das emotionale Zentrum so gut wie deaktiviert wird, überrascht nicht allzu sehr, sondern ließ sich eigentlich genau so erahnen. Dennoch irritiert es ein wenig, dass die Beobachter mittlerweile als komplett emotionsarm dargestellt werden, schließlich wissen wir seit #2.08 August, dass Beobachter sowohl zu Liebe als auch zu Trauer in der Lage sind ... Plothole? Derweil bleibt der Kampf zwischen Windmark und Peter noch eine Sache, die definitiv erwähnt werden sollte, da dieser wirklich richtig gut umgesetzt wurde. Allerdings überraschte es wenig, dass Windmark in dieser Folge nicht das Zeitliche segnet. Wäre der große Antagonist dieser Staffel nämlich bereits gestorben und hätte Peter somit jetzt schon seine Rache bekommen, wäre die Luft wohl komplett aus der Staffel draußen gewesen.

Eigentlich davon ausgehend gewesen, dass die Storyline rund um Peter eine zentrale Rolle im letzten Drittel der Staffel einnehmen wird, finde ich es im Nachhinein doch sehr überraschend, dass die Handlung nach dieser Folge beendet zu sein scheint. Das ist aber nicht nur überraschend, sondern irgendwo auch ärgerlich. Nicht, weil ich Joshua Jackson gerne mit Glatze gesehen hätte, sondern, weil man sich dann fragt, für was das Ganze eigentlich gut war. Momentan hat es den Anschein, als wäre auch diese Handlung lediglich ein Platzfüller gewesen und dass sie keine wirkliche Relevanz für den finalen Akt aufweisen wird. Und der kleine Einblick in das Dasein eines Beobachters und wie sie ihre Umwelt wahrnehmen rechtfertigt das Platzieren der Handlung nur bedingt.

Zu guter Letzt entschädigte dann die Schlussszene der Folge für die sonst eher durchschnittlichen Ereignisse. Denn wie die besorgte, aber neue Hoffnung schöpfende Olivia ihren Mann zur Vernunft bringen kann und sich beide am Ende umarmend ihre gegenseitige Liebe gestehen, dürfte das Herz aller "Polivia"-Fans aufgehen gelassen habe. Und auch mir gefiel es sehr gut, dass kein weiterer Keil zwischen die beiden getrieben wurde und ich hoffe, dass beide am Ende der Serie ihr kleines Happy End bekommen. Was das betrifft, bin ich mir auch wirklich sicher, denn J.H. Wyman würde mich böse überraschen, sollte es anders kommen.

"Emotion is our weakness." "No, it's our strength."

Derweil wurde in dieser Folge auffällig oft das Thema Gefühle angesprochen. Während Captain Windmark die Gefühle der Menschen als deren größte Schwachstelle ausmacht, sieht Olivia das Empfinden von Emotionen als den großen Vorteil. Hier würde es nicht wundern, wenn dieses Thema im Finale noch einmal aufgegriffen wird und genau diese Kleinigkeit letztlich den Kampf zwischen Mensch und Beobachter entscheidet. Die Prämisse ist selbstverständlich nicht neu, schließlich wurde auch in Serien wie "V – Die Besucher" immer wieder die Frage angeschnitten, ob Emotionen nun die Schwäche oder die Stärke der Menschheit sind. Natürlich beinhaltet das Ganze auch wieder eine ordentliche Portion Metaphysik, aber die ist bei "Fringe" ja mittlerweile zum festen Bestandteil geworden, weshalb es mich gar überraschen würde, würde man darauf verzichten. Man muss aber auch gestehen, dass das Ganze in dieser Staffel viel passender wäre als es in der vierten Runde gewesen ist, als die große Handlung rund um die neue Zeitlinie in #4.15 Das Parfum mit einem derart übersinnlichen Gedankengang erklärt wurde, dass man sich die Frage stellte, ob die Ursprungsidee dieser Storyline bereits 1969 von Besuchern des Woodstock-Festivals niedergeschrieben wurde.

"More heat, Asner. I said more heat!"

Mit Olivias kleiner MacGyver-Einlage, dem sehr ansehnlichen Kampf zwischen Peter und Windmark sowie dem schönen Schlussmoment zwischen Olivia und Peter hatte diese Episode genau drei Szenen, die wirklich zu unterhalten und überzeugen wussten. Ansonsten scheitert #5.08 The Human Kind wahrscheinlich vor allem aufgrund zu hoher Erwartungen. Nach der in den USA dreiwöchigen Pause zwischen dieser und der vorherigen Episode und aufgrund der Tatsache, dass man sich dem Finale der Serie mit großen Schritte nähert, hätte man wirklich eine turbulentere Folge erwartet. Aber stattdessen plätschert die Handlung weiterhin sehr unspektakulär vor sich hin ohne richtig in Fahrt zu kommen. Bedenkt man, dass uns nur noch drei reguläre Episoden bevorstehen, ehe mit #5.12 Liberty und #5.13 An Enemy of Fate die beiden finalen Folgen ausgestrahlt werden, ist das einfach zu wenig ... und irgendwie auch sehr frustrierend, oder?

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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