Bewertung
Sarah Spillane

True Spirit

Foto: Teagan Croft, True Spirit - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Teagan Croft, True Spirit
© 2023 Netflix, Inc.

Inhalt

Als die junge und leidenschaftliche Seglerin Jessica Watson (Teagan Croft) sich das Ziel setzt, mit 16 Jahren die jüngste Person zu werden, die einmal ohne Pause und ohne Hilfe die Welt umsegelt, erwarten viele, dass sie scheitern wird. Sie weiß in ihrem Coach Ben Bryant (Cliff Curtis) und in ihren Eltern (Anna Paquin & Josh Lawson) bedingungslose Unterstützer, weswegen sie nach kurzen Selbstzweifeln das Abenteuer antritt. Auf ihren letztlich 210 Tagen auf hoher See hat Jessica so einige Herausforderungen zu überstehen, gegen die Natur und gegen ihren eigenen Schweinehund.

Kritik

Die Weltumseglung von Jessica Watson war mir tatsächlich nicht bewusst im Gedächtnis geblieben, auch wenn ich dies sicherlich 2010 in den Medien mitbekommen habe. Das mag aber auch daran liegen, dass nahezu parallel noch eine zweite junge angehende Weltumseglerin zu diesem Zeitpunkt aufmerksam auf sich machte. Da in den Niederlanden ausgiebig darüber diskutiert worden ist, ob die 2009 14-jährige Laura Dekker so jung auf eine Weltumseglung aufbrechen dürfte, was das für die Schulpflicht bedeutet und ob man den Eltern das Sorgerecht entziehen sollte, war mir dieser Fall tatsächlich noch sehr präsent. Es ist zum einen direkt im Nachbarland passiert und zum anderen war es alles in allem doch viel kontroverser, weswegen es sicherlich dann auch etwas von der Aufmerksamkeit für Jessica Watson weggenommen hat. Mein Interesse für Laura Dekker hat aber gezeigt, dass mich solche Geschichten durchaus faszinieren, sicherlich auch, weil ich damals in einem ähnlichen Alter war. Deswegen war es auch kein langes Überlegen, dass ich in "True Spirit" definitiv reinsehen würde. Der Netflix-Film beruht auf einer Buchveröffentlichung von Jessica Watson, aber die inzwischen 29-Jährige war in die Filmgestaltung auch involviert, so dass ich gespannt war, wie die Ereignisse von damals dargestellt werden würden.

Insgesamt ist die Verfilmung den von Jessica dargestellten Schilderungen sehr nahe geblieben. Im Figurenkreis ist aus dramaturgischer Sicht alles etwas konzentriert worden, indem Trainer Ben und Journalist Craig Atherton (Todd Lasance) exemplarisch für größere Gruppen rausgepickt wurden. Auch die Ereignisse auf See sind stellenweise etwas dramatisiert worden, um abwechslungsreich die vergehenden 210 Tage darzustellen, dennoch ist klar, dass nichts fiktiv umgesetzt worden ist, was die Authentizität auf hoher See gefährdet hätte. Der Film ist auch bemüht, ein recht breites und viel-perspektivisches Bild zu zeichnen. Auch in Bezug auf Jessica hat es Kontroversen gegeben. Wie bei Laura Dekker ist das Alter als entscheidendes Argument genannt worden, aber bei einem Probelauf gab es auch einen Zwischenfall, wo Jessica das Alarmsignal nicht aktiviert hatte und dösend nicht bemerkte, dass sie mit einem Frachter kollidieren würde. Ich habe mich natürlich auch selbst bei Gedanken erwischt, ob so eine Weltumseglung wirklich angemessen war, eben gerade weil ich damals nur wenig älter als Jessica und dann auch Laura war und ich für mich wohl definitiv hätte ausschließen können, dass das etwas für mich gewesen wäre, Leidenschaft fürs Segeln mal außen vorgelassen. Dementsprechend fand ich es auch wichtig, dass sich "True Spirit" vor dieser Kontroverse nicht geduckt hat und es durch die Kritik der Medien und die Sorgen der Eltern immer wieder aufgefangen hat.

Umgekehrt wird aber vor allem Jessicas Perspektive beleuchtet und das ist auch folgerichtig, weil es eben ihre Geschichte ist. Durch Rückblenden (die junge Jessica dargestellt durch Alyla Browne) wird immer wieder gezeigt, wie das zunächst noch ängstliche Mädchen einmal ihren Respekt überwindet und in eine Welt einfindet, der sein ganzes Herz gehört. Auch wenn Ben nun eine fiktive Figur ist und für eine ganze Reihe von Experten steht, die Jessica unterstützt haben, so fand ich die Andeutungen zu ihm als eine tolle Ergänzung, weil man an ihm eben sehen konnte, was Leidenschaft bedeutet und wo sie aber auch hinführen kann, weil sie auch traumatisieren kann. Alles in allem wurde aber mehr als deutlich, dass Jessica schon in jungen Jahren eine klare Mission hatte und das war weniger Rekorde aufstellen, sondern dem nachgehen, was sie innerlich antreibt. Da die Legasthenie auch aus der Realität übernommen wurde, kann ich mir gut vorstellen, dass der Umstand, dass Jessica immer härter für alles arbeiten musste, weil Lesen für sie so eine Schwierigkeit dargestellt hat, auch mit ein Faktor war, so einen Wunsch umzusetzen. Ihre Sprache war eben das Segeln und damit eine Ausdrucksweise. Das mag nun vielleicht sogar zu viel hineininterpretiert sein, aber so ein Bild wurde für mich gezeichnet und das hat mich beeindruckt. Es hat mich auch inspiriert, vor allem dann später gepaart mit den Erfahrungen, die Jessica auch macht und reflektiert. Sie hat das Projekt sicherlich in gewissen Aspekten unterschätzt und auch wenn sie oft genug kurz vorm Aufgeben stand, so hat sie doch durchgezogen und beweist damit, dass sich Durchhalten für die eigene Leidenschaft immer lohnt. Diese ganze äußere und innere Reise funktioniert in dem Film auch so gut, weil Teagan Croft ihr Leben einhaucht. Ich kenne sie schon aus der DC-Serie "Titans", wo sie sich schauspielerisch immer wunderbar behaupten konnte. Dementsprechend war es für mich keine Überraschung, dass sie mir Jessica in allen Facetten überzeugend rüberbringen konnte.

Neben Jessicas Perspektive haben wir noch die zurückbleibende Familie sowie die involvierten kritischen Journalisten rund um Craig Atherton. Er ist sicherlich das Element, was im Film am kitschigsten und damit etwas übertrieben erscheint. Denn erst sind er und seine Kollegen kritisch hoch tausend und drücken die Finger nur gerne in alle Wunden. Später aber bangen sie genauso wie die ganze Welt mit Jessica, damit sie nur ja heile nach Hause kommt. Es ist zwar nicht schwer vorstellbar, dass dieser Wandel tatsächlich so stattgefunden hat, aber letztlich hätten die Journalisten genauso reißerisch ihren Job gemacht, wenn die Jugendliche auf ihrer Reise tot geblieben wäre. Von daher war das definitiv romantisiert. Die Familie wiederum ist ständig neu zerrissen. Der Vater ist sicherlich der, der am kritischsten ist und das auch vor Jessica nicht immer verbergen kann. Aber Mutter Julie hat besonders erkannt, dass ihre Tochter bedingungslose Unterstützung braucht. Hier fand ich es ganz charmant, dass die Rolle mit Paquin besetzt worden ist. Diese habe ich als selbst als Jugendliche in dem Film "Amy und die Wildgänse" (Original: "Fly Away Home") kennengelernt, wo Hauptfigur Amy auch in eine Mission gestartet ist, die man einer Jugendlichen wohl nicht per se zugetraut hätte. Auch wenn es damals keine wahre Geschichte war, so finde ich einfach, dass sich mit Paquins Casting ein Kreis schließt und ich finde auch, dass sie die Rolle toll gespielt hat, besonders in einer späten Szene voll von Ausnahmegefühlen.

Die Geschwister Emily (Bridget Webb), Tom (Stacy Clausen) und Hannah (Vivien Turner) decken eine Alters- aber auch Charakterbandbreite ab, wobei sie allesamt große Unterstützer ihrer Schwester sind. Dennoch gibt es auch immer wieder einen unterschiedlichen Umgang, wann Zweifel einsetzen, wann die Verzweiflung groß ist, was ich einfach sehr spannend zum Verfolgen fand. Auch Hannahs Updates an die Journalistenschar war sicherlich überspitzt, aber auch irgendwie goldig, zumal sie damit den größten Optimismus für alle Beteiligten ausgestrahlt hat. Sicherlich hat man bei so einem Film wie "True Spirit", der sich weit über die 210 Tage hinaus streckt, das Gefühl, dass man noch nicht mal ansatzweise in das Ausmaß dieser Zeitspanne eingebunden wurde, aber das wäre auch unmöglich gewesen. Alles in allem würde ich aber sagen, dass es dem Drehbuch gut gelungen ist, eine abwechslungsreiche Mischung aus Jessicas Erlebnissen abzubilden und diese dann eben für die Kamera etwas herzurichten. Dennoch fühlte es sich nie künstlich an, denn dadurch dass Jessica auch Videotagebuch geführt hat, hat sie eben oft etwas inszeniert, um die Welt mit auf ihre Reise zu nehmen. Aber die Kamera hat auch nicht weggesehen, wenn sie am absoluten Tiefpunkt war und vor Langeweile vergangen ist. Es war ein wirklich runder Einblick, der perfekt durch die euphorischen Bilder am Ende und die echten Aufnahmen von Jessica Watson auf ihrer Reise beendet wurde. So hat man noch einmal selbst gesehen, wie bemüht die Produktion war, ihrer Geschichte gerecht zu werden und das gibt ein gutes Gefühl.

Fazit

"True Spirit" ist ein wirklich inspirierender Film über den Traum einer Jugendlichen, der manchmal wie der nackte Wahnsinn erscheint, der aber auch aufzeigt, warum es sich lohnt, für die eigenen Träume zu kämpfen. Auch wenn eben einige Aspekte dramatisiert werden musste, so fühlt sich der Film stets echt an und Teagan Croft als Hauptfigur hat ihrem echten Vorbild alle Ehre gemacht. Als einnehmende und kurzweilige Unterhaltung absolut zu empfehlen!

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Lena Donth - myFanbase
06.02.2023

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