Bewertung
Harry Bradbeer

Enola Holmes 2

Foto: Enola Holmes 2 - Copyright: 2022 Netflix, Inc.
Enola Holmes 2
© 2022 Netflix, Inc.

Inhalt

Nach ihrem ersten großen Erfolg bei einer Ermittlung eröffnet Enola Holmes (Millie Bobby Brown) ganz euphorisch eine eigene Detektei, um in die Fußstapfen ihres Bruders Sherlock (Henry Cavill) zu treten. Doch der Erfolg lässt auf sich warten, bis die die mittellose Bess Chapman (Serrana Su-Ling Bliss) sie um Hilfe bittet, weil ihre Schwester Sarah (Hannah Dodd) verschwunden ist. Als Enola für Recherchezwecken in der Streichholzfabrik undercover geht, in der die beiden Schwestern arbeiten, stößt sie darauf, dass das Rätsel um Sarahs Verschwinden viel größer ist als gedacht und auch Sherlocks aktueller Fall scheint mit ihrem verknüpft zu sein, weswegen Bruder und Schwester sich in ihrer unterschiedlichen Art zusammenschließen müssen.

Kritik

Bereits mit dem ersten Film war ich schnell an dem Punkt, festzuhalten, dass sich rund um die Geschichten von Enola Holmes problemlos ein Franchise aufbauen lässt. Dank des Anklangs beim Publikum musste Streamingdienst Netflix nicht lange überlegen und hat einen zweiten Teil genehmigt. Da ich schon vorweg sagen kann, dass die zweite Verfilmung in keiner Weise einen qualitativen Abfall darstellt, gehe ich schwer davon aus, dass auch zumindest eine dritte Verfilmung möglich wäre. Denn diese Art, typische Sherlock-Geschichten lustig, gewitzt, feministisch und wie ein Abenteuerfilm zu erzählen, weiß schlichtweg zu unterhalten. Sam Claflin, der im ersten Teil noch als Mycroft Holmes zu sehen war, konnte aus Terminkonflikten diesmal nicht mitwirken, was dem Film glücklicherweise überhaupt nicht geschadet hat. Dennoch würde ich nicht sagen, dass er in einem potenziellen dritten Film nicht auftauchen sollte, denn er ist zum anderen Holmes-Bruder Sherlock eben ein interessanter Gegenpart, der auch im Zusammenspiel mit Enola durchaus herausgefordert hat. Ansonsten konnte aber der zentrale Kern gehalten werden, was natürlich für die Produktion ein Geschenk war. Helena Bonham Carter brilliert wieder als schrullige und toughe Mutter Eudoria. Susan Wokoma ist als ihre treue Gefährtin Edith wieder eine spitzfindige Beraterin von Enola und auch Louis Partridge darf wieder als Tewkesury mitwirken, so dass die zarte Liebesgeschichte weiter vorangetrieben werden kann.

Der Inhalt des Films ist wirklich gut aufgebaut worden. Zunächst wird in knappen Worten und Bildern noch einmal der erste Film in Erinnerung gerufen und schon sind wir mitten in der eigentlichen Handlung. Dort erleben wir eine Enola, die nach ihrem Ermittlungserfolg auf einer Euphoriewelle surft, um dann aber mit der harten Realität konfrontiert zu werden. Ihre neu eröffnete Detektei findet nämlich keinen Anklang, was sicherlich an ihrem Alter, aber auch an ihrem Geschlecht liegt. Als sie schon kurz vor dem Aufgeben ist, flattert endlich ein Fall herein, doch mit der Waise Bessie wird schnell deutlich, einen klassischen Auftrag mit Entlohnung wird es nicht geben. Dementsprechend hat dieser Fall wunderbar gepasst, weil er auch Enolas Wesenszüge fortsetzt, die den Reiz eines Kriminalfalls immer über das Geld stellen würde. Zudem erkennt sie in Bessie auch eine vertraute Seele wieder, so dass schnell eine emotionale Verbindung zwischen den beiden entsteht, die Motivation genug ist. Wie auch schon im ersten Teil wirkt die Handlung zunächst zweigleisig erzählt, weil sich Enolas Wege aus unterschiedlichen Gründen immer wieder mit ihrem großen Bruder Sherlock kreuzen und in dessen aktuelle Ermittlung werden wir Zuschauer*innen in Grundzügen auch eingebunden. Auch wenn so für viel Abwechslung gesorgt war, so muss ich doch auch sagen, dass es ein genialer Schachzug war, die beiden Fälle letztlich zusammen zu fügen. Es war zwar irgendwann zu erahnen, dennoch waren die unterschiedlichen Überschneidungspunkte und wer wie mit wem spielte, dennoch überraschend genug.

Insgesamt würde ich auch behaupten wollen, dass die Ermittlung in ihrer Komplexität, in ihrer Qualität der überraschenden Wendungen und in ihrer Emotionalität den ersten Teil noch einmal übersteigt. Die Fälle und schließlich nur noch der Fall sind von vorne bis hinten gut strukturiert worden und der Film hat auch keine Pause gegönnt. Auch der geschickte Schnitt hat hin und wieder zu einer überraschenden Aufdeckung beigetragen. Aber nicht nur für Spannung war gesorgt, sondern auch wieder für vielversprechendes Miteinander. Während sich die Holmes-Brüder im ersten Teil die Screentime noch großzügig teilen mussten, so hat Sherlock diesmal viel mehr Raum für Entfaltung und Cavill ist damit nicht nur noch mehr eins mit dieser berühmten und schon vielfach interpretierten Figur gewesen, sondern er hat auch mit Brown und ihrer Enola-Darstellung wunderbar harmoniert. Denn er ist ernst, er agiert lieber zurückgezogen und alleine. Enola ist dagegen den Menschen gegenüber offen, sie nimmt überall Hilfe an und hat daher auch gegen eine gute Teamarbeit nichts einzuwenden. Sherlock hat natürlich auch immer ein wohlwollendes Auge auf seiner Schwester und schlägt sie aus manch gefährlichen Situation heraus, aber dennoch sind sie Feuer und Wasser und genau deswegen so geeignet für eine Partnerschaft. Gerade vor dem Hintergrund dieser gewachsenen Geschwisterbeziehung wäre es sicherlich spannend, wie Mycroft sich wohl noch einmal einfügen lassen würde, weil er noch einmal viel kritischer war und diese Entwicklung sicher nicht gutheißt. Es war aber auch herrlich, wie unaufgeregt Sherlock die weiter reifende Liebesbeziehung zwischen Enola und Tewkesbury abgeknickt hat. Kein albernes Großer-Bruder-Verhalten, sondern eher ein gewisses Augenzwinkern, aber die beiden sind auch herrlich, was auch mit ihrer letzten Szene gemeinsam verdeutlicht wurde. Sie sind sich nie einig, aber genau das genießen sie auch aneinander. Während ich es im ersten Teil für das Alter noch zu erwachsen erzählt fand, hat es sich hier gut und nachvollziehbar entwickelt.

Zuletzt bleibt wieder auffällig, wie bewusst die Thematik gewählt ist. Brown, die erneut an der Produktion mitgewirkt hat, hat im ersten Teil vor allem Enola und wofür sie steht, selbst sprechen lassen. Das wird im zweiten Teil natürlich auch bedient, aber hier wurde sich für das Drehbuch und den Kriminalfall noch eine wahre Geschichte zur Vorlage genommen. So wird die Lebensgeschichte von Sarah Chapman berücksichtigt, die 1888 in ihrer Streichholzfabrik einen Streik initiierte, der thematisch für Arbeitsplatzsicherheit und Geschlechtergerechtigkeit gedacht war. Sie wurde letztlich die erste Vertreterin der daraufhin formierten Gewerkschaft. Es ist passend, dass solche eine reale Vorlage hier verwendet wurde, weil es zur generellen Botschaft des Films passt und weil sich Sarahs Geschichte auch wunderbar in den Kriminalfall einbinden ließ. Auch die sonstigen Erzählweisen, dass vor Enolas Augen die Beweise immer lebendig werden und grafisch ständig neu arrangiert werden oder dass sie direkt in die Kamera spricht, das waren schon im ersten Film liebgewonnene Techniken, die ihren Charme nicht verloren haben. Zudem ist es doch herrlich, dass zwei typische Sherlock-Holmes ihren ersten Auftritt haben und damit noch einmal mehr Lust auf Teil 3 machen.

Fazit

Eigentlich eher untypisch für Fortsetzungen würde ich für "Enola Holmes 2" die Behauptung tätigen, dass man sich noch einmal minimal übertroffen hat, weil die Involvierung der beiden Geschwister Holmes raffiniert gelöst wurde und sich der Film so mehr wie ein Gesamtkunstwerk anfühlte. Weiterhin wird so feine Unterhaltung geboten, die mit Spannung, Witz und Abenteuer aufwartet. Für Brown ist es wirklich eine tolle Paraderolle und ich drücke hier für eine dritte Verfilmung nur zu gerne die Daumen!

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Lena Donth - myFanbase
16.11.2022

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