Bewertung
Thomas Sieben

Prey

Foto: Prey - Copyright: 2021 Netflix, Inc.
Prey
© 2021 Netflix, Inc.

Inhalt

Roman (David Kross) verbringt seinen Junggesellenabschied in Form eines Wandertrips durch den Wald mit vier Freunden, darunter auch sein Bruder Albert (Hanno Koffler). Als sie praktisch schon wieder am Auto sind, wird auf einmal auf sie geschossen. Sie flüchten in den Wald in der Hoffnung, dort Deckung zu finden, doch sie haben es mit einem unerbittlichen Schützen zu tun, der den Wald wie seine Westentasche kennt.

Kritik

Aus den meisten Horrorfilmreihen, wie u. a. "Paranormal Activity", kennt man es: eine*r nach der*m anderen fällt einem mysteriösen Killer zum Opfer, bis am Ende nur noch eine ganz kleine Gruppe übrigbleibt, die entweder überlebt oder auch noch ihr Ende findet. "Prey" ist nun die deutsche Ausgabe, die für Streamingdienst Netflix produziert wurde. Regisseur und Drehbuchautor Thomas Sieben hatte zuvor schon den Thriller "Kidnapping Stella" dort untergebracht; man kennt sich also. Der Cast ist auch wahrlich nicht zu verachten, denn mit Namen wie Kross, Koffler, Maria Ehrich, Robert Finster und Yung Ngo sind ehemalige Jungstars für das Projekt gewonnen worden, die sich schon längst einen Namen im deutschen Schauspiel gemacht haben. Wie klappt also das Spielchen 'Rette sich wer kann' auf Deutsch?

Wer schon einmal im Wald unterwegs war, der kennt wahrscheinlich die Ambivalenz, für die das Stück pure Natur steht. Auf der einen Seite kann es unheimlich erholsam und erdend sein, den in Unmengen vorhandenen Sauerstoff aufzusaugen und zum anderen kann der Wald aber auch ganz schön beängstigend wirken. "Prey" spielt mit beiden Seiten, denn zu Beginn des Films erleben wir die fünf Freunde, wie sie das Erlebnis im Wald in vollen Zügen auskosten. Doch schon hier baut sich langsam aber sicher eine Atmosphäre auf, die erahnen lässt, bald wird es deutlich weniger spaßig. Ich finde die musikalische Untermalung sowie die szenische Umsetzung unheimlich stark, denn hier wird für den Zuschauer oder die Zuschauerin alles auf dem Punkt eingefangen. Die Musik sorgt schon für ein unbehagliches Gefühl, bevor überhaupt etwas passiert ist und wenn die Musik völlig aussetzt, dann sind wir mit den laut atmenden Figuren ganz alleine und die vorhandene Panik überträgt sich auch auf uns. Bei der Kameraführung wiederum sind wir mal nah dran, mal aber doch ganz fern, je nachdem was sich gerade eindrucksvoller erweist. Zudem wurde meiner Meinung nach auch überzeugend das Licht-Schatten-Spiel im Wald eingefangen, denn wirkt es an einer Stelle schon tiefdunkel, so ergießt sich im nächsten Moment grelles Licht. Doch die Wahl des Lichteinfalls hat wenig mit dem zu tun, was gerade auf dem Bildschirm passiert; so ergeben sich zwischendurch durchaus interessante Kontraste.

Von der Inszenierung – und das dürfte schon mehr als deutlich geworden sein – bin ich definitiv angetan, leider hat mich der Inhalt des Films nicht völlig packen können. Und wie so oft steht und fällt das mit den Charakteren. Roman ist im Fokus des Films und er hat mich auch am meisten überzeugt, weil er am menschlichsten und nahbar rübergekommen ist. Doch bei den weiteren Figuren wird es schon deutlich schwieriger. Auch wenn man die fünf Männer zu Beginn des Films recht glücklich erlebt, so schwellen dort schon Spannungen und ich konnte als Zuschauerin nicht richtig greifen, wie sie zueinanderstehen und welche Konflikte letztlich wirklich herrschen. Roman und Albert sind als Brüder definiert. Vincent (Ngo) scheint definitiv nur ein Freund von Roman zu sein und Stefan (Klaus Steinbacher) ist der Geschäftspartner von Albert. Doch all das ist dem Film nur ehr zäh zu entnehmen, weswegen es mir schwer gefallen ist, mich an die Figuren zu binden und mehr über sie wissen zu wollen. Und das ist definitiv gefährlich, wenn der Film doch kurz darauf ein Todesopfer nach dem anderen erfordert. Da wird der Sinn wohl kaum sein, belanglos zuzuschauen. Zudem war es zwischendurch dann auch irritierend, Rückblenden zu erhalten, wie Roman Urlaub mit seiner Verlobten Lisa (Livia Matthes) verbringt. Natürlich war mir bewusst, dass es irgendwo hinführen würde und die Hinweise waren auch offensichtlich gelegt, aber auch hier fehlte mir einfach etwas, um mir das logisch zu erklären. Wie sinnig ist es nämlich, dass Lisa ihrer Affäre Albert schreibt, er solle ihr mal schön den Roman grüßen. Ich fand diesen Teil wirklich sehr plump inszeniert.

Was dann wieder deutlich spannender war, das war definitiv die Rolle von Maria Ehrich, Eva. Eine Frau als Amokschützin, das kann jede Profilerin und Statistik bestätigen, das ist verdammt selten, weswegen ich es stark fand, hier eine weibliche Gegnerin zu haben. Ehrich hat bis auf eine Rückblende eine komplett stumme Rolle. Das ist ohne Frage eine große Herausforderung, denn so zählt nur die Mimik. Eva wirkt zwar in vielem unheimlich stoisch, weil sie keinerlei Regung zeigt, egal, was sie gerade tut und doch ist so viel in ihrem Gesicht zu erkennen. Hut ab hier, ich kann mir vorstellen, dass Ehrich diese Rolle viel Spaß bereitet hat, denn so oft kommt ein solches Rollenprofil wohl nicht um die Ecke. Ich hätte mir hinten heraus noch etwas mehr Interaktion zwischen Eva und Roman gewünscht, weil sie für mich die Geschichte getragen haben und ich hätte mir da wirklich gut etwas Tiefergehendes zwischen ihnen vorstellen können. Dennoch kann ich mit der letztlichen Auflösung gut leben.

Fazit

"Prey" hat mich von der musikalischen und szenischen Inszenierung wirklich sehr überzeugt, denn die Atmosphäre hat mich treu durch den Film begleitet. Das ist dann auch ein Geschenk, denn inhaltlich hat mich der Thriller leider weniger überzeugt, denn bei der Charakterarbeit ist vieles zu oberflächlich geblieben. Einzig Roman und Eva haben mich im Geschehen überzeugt und das aus völlig unterschiedlichen Gründen. Wer also nach einem Thriller sucht, wie es zuhauf gibt, der wird bei "Prey" sicherlich fündig. Aber ich finde, dass aus dem Cast mehr hätte rausgeholt werden müssen.

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Lena Donth - myFanbase
21.09.2021

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