Bewertung
Pete Docter & Kemp Powers

Soul

Foto: Soul - Copyright: 2020 Disney/Pixar
Soul
© 2020 Disney/Pixar

Inhalt

Joe war ein hoffnungsvoller Jazz-Musiker, doch sein Leben hat nicht die gewünschte Richtung eingeschlagen. Inzwischen ist er Lehrer einer Schulband und führt ein eintöniges Leben. Als er ein Angebot von der Schule bekommt, die seine finanzielle Zukunft sichern würde, bekommt er parallel auch das Angebot, als Pianist einer berühmten Jass-Sängerin auszuhelfen. Auf dem Weg zur Erfüllung seines Traums wird ihm ein fehlender Gullydeckel zum Verhängnis. Joe stemmt sich vehement gegen den Tod und steht nun vor der Aufgabe, Körper und Seele wieder zu vereinen. Doch dabei lernt er auch viel über sich selbst.

Kritik

Disney hat lange gehofft und abgewartet, dass der neuste Streich aus dem Hause Pixar eine Veröffentlichung in den weltweiten Kinos erleben darf, doch nachdem das mit der verheerenden Ausbreitung der Corona-Pandemie einen Riegel vorgeschoben bekommen hat, hat sich der Konzern entschieden, "Soul" auf dem hauseigenen Streamingdienst Disney+ zur Konsumierung freizugeben. Mit den ersten veröffentlichten kritischen Stimmen mehrten sich die unkenden Rufe, dass es schon gut sei, dass der Film es nie auf die große Leinwand geschafft hat. Das ist schon eine herbe Kritik, vor allem wenn man bedenkt, dass eigentlich alles glänzt, was Disney/Pixar anpacken. Deswegen war meine Neugier dementsprechend groß und im Nachklang kann ich schon verraten, dass "Soul" in der Tat sehr ungewöhnlich ist, aber das muss ja wahrlich nichts Schlechtes sein.

Wenn ich einer Kritik zu "Soul" zustimmen müsste, dann wäre es wohl der Punkt, dass dieser Animationsfilm sich definitiv nicht an die jüngste Zielgruppe wendet. Inhaltlich geht es um eine ganz individuelle Vorstellung vom Jenseits und vom Davorseits, die man sicherlich nicht ohne thematische Vorbereitung einem jungen Publikum vorsetzen kann. Insgesamt merkt man eine sehr individuelle philosophische Auseinandersetzung zum Sinn des Todes, zu Seelen. Es wird auf eine religiöse Auseinandersetzung verzichtet, wie gesagt, eine ganz eigenständige Version mit der Suche nach dem Sinn des Lebens. Das bringt stellenweise eine nicht zu unterschätzende Komplexität mit sich, die auch noch einmal unterstreicht, dass sich "Soul" wohl tatsächlich erst an ein jugendliches Publikum und aufwärts richtet. Einzig Seele 22, die in ihrem Auftreten oft an ein bockiges Kind erinnert, das seinen eigenen Kopf durchsetzen muss, ist für viele herzliche Lacher zuständig, die wohl überall sehr gut ankommen dürften.

Sehr gewöhnungsbedürftig war für mich persönlich die optische Gestaltung des Davorseits. Es wird zwar mit schönen Farben gearbeitet, aber klare Formen werden zugunsten von schattenhaft wirkenden Gestalten aufgegeben. Damit soll natürlich ein deutlicher Kontrast zur Körperlichkeit abgebildet werden, aber es war dennoch sehr ungewöhnlich. Schon bei "Alles steht Kopf" ist ähnlich gearbeitet worden, um den Basisemotionen Freude, Kummer, Angst, Wut und Ekel eine Gestalt zu geben, aber hier fließt alles optisch noch mehr aneinander, was manchmal die Unterscheidung erschwert, was aber atmosphärisch den Inhalt des Films definitiv passend aufgreift. Und es ist für mich bislang völlig neu, so etwas schon mal gesehen zu haben. Auch wenn diese zügellose Fantasie nicht meinem eigenen Wesen entspricht, so kann ich wohl kaum aberkennen, dass hier sinnbildlich alles wie aus einem Guss ist. So ist hier auch passenderweise die philosophische Auseinandersetzung mit dem Leben sehr dominant. Das wird besonders durch den Gegensatz von Joe und 22 unterstreichen, denn er will unbedingt auf die Erde, um endlich seinen Traum leben zu können, während 22 sich bislang noch immer verweigert hat, einem Körper zugeordnet zu werden. Wenn diese beiden also aufeinandertreffen, wird unweigerlich klar, dass sie sich gegenseitig in ihrem Denken beeinflussen werden und dieser Prozess wird einfühlsam beleuchtet.

Letztlich landen Joe und 22 durch ein Missverständnis gemeinsam auf der Erde, doch nicht in den gewünschten Körpern. Während Joe nun im Körper einer Katze steckt, hat 22 dessen Körper abbekommen. Hier setzt nun thematisch und optisch ein ziemliches Kontrastprogramm ein, denn Körpertausch ist ein beliebtes Motiv von Komödien und hat deutlich den Wunsch, das Publikum zu unterhalten, aber weniger es zum Nachdenken anzuregen. Nach der bis dato eher dahingleitenden Filmhandlung, die für Disney völlig neu ist, wird es nun wieder deutlich hektischer. So bin ich Filme von Pixar gewohnt, so liebe ich sie und dennoch ist es schon überraschend, wie wenig diese beiden Seiten des Films zusammenzupassen scheinen. Wahrscheinlich ist es so aber doch der geschicktere Weg, denn ein rein experimenteller Film hätte es vielleicht nie zur Veröffentlichung geschafft. Zudem muss man sagen, dass die Botschaft des Films und die angeregten philosophischen Fragen des Lebens damit nicht torpediert werden. Am Ende führt alles auf eine Lösung hin, die man sich so hätte denken können, weil sie lebensbejahend ist und damit zur typischen Disney-Botschaft passt. Aber es ist okay, dass hier alles mehr denn je in Frage gestellt worden ist.

"Soul" hat sich auch dafür feiern lassen, auf der Erde ausschließlich schwarze Figuren darzustellen und dafür auch auf einen entsprechenden Sprechcast zurückgegriffen zu haben. Insgesamt wird durch die hohen erzählerischen Anteile im Davorseits aber nicht ausgiebig die afroamerikanische Lebenswelt abgebildet. Sie wird aber vor allem mit der Liebe zum Jazz abgebildet. Am Film haben dementsprechend unheimlich viele Berater*innen mitgewirkt. Das ist definitiv ein richtiges Zeichen, aber völlig überzeugend ist es mit der inhaltlichen Ausrichtung von "Soul" eher nicht getroffen.

Abschließend möchte ich noch ein paar allgemeine Worte fallen lassen. Nicht jede Neuveröffentlichung aus dem Hause Disney kann das nächste "Der König der Löwen" oder "Die Eiskönigin" werden, dafür ist der Markt aktuell auch viel zu sehr übersättigt. Dennoch finde ich es angesichts des kürzlichen Trends bei Disney, alte Stoffe in Form von Live-Action-Filmen neu aufzulegen, spannend und wichtig, wenn mit "Soul" ein eher ungewöhnlicher Animationsfilm um die Ecke kommt. Er mag eher Nischen bedienen, eher etwas zu 'erwachsen' wirken, aber gleichzeitig ist es auch ein Lebenszeichen, das beweist, dass mit Disney immer zu rechnen sein wird, selbst wenn es zwischendurch mal zu eintönig wirken sollte. Experimentierfreudigkeit sollte jedenfalls nie gleich ein vernichtendes Urteil mit sich bringen.

Fazit

"Soul" ist für Disney/Pixar ein wahrlich ungewöhnlicher Animationsfilm, aber einer mit einer Botschaft, die umso lauter wahrzunehmen ist. Denn der Konzern hat sich in den letzten Jahren oft in Gleichmacherei und Neuauflegerei verloren, da ist ein experimentierfreudiger Film wie "Soul" sicherlich ein Zeichen zur rechten Zeit. Und dann ist es auch in Ordnung, dass sich der Film wegen vieles philosophischer Lebensfragen tendenziell eher an ein erwachsenes Zielpublikum richtet. Denn bekanntlich sind nicht nur die Kinder und die Jugend bekennende Disney-Zuschauer, sondern auch Erwachsene, die damit groß geworden sind. So konkret mal einen Film an sie zu richten, ist richtig, man muss sich dann eben nur darauf einlassen können.

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Lena Donth - myFanbase
11.07.2021

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