Bewertung
Adam McKay

Vice - Der zweite Mann

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Inhalt

1963 war Dick Cheney (Christian Bale) ein einfacher Arbeiter, doch nur wenige Jahre später geht er in die Politik. Er hat ein Händchen dafür und steigt während der Ära Nixon und Ford auf. Schließlich wird Cheney an der Seite von George W. Bush (Sam Rockwell) zum Vizepräsidenten und handhabt mehr des außenpolitischen Geschehens, als es für einen Mann in seiner Position üblich ist. Auch bei den Anschlägen am 11.September 2001 trägt Dick einen Großteil der Entscheidungsgewalt.

Kritik

Die zentrale Figur des Filmes ist Dick Cheney, der wohl mächtigste und zum Ende seiner Amtszeit hin unbeliebteste Vizepräsident der Vereinigten Staaten. Ich muss gestehen, dass mir sein Name zuvor kein Begriff war, denn während seiner Amtszeit habe ich mich nicht großartig mit dem politischen Machtspielchen Amerikas befasst. Umso interessanter fand ich "Vize - Der zweite Mann", denn er beleuchtet den ehemaligen Vizepräsidenten von vielen Seiten und so kann man sich zum Ende hin nicht entscheiden, ob man nun pro oder kontra Cheney ist.

Den ersten Blick auf Cheney - abgesehen von einer kleinen Alkoholeskapade - erhält der Zuschauer im Rahmen der Anschläge von 9/11. Die Attacke auf das World Trade Center ist jedes Mal wieder ein Aufhänger, der das Publikum in seinen Bann zieht und so verfehlt er auch bei "Vice - Der zweite Mann" seine Wirkung nicht. Auch in den darauf folgenden Jahren orientiert der Film sich an wichtigen Begebenheiten, in die Cheney verwickelt war und sorgt durch den Einbau von Originalaufnahmen dafür, dass der Zuschauer sich fühlt, als wäre er mitten im Geschehen.

Nicht weniger authentisch wirkt die Figur des Dick Cheney selbst und man muss Christian Bale einfach zu seiner Performance gratulieren. Es ist nicht nur die Arbeit der Maske, durch die der Schauspieler vollkommen verwandelt wirkt, auch seine Ausstrahlung passt wie die Faust aufs Auge zu der Persönlichkeit, die er für die Kamera mimt. Besonders eindrucksvoll finde ich bei der Erzählung von Cheneys Werdegang den großen Fokus auf seine Familie. Durch den stetigen Rückhalt seiner Frau Lynne und das gute Verhältnis zu seinen beiden Töchtern schließt man die Figur des zukünftigen Vizepräsidenten in den Rückblicken ins Herz. Cheney scheint kein eiskalter Politiker zu sein, der für Ruhm und Ehre über Leichen geht. Genau dieses Bild wird auch unterstrichen, als man nach nicht einmal der Hälfte des Filmes einen vorzeitigen Abspann ablaufen lässt und den Zuschauer kurz zweifeln lässt, ob es hier wirklich ein Ende wie im Märchen à la "...und sie lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage..." gibt. Erst nachdem man uns die weiche Seite Cheneys gezeigt hat, beginnt man, den gerissenen Politiker in ihm hervorzukehren. Dabei wirkt Cheney zu keinem Zeitpunkt manipulativ, viel mehr weiß er ganz genau, welche Knöpfe er bei George W. Bush drücken muss, um das Geschehen in die gewünschte Richtung zu lenken.

Je näher man dem Ende des Filmes kommt, desto mehr fragt man sich, welche Botschaft der Film erzählen will. Ist es eine Retrospektive auf das Leben des Dick Cheney? Oder will man gar eine Debatte darüber in Gang bringen, wer nun wirklich an der Macht war, Cheney oder Bush? Zum Ende hin wandelt sich das Bild von Cheney immer mehr, denn der liebende Familienvater rückt in den Hintergrund, während seine politischen Machenschaften immer mehr Raum einnehmen. Es ist irgendwann nur noch eine Aufzählung von bedeutenden und zum Teil grausamen und sehr fragwürdigen politischen Entscheidungen, die Cheney getroffen hat und durch die viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Ist der Film nun also eine Hetzjagd auf den Vizepräsidenten? Denn genau so wie man Cheney zum Schluss in einem anderen Licht sieht, fragt man sich auch, wie wenig Bush scheinbar mit der Politik Amerikas zu seinem Amtszeit zu schaffen hatte. Die Verkörperung des George W. Bush durch Sam Rockwell hat mir dabei sehr gut gefallen, auch wenn ich den Präsidenten noch nie aus dieser Perspektive betrachtet habe. Man stellt Bush als politischen Emporkömmling dar, der es lediglich seinem Vater recht machen will und dem die Rolle des Präsidenten eine Nummer zu groß zu sein scheint. Bereitwillig tritt er umfangreiche Befugnisse an Cheney ab und wenn man sich nicht gut mit der Legislaturperiode der beiden auskennt, kann man nicht anders, als sich über die Zurückhaltung Bushs zu wundern. Unterschwellig fragt man sich nun, wie viel Wahrheitsgehalt der Film tatsächlich hat, denn eine gewisse komödiantische Aura bleibt ihm stets erhalten. So beginnt man schon den Prolog sehr flapsig und auch das Schicksal von Kurt hat eine ironische Note.

Neben Bale und Rockwell verkörpert auch Amy Adams ihre Rolle mit Bravour. Es macht die ganze Zeit über großen Spaß zu erleben, wie die Schauspieler das Beste auseinander hervor kitzeln. Zudem erschien mir der Film trotz seiner beträchtlichen Laufzeit nicht als langatmig. Jeder Schritt, den Cheney auf seinen Weg tat und der dem Zuschauer gezeigt wird, war nötig, um das Gesamtbild des umstrittenen Politikers zu malen.

Fazit

Hauptfigur Dick Cheney macht es dem Zuschauer schwer, ihn in eine Schublade einzuordnen, doch genau das macht den Reiz an "Vice - Der zweite Mann" aus. Spielerisch zeigt man uns das politische Wirrwarr während der Amtszeit von Vizepräsident Cheney, mit dem Blick auf seine Familie bewahrt man jedoch stets seine hervorragenden menschlichen Qualitäten. Durch die überzeugende Leistung der im Fokus stehenden Hauptfiguren regt der Film dadurch genau so sehr zum Grübeln an, wie er zwischendurch ein Schmunzeln entlocken kann.

Marie Florschütz - myFanbase
05.02.2019

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