Bewertung
Henry LeRoy Finch

Wake - Totenwache

"Are you ready to pray?"

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Inhalt

Der Schriftsteller Sebastian Riven (Dihlon McManne) hat in Anbetracht des bevorstehenden Todes der gemeinsamen Mutter (Muriel Kenderdine) seinen Bruder Kyle (Gale Harold) in sein Haus eingeladen. Er hat jedoch nicht damit gerechnet, dass sein zweiter Bruder Ray (Blake Gibbons), der gerade erst aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, ebenso dazu stößt, sowie sein dritter Bruder Jack (John Winthrop Philbrick), der kürzlich noch bei einer Sicherheitsfirma arbeitete, und Ray bei dessen Ausbruch half. Jack bringt zu seinem Besuch mit Dusty (Rainer Judd) und April (Dusty Paik) nicht zur zwei leichte Mädchen mit, sondern auch zwei Waffen. Das Aufeinandertreffen der vier Brüder, die sich teils mehrere Jahre nicht mehr gesehen haben, reißt so manche alte Wunden wieder auf und sorgt in Verbindung mit Alkohol, Pillen und den Waffen für eine explosive Mischung.

Kritik

Martin Landau, der für seine Rolle in Tim Burtons "Ed Wood" völlig verdient mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, ist der Schwiegervater von Regisseur Henry LeRoy Finch und der Vater von Produzentin Susan Landau Finch. Da es natürlich gewisse Vorteile hat, einen derart bekannten (Schwieger-)Vater zu haben, wurde Martin Landau kurzerhand zur älteren Version von Sebastian, eben jenem Schriftsteller, der einige Jahre zuvor seinen Bruder Kyle einlud und nicht einmal ansatzweise ahnte, was ihm da mit der Ankunft seiner zwei anderen Brüder bevorsteht. Es gibt mehrere Fragen, die man sich stellt, nachdem man "Wake" aus dem Jahre 2003 gesehen hat. Eine durchaus berechtigte ist zum Beispiel, warum um alles in der Welt sich Martin Landau mit seinem guten Namen dafür her gab, nur weil er mit den Verantwortlichen des Films eine familiäre Beziehung pflegt. Dabei ist "Wake" mitnichten das schlechteste Werk eines Regisseurs, das man je gesehen hätte. Die Ambition, ein Kammerspiel rund um eine zerrüttete Familie aufzuziehen, ist zunächst einmal ja durchaus lobenswert. Aber es mangelt an der Ausführung, und zwar an allen Ecken und Enden.

Der größte Minuspunkt sind hierbei sicherlich die einzelnen Charaktere. Während Gale Harold ("The Secret Circle", "Queer as Folk"), der neben Landau wohl namhafteste Darsteller, mit der zurückhaltend-depressiven Art einen interessanten Kontrast zu seinen anderen, allesamt älteren Brüdern darstellt und vereinzelt auch tatsächlich mehr tun kann als mit offenem Mund durch die Gegend zu starren, sind die anderen Brüder ein Reinfall nach dem anderen. Blake Gibbons als Raymond ist so zum Beispiel einer der eindimensionalsten Redneck-Ganoven mit aufbrausendem Temperament, den man sich vorstellen kann. Wenn er nicht um die Gegend schreit oder sich besäuft, beendet er jeden gesprochenen Satz mit einem "man" oder benutzt eine sehr überschaubare Anzahl an Abwandlungen des Wortes "fuck". Nicht ein einziges Mal hat man als Zuschauer tatsächlich das Gefühl, es hier mit einem menschlichen Wesen zu tun zu haben, bei dem es sich lohnt, Interesse für ihn aufzubringen. Es ist anscheinend auch vollkommen egal, dass er gerade eine fünfjährige Haftstrafe früher beendet hat, als dies das Gefängnis vorgehabt hat. Denn irgendeine charakterliche Änderung, die dieser tiefe Einschnitt in sein bisheriges Leben zweifellos gehabt haben muss, ist nicht zu erkennen. Es wird schlichtweg kein Anhaltspunkt dafür gegeben, dass man es auch wirklich mit einem erwachsenen Menschen zu tun hat, der verantwortungsvolle Entscheidungen treffen kann.

Jack ist im Grunde kaum besser, auch wenn er weniger draufgängerisch ist, aber irgendwie trotzdem ungemein gern mit den ganz Großen mitstinken möchte. Und wenn er erst dann genug Aufmerksamkeit erhält, wenn er jeweils zwei Waffen und Nutten mitbringt, dann ist das eben so. Wirklich mehr erfährt man über Jack eigentlich nicht. Aber er ist ohnehin nur deswegen Teil der Story, weil er die eigentlich interessanten Dinge für die Party, die eigentlich gar keine sein sollte, zur Verfügung stellt. Und Sebastian? Der sollte eigentlich so etwas wie derjenige sein, der das Ganze zusammenhält und nach vorne treibt. Mal abgesehen davon, dass er mal so eben seiner Mutter Sterbehilfe leisten möchte. Eigentlich wären genug Zutaten da, um aus ihm eine interessante Figur zu machen. Stattdessen verkommt er viel zu oft zur teilnahmslosen Randerscheinung, die auf der einen Seite die sich abzeichnende Eskalation verhindern möchte, auf der anderen Seite aber deutlich zu wenig tut, damit dies auch gelingen kann. Und warum, um Gottes Willen, macht man nicht mehr aus dem Thema Sterbehilfe als eine Szene, die weder gut inszeniert noch gespielt ist?

Die Verbindung der Brüder untereinander wird hier und da angedeutet und durch Flashbacks angereichert, die kinematographisch nie wirklich überzeugen und viel zu verspielt wirken. Die Herangehensweise ist durchaus richtig und kann den Charakteren zu mehr Profil verhelfen, im vorliegenden Fall versäumt es Finch aber, den unter der Oberfläche schwelenden Konflikt damit in Verbindung zu bringen. Und so sind die Brüder am Ende viel (eindimensional, unsympathisch, laut, nervtötend), aber definitiv nicht gut gezeichnet/geschrieben. Warum aber sollte man sich eineinhalb Stunden eines Familienstreits antun, wenn einen die Charaktere nicht interessieren? Wenn die Hintergrundinformationen viel zu spärlich sind, um ihnen genug Profil zu verleihen? Ein Kammerspiel muss ja gar nicht mal unbedingt eine ausführliche Charakterstudie sein. "Der Gott des Gemetzels" hat in jüngster Vergangenheit sehr überzeugend bewiesen, dass es ja nicht mal zwingend eine Hintergrundgeschichte braucht. Aber dort waren die Dialoge dann eben auch so geartet, dass sie unheimlich viel über die einzelnen Figuren verraten haben. Das fehlt bei "Wake" vollkommen. Darüber hinaus sind, anders als bei Roman Polanskis letztem Film, die Dialoge hölzern und die Gespräche oberflächlich. Statt geistreicher Unterhaltungen, die einen gewissen Mehrwert darstellen, wird lieber einander in unterschiedlichsten Konstellationen angeschrien und eine hohle Äußerung nach der anderen von sich gegeben, um die Schwächen im Drehbuch zu offenbaren.

Fazit

Die Prämisse ist interessant und auch sonst scheint der Grundstein gelegt für einen zumindest erträglichen Indie-Film. Spätestens mit dem Eintreffen des letzten Bruders offenbart sich jedoch, dass mangelhafte Charakterzeichnung gepaart mit hölzernen Dialogen und einer allgemeinen Oberflächlichkeit jede noch so gute Idee kaputt machen kann. Da kann auch ein bemühter Gale Harold nichts ausrichten. Es ist wahrlich nicht verwunderlich, dass außer ihm (und natürlich Martin Landau) später kein an "Wake" Beteiligter mehr im TV- und Filmgeschäft von sich reden machte.

Andreas K. - myFanbase
12.01.2012

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