Bewertung
Roman Polanski

Gott des Gemetzels, Der

"Mein Sohn hat Ihren Sohn nicht entstellt!"

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Inhalt

Im Park geraten zwei elfjährige Jungen in einen Streit, wobei der eine dem anderen mit einem Stock ins Gesicht schlägt. Nancy (Kate Winslet) und Alan Cowan (Christoph Waltz) sind entsetzt, dass ihr Sohn zu so einer Tat fähig ist und auch Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly) sind geschockt, als ihr Sohn mit zwei ausgeschlagenen Zähnen nach Hause kommt. Daraufhin entschließen die Eltern beider Kinder, sich bei den Longstreets zu treffen und den Streit untereinander zu schlichten. Man findet schnell und zivilisiert eine Lösung und als die Cowans schon fast zur Tür hinaus sind, lassen sie sich noch auf einen Kaffe ein. So kommen die Paare weiter ins Gespräch und als die Schlägerei wieder aufgegriffen wird, kommt es zu leichten Streitpunkten. Als Michael den Scotch auspackt, eskaliert die Situation, denn bald steht Aussage gegen Aussage und plötzlich beschuldigen sich die Paare nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander fliegen die Fetzen.

Kritik

Aufsehen ist vorprogrammiert. Der sehr in Kritik geratene Roman Polanski ist unwiderstreitbar ein genialer Regisseur, der filmische Herausforderungen mit Bravour meistert. So auch in "Der Gott des Gemetzels", dessen Vorbild das gleichnamige Theaterstück der französischen Dramaturgin Yasmina Reza aus dem Jahr 2006 ist. Polanski hat quasi das gesamte Stück eins zu eins auf die Leinwand übertragen. Wie das wohl bei den Zuschauern ankommen mag? Es ist gewiss kein gewöhnlicher Film. In einer Art Kammerspiel betrachtet man 80 Minuten lang vier Protagonisten, die sich um Gott und die Welt streiten. Nach einer Art Vorgeschichte ist man jedoch mittendrin im Geschehen und kann sich dem Rosenkrieg zwischen den Longstreets und Cowens nicht mehr entziehen.

Die Basis des Films sind die vier genial ausgearbeiteten Charaktere. Man merkt sehr schnell, was für ein Typ Mensch sie sind. Während Michael die Situation stets zu schlichten versucht und sich am Ende nicht mehr zurückhalten kann, ist seine Frau Penelope für Kultur und Zivilisation, die schon fast therapeutisch an die Problemlösung herangehen möchte. Die Cowans dagegen möchten so schnell wie möglich die Wohnung wieder verlassen. So zeigt sich Nancy zuerst kooperativ und Alan wenig interessiert am Geschehen. Doch als die Vorwürfe gegen ihren Sohn zunehmen, versteckt sich Alan hinter der Maske der Ironie, während Nancy ihren ruhigen Schein nicht länger bewahren kann. Vier unterschiedliche Weltanschauungen prallen im Wohnzimmer der Longstreets aufeinander.

Das Tolle dabei ist, dass man sich in jede Ansicht hineinversetzen kann. An und für sich kann man allen vieren Recht zuschreiben und besonders die erwachsenen Zuschauer werden sich in vielen Situationen wiederfinden können. Die Charaktere sind zweifellos gelungen, spiegeln die Realität wieder und üben vor allem Sozialkritik aus. Sind es nicht die Eltern, die rational handeln und ihre Kinder erziehen sollen? "Der Gott des Gemetzels" stellt die menschliche Vernunft in Frage und zeigt sehr anschaulich und stets nachvollziehbar, wie vier anfangs verhaltene Menschen in reinstes Chaos stürzen können. Zunächst halten die Ehepaare wie Pech und Schwefel zusammen, doch als die Situation eskaliert, werden auch die Ehen auf die Probe gestellt. Vom Geschlechterkampf bis zum Ehekrieg ist hier nämlich alles vertreten und wie aus Zivilisation ein Affentheater werden kann, ist Roman Polanski mehr als gelungen.

Und wie könnte man solch eine Situation besser veranschaulichen, als alles ins Lächerliche zu ziehen? Auch hier beweist der Regisseur sein Talent für perfekten Wortwitz, der wirklich jeden Zuschauer erreicht. Solch ein brillantes Feuerwerk an spitzen und immer treffenden Wortduellen habe ich selten gesehen. Man kann sich nicht mehr halten vor Lachen, denn die gut portionierten Gags kommen stets an der richtigen Stelle. Was hier an Dialogen geboten wird, ist erstklassig. Wie heißt es so schön? In jedem von uns steckt der Gott des Gemetzels und das bringt der Film herrlich pointiert zum Ausdruck.

Dazu tragen nicht nur die ausgeklügelten Charaktere, sondern auch deren großartige Darsteller bei. Jodie Foster bietet philosophische Höchstleistungen, Christoph Waltz ist die Ironie höchstpersönlich, Kate Winslet brilliert mit einer unvergesslichen Szene und John C. Reilly hilft mit vielen Versöhnungsversuchen und Scotch zur endgültigen Katastrophe bei. Es ist ein schauspielerisches Spektakel mit vier ebenbürtigen Stars, die ihre Rollen eindrucksvoll und mit Leichtigkeit darstellen.

Und doch birgt "Der Gott des Gemetzels" mit seiner Darbietung eine kleine Gefahr mit sich. Man wird an einigen Stellen das Gefühl nicht los, im Theater zu sitzen und so fühlt man sich von der monotonen Kulisse etwas eingeengt und ertappt sich dabei, sich zu wünschen, dass das Paar Cowan endlich die Wohnung verlässt, um den Streit woanders fortzuführen. Es ist nun mal doch ein Kinofilm und kein Theaterstück und daher auf die Dauer etwas anstrengend, wenn die zwei Paare ihre philosophischen Ansichten vertreten. Deshalb ist es verständlich, dass der Film eine Länge von nur 80 Minuten aufweist, denn alles andere wäre dann doch zu viel des Guten gewesen.

Fazit

Ein Film wie im Theater und so war es von Anfang an von Roman Polanski gedacht. "Der Gott des Gemetzels" ist herrlich amüsant wie lehrreich und profitiert von vier hervorragenden Darstellern, die ihre Protagonisten mit spitzfündiger Selbstironie faszinierend auf die Leinwand projizieren.

Tanya Sarikaya - myFanbase
03.12.2011

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