Bewertung
Bennett Miller

Kunst zu gewinnen, Die - Moneyball

"I hate losing more than I love winning."

Foto: Copyright: Sony Pictures Releasing GmbH
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Inhalt

Billy Beane (Brad Pitt), General Manager des Baseballteams der Oakland Athletics, verliert gegen einen bitteren Rivalen und muss zur neuen Saison auch noch den Verkauf von drei Schlüsselspielern verkraften. Mit dem Ausblick auf eine Spielzeit, die aller Voraussicht nach erfolgloser sein wird als die vorherige, kommt ihm die Erleuchtung: All das, woran Trainer, Scouts und Co. bisher geglaubt haben, ist falsch. Sie lassen sich von Emotionen, Intuition und irrelevanten Nebenkriegsschauplätzen leiten und handeln selten auf Basis handfester Fakten. In Peter Brand (Jonah Hill), einem Absolventen der hochangesehenen Yale Universität, findet Beane einen Verbündeten und begeisterten Statistiker. Gegen viele Widerstände, insbesondere auch denen des Trainers der Oakland A's, Art Howe (Philip Seymour Hoffman), entwickeln Beane und Brand ein komplett neues Verständnis von Baseball, um mit den zahlreichen reicheren Clubs mithalten zu können.

Kritik

"Die Kunst zu gewinnen – Moneyball" (bzw. im Original schlicht "Moneyball"), basierend auf dem Buch "Moneyball: The Art of Winning an Unfair Game" von Michael Lewis aus dem Jahr 2003, behandelt mit Baseball eine Sportart, die sich in den USA, Mittelamerika und Asien großer Beliebtheit erfreut. In Deutschland fristet Baseball weiterhin eher ein Dasein als Rand- bzw. Nischensportart. Dennoch spricht der neue Film von Bennett Miller, der 2005 bei "Capote" Regie führte, wofür Philip Seymour Hoffman als exzentrischer Schriftsteller Truman Capote seinen wohlverdienten Oscar erhielt, auch all diejenigen an, die vom Sport Baseball nur sehr oberflächliche Kenntnis haben. Auch wenn allein von der Thematik her ein wüster Datenfriedhof, mit dem der Zuschauer gelangweilt wird, gar nicht mal so abwegig gewesen wäre (und bei einem unerfahrenen Regisseur auch wahrscheinlich), hält sich Miller gar nicht allzu sehr mit den unzähligen Statistiken auf, anhand derer seine Hauptcharaktere Situationen beurteilen und darauf reagieren. Stattdessen vermengt er zahlreiche Elemente miteinander, die dafür sorgen, dass das Publikum trotz eventuell kaum vorhandenem Fachwissen den Einstieg in den Film sofort findet.

Zunächst wäre da natürlich Hauptdarsteller und Produzent Brad Pitt, der in den vergangenen Jahren ein auffällig gutes Händchen bei der Wahl seiner Filme hatte und immer noch als Publikumsmagnet gilt. Als charismatischer General Manager mit Vision hat er sofort die Sympathien für sich, was glücklicherweise aber nicht bedeutet, dass Billy Beane als Mensch ohne Fehler dargestellt wird, denn das würde einer ziemlichen Verklärung der eigentlichen Ereignisse nahe kommen. Vielmehr kann man sich mit dem Ziel, das er sich gesetzt hat, identifizieren. Seine Methoden, wie unter anderem möglichst wenig mit den Spielern des Teams zu interagieren, damit er sie später leichter verkaufen kann, sind vereinzelt zumindest diskutabel. Zudem erhält Beane eine eigene Storyline, die parallel zu dem Geschehen rund um die Oakland A's thematisiert wird und ihn dadurch mehrdimensional wirken lässt. Seine eigene Vergangenheit, als kommender Baseball-Allstar gehandelt und nie den Erwartungen, die an ihn gestellt wurden, gerecht geworden, zeigt, weswegen Beane später nicht allzu viel auf das Bauchgefühl von Scouts gibt und weswegen er fest entschlossen ist, das bisher bestehende System in seinen Grundfesten zu erschüttern.

Kritik am Status Quo ist ein weiterer Aspekt, der einem Film immer gut zu Gesicht steht, wenn eben jene auf ansprechende Weise und durchdacht vorgebracht wird. Es gibt zahlreiche Gründe, weswegen die Oakland A's mit der Vorgehensweise von Beane und Brand Erfolg hatten. Diese bestehen aus Daten und Fakten, anhand derer objektiv beurteilt werden kann, wer ein guter und wer ein schlechter Spieler ist, und welcher Spieler in welcher Situation der geeignetste ist. Vorher hat man sich gegen Spieler entschieden, weil sie den Ball von weit unten warfen und dadurch "komisch" aussahen, weil sie eine höchstens mittelprächtig aussehende Freundin hatten (was, so die verquere Logik, für ein mangelndes Selbstbewusstsein des Spielers spräche) oder sie ein ausschweifendes Privatleben pflegten. Mit der Vorgehensweise, dieses altbackene System reformieren zu wollen und dafür jegliche Widerstände zu ignorieren, kann sich der Zuschauer sofort identifizieren. Wie sich in der Realität übrigens herausstellt, ist die federführend durch Beane eingeführte neue Herangehensweise überaus erfolgreich. So erfolgreich, dass zahlreiche Teams sie kopiert haben, wie unter anderem die Boston Red Sox, die 2004 dadurch die World Series nach einer 86-jährigen Durststrecke gewannen.

Dazu kommt das allseits beliebte Underdog-Motiv. Die Oakland A's weisen zu Anfang des Films ein Budget auf, das einem Drittel dessen entspricht, was große Clubs wie die New York Yankees jährlich zur Verfügung haben. Somit hat der Versuch von Beane, ein auf dieser Basis unfaires Spiel durch eine innovative Vorgehensweise etwas fairer zu machen, schon fast Klassenkampfcharakter. Zudem hat die Romantisierung des Sports Baseball durchaus einen gewissen Charme. Man kann tatsächlich nachvollziehen, weshalb jemand sein komplettes Leben einer Sportart widmen kann und dabei pro Tag mitunter tausende Daten analysiert. Natürlich wird hierbei auch eine gewisse Idealisierung vorgenommen, die es so schlichtweg nicht gibt, aber das liegt wohl in der Natur der Sache.

Jonah Hill, bisher als der, pardon, witzige Fettsack in Komödien bekannt, überzeugt in einer für ihn eher ungewohnten Rolle auf ganzer Linie. Er spielt das zurückhaltende Wunderkind mit einem Faible für Statistik absolut überzeugend. Selbst wenn von ihm keine große Variation an Emotionen abverlangt wird, so ist die Art und Weise, wie er in seinem Charakter voll und ganz aufgeht, wahrlich beeindruckend. Zudem hat er eine ganz wunderbare Chemie mit Brad Pitt und sorgt für einen sehr angenehmen, subtilen Humor. Bei der Figur des Peter Brand verlässt man dann zwar ein wenig die reale Vorlage, denn in dieser Form gab es in ihn nicht: Er basiert vielmehr auf Paul DePodestra mit einigen Anpassungen, damit er eine prominentere Rolle im Film einnehmen kann. Aber Aaron Sorkin ("The West Wing"), der bei der vergangenen Oscar-Verleihung die begehrte Trophäe für "The Social Network" gewann, und durch seine Arbeit am Drehbuch maßgeblich an der Entstehung Peter Brands beteiligt ist, hat damit einen absolut richtigen Riecher bewiesen, denn Brand ist eine wahre Bereicherung für den gesamten Film. Auch sonst besticht das Drehbuch, wie von Sorkin gewohnt, durch eine intelligente Handlung und geistreiche Dialoge.

Die Rolle des Art Howe, dargestellt von Philip Seymour Hoffman, der bekanntlich nur beste Erfahrungen mit Regisseur Bennett Miller gemacht hat, ist aus Gründen der besseren Dramatisierung wohl auch so manchen Änderungen im Vergleich zum realen Vorbild unterworfen gewesen. Er ist die Personifizierung des alten, des überholten Systems. Er stellt so auf, wie er es für richtig hält, und nicht so, wie es Beane ihm anhand der Statistik rät. Daher geraten sie nicht nur einmal aneinander und befinden sich im Grunde im Dauerclinch. Der echte Art Howe ist mit der Art und Weise, wie dickköpfig, reaktionär und unverbesserlich seine Filmfigur geworden ist, daher verständlicherweise ganz und gar nicht zufrieden. Hoffman selbst, sicherlich einer der besten Schauspieler unserer Zeit, schafft es dennoch, aus einem eher eindimensional angelegten Charakter alles herauszuholen, und so wirkt Howe überraschend facettenreich. Zudem ist es geradezu faszinierend, dass jemand, der sich in so schöner Regelmäßigkeit mit der Hauptfigur zofft, eine derart tolle Chemie mit ihr haben kann, sodass man sich schon regelrecht auf die gemeinsamen Szenen freut.

Fazit

Am Ende ist aus "Moneyball" so viel mehr geworden als eine simple Abhandlung über zwei Menschen mit einem Faible für Zahlen. Das liegt zum einen am hervorragenden Drehbuch, das aus vermeintlich ödem Stoff ein waschechtes Sportdrama gemacht hat, zum anderen sind die Darsteller, allen voran Brad Pitt und Jonah Hill, wichtige Säulen, ohne die der Film nicht funktioniert hätte. Indem auf recht simple Weise von Anfang an das Interesse des Zuschauers geweckt wird, ist "Moneyball" von der ersten Minute an intelligente und spannende Unterhaltung, die sofort in den Bann zieht, unabhängig davon, ob man mit Baseball etwas anfangen kann oder nicht.

Andreas K. - myFanbase
28.12.2011

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