Bewertung
Matthias Glasner

This is Love

"Es wurden Grenzen überschritten, hinter denen Abgründe lauern. Aus denen können wir jetzt nicht einfach wieder hervorkriechen. Der Mensch hat nur bedingt Kraft, irgendwann geht bei jedem einmal die Luft aus."

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Inhalt

Es war ein ganz normaler Tag, als vor 16 Jahren der Mann von Maggie (Corinna Harfouch) ohne einen Zettel oder eine Nachricht verschwand. Die Mutter einer Tochter ist seither alleine und trauert ihrem Mann auch heute noch nach. Der Alkohol ist für die Polizistin zum ständigen Begleiter geworden und hat auch die Beziehung zu ihrer Tochter beinahe zerstört. Auch Chris (Jens Albinus) und Holger (Jürgen Vogel) haben so ihre Probleme, wollten sie doch ein Mädchen aus Vietnam ins Land schmuggeln, um sie hier an Adoptiveltern zu verkaufen. Doch das geht nicht unbedingt gut und schon bald lernen sie Polizistin Maggie kennen. Für alle Beteiligten eine Begegnung, die ihr Leben verändert.

Kritik

"This is Love" heißt der verheißungsvolle Titel dieses Filmes. Doch was ist denn Liebe wirklich? Ist es die Liebe eines erwachsenen Mannes zu einem Kind, die einer Ehefrau zu ihrem seit 16 Jahren vermissten Mann, oder die eines Polizisten zu seiner Kollegin? Eine Antwort bekommt man auch in knapp 100 Minuten Film nicht.

Es beginnt bei Maggie, die seit geschlagenen 16 Jahren ihren Mann vermisst, seit dieser plötzlich aus ihrem Leben verschwand. Sie sah ihn noch einmal, Jahre später, und weiß so, dass er freiwillig gegangen sein muss. Auch dieses Wissen hat sie schließlich in den Alkohol getrieben, von dem sie sich auch jetzt nicht mehr entfernen möchte. Maggie ist gefangen in ihrem Leben und schafft es trotzdem, weiterhin als Polizistin zu arbeiten. Auch Chris ist Gefangener – gefangen in seiner Liebe zu Kindern. Obwohl er diese Liebe nicht auslebt, macht sie ihn fertig und vielleicht auch deswegen befreit er mit einem Kumpel illegal zur Prostitution gezwungene Kinder in Vietnam und schmuggelt sie nach Europa, wo sie an verzweifelte Paare verkauft werden, die sich nichts mehr wünschen als ein Kind. Ein solches Kind ist Jenjira, die in Vietnam arbeitete, bevor sie mit Holger und Chris nach Deutschland kam.

Im Jahr 2006 schaffte es Matthias Glasner mit seinem Film "Der freie Wille" viele Kritiker zu begeistern und zu verstören. In seinem Film stellte er mit Theo einen Vergewaltiger vor, der dem Zuschauer nach und nach trotzdem irgendwie sympathisch wird – obwohl er seine Lust auch vor der Kamera auslebte. Jürgen Vogel war in dem verstörenden Drama in Bestleistung zu sehen und wurde mit dem Silbernen Bären der Berlinale geehrt. Nun ist "This is Love" keineswegs wie "Der freie Wille", obwohl er mit Pädophilie, Alkoholismus und Kinderhandel eben auch Themen behandelt, die wohl nicht in jedem Film eine Rolle spielen.

Aber wie schon im Vorgänger schafft es Glasner auch hier, das Thema eindrucksvoll zu verpacken und macht es hier dem Zuschauer noch ein Stück leichter, den Hauptcharakter zu mögen, liebt dieser zwar sichtlich die junge Jenjira, lebt diese Liebe aber keineswegs aus. Auf der Flucht vor Gangstern und dem Jugendamt landet er irgendwann bei Polizistin Maggie, die zunächst wenig Interesse daran hat, sich Chris' Geschichte anzuhören. Der Verhörraum wird aber schließlich dennoch zur Basis des Films, von dem aus in Rückblenden die Geschichte der beiden erzählt wird. Und bald entsteht eine besondere Bindung, mit der es beiden gelingt, Vertrauen zu schaffen und gemeinsam die Geheimnisse ihrer Leben zu verarbeiten.

Alle Charaktere des Films sind davon zerfressen, was mit ihnen geschehen ist, oder welchem Schicksal sie erliegen. Maggie ebenso wie Chris, Maggies Kollege Roland (überzeugend: Devid Striesow) oder aber auch Maggies Tochter, die seit Jahren mit einer großen Lüge leben muss. Dabei wird aber vor allem Chris zum Sympathieträger des Films, weil er es als einziger schafft, sich ein kleines Stück Unschuld an allem, was geschieht, zu bewahren - neben Holger, der auch nicht davor zurückschreckt, sich von einer neunjährigen oral befriedigen zu lassen, sowieso, aber auch gegenüber den anderen Menschen in seiner Umgebung.

Wie schon in seinem Vorgängerfilm vertraut Glasner auch hier auf Jürgen Vogel, der als skrupelloser Komplize von Chris nicht unbedingt sympathisch wirkt und einmal mehr beweist, wie großartig er als Schauspieler ist – auch weil er sich hier gekonnt zurückzieht und Jens Albinus das Feld überlässt. Der Lars-von-Trier-erprobte Däne ("Idioten", "Dancer in the Dark") beweist einmal mehr sein großartiges Talent und überzeugt durchgehend in der Rolle des sensiblen Chris. Auch Corinna Harfouch überzeugt in ihrer Rolle und kann als Alkoholikerin ihr Talent einmal mehr zeigen.

Nicht nur durch das Drehbuch und seine herausragenden Darsteller überzeugt "This is Love", sondern auch mit dem unglaublichen Gespür von Kamerafrau Sonja Rom, die es schafft, ruhige Berührungen wie auch knallharte Schlägereien beinahe mühelos so auf die Leinwand zu bringen, dass es beim Zuschauer ankommt.

Fazit

"This is Love" ist großes deutsches Kino. Mit herausragenden Darstellern besetzt weiß der Film mit seiner Geschichte durchaus zu überzeugen, obwohl oder gerade weil er sich weit entfernt vom herkömmlichen Popcorn-Kino bewegt.

Eva Klose - myFanbase
30.05.2010

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