Bewertung

Review: #6.11 Unantastbar

Die sechste Staffel von "Chicago P.D." erweist sich bis hierher als bärenstark, da sie extrem viele private Geschichten in den Fokus nimmt, diese emotional auflädt und so die ZuschauerInnen begeistert. Zudem lässt sich bei den Geschichten ein hohes Maß an Selbstreflexivität erkennen, da viele ehemalige Entwicklungen noch einmal aufgegriffen werden, so dass sich ein wirklich rundes Bild ergibt. Die letzte Folge steht sehr exemplarisch für diese Beobachtungen und durch Hailey Upton, die sich ihre Gefühle für Adam Ruzek eingesteht und für eben diesen, der entgegen Hank Voights Rat den Kopf für Antonio Dawson hinhält, gab es schon wieder zwei Handlungsbögen, die die neue Episode herbeisehnen ließen.

Der Anfang der Folge setzt auch nahtlos an der vorherigen an, da Hank Adam zur Rede stellt, weil er die Verantwortung für Jason Rizzos Tod übernommen hat, obwohl Hank dies selbst als Leiter der Intelligence Unit übernehmen wollte. Später erfährt man noch, dass die Behörde COPA noch ermittelt, so dass Adam nun in der Warteschleife sitzt, was seine Karriere angeht. Die ganze restliche Folge über ist das Thema aber wie weggewischt und auch Haileys Gefühle für Adam spielen keine Rolle. Gerade jetzt, wo sie sich endlich klar geworden ist, dass es über eine Bettgeschichte längst hinaus ist, hätte ein klärendes Gespräch das Fanherz höher schlagen lassen, aber diese Szene bekommen wir nicht. Daher empfinde ich diese Folge als harten Bruch, da die eingeschlagenen Wege erstmal nicht gegangen werden, sondern es wurde der Pausenknopf gedrückt.

Diese Beobachtung überschattet auch die Rückkehr von Antonio. Zwar äußert er gegenüber Hank ein schlechtes Gewissen, dass Adam für ihn die Schuld übernommen hat, aber warum gibt es dann kein Gespräch zwischen diesen beiden? Nachdem sie doch gerade zur Beginn der Staffel immer wieder aneinandergeraten sind, wäre es in meinen Augen nur logisch gewesen, dass Antonio das Gespräch mit Adam sucht und ihm dankt, dass er trotz ihres schwierigen Verhältnisses für ihn eingestanden ist. Insgesamt kam mir Antonios Rückkehr auch zu früh vor, was für ein schneller Entzug war das denn bloß? Zudem rennt Antonio Verdächtigen wieder hinterher, als ob es die Schulterprobleme nie gegeben hätte, dabei wurde uns nie verraten, was damit überhaupt war. So steht etwas offen im Raum, ob die Schmerzen, die seine Pillensucht überhaupt erst verursacht haben, wirklich erledigt sind. Wenigstens macht man nicht direkt wieder auf heile Welt, da zumindest Kim Burgess noch deutlich Vorsicht walten lässt. Nachdem die Staffel uns bisher doch viele Partnermomente zwischen den beiden verwehrt hat, fand ich es schön zu sehen, wie selbstverständlich sie sich ihm annimmt und dass auch er ihre Art durchaus zu schätzen weiß. Ich hätte wirklich laut klatschen können, als Kim Antonio ein einkassiertes Drogenpäckchen abnimmt, weil sie ihm noch nicht traut, dass er dieses wirklich an die Asservatenkammer übergibt. Das ist genau das Verhalten, dass ich bei einem ehemaligen Abhängigen auch anbringen würde.

Die Verwicklung von Politik und Polizei begleitet uns schon die ganze Serie über, zu Beginn der sechsten Staffel wurde das Ganze noch einmal durch die Einführung von Deputy Superintendent Katherine Brennan forciert, die sich mehrmals in Hanks Arbeit eingemischt hat, weil ihr Chef, Superintendent Brian Kelton, als Bürgermeister kandidiert und sie die Polizeiarbeit daher ins rechte Licht gerückt haben wollte. Kelton sind wir bis zu dieser Folge nie begegnet, doch nun hat er seinen ersten Auftritt und schnell lässt sich erahnen, dass dies ein Mann ist, gegen den Brennan wirklich noch ein zahmes Kätzchen ist. Im Fall der Woche zeig sich schnell, dass Kelton mit einem Gangmitglied zusammengearbeitet hat, damit dieser ihm gegen Geld Wählerstimmen in den Bezirken besorgt, wo er nie mit einem positiven Ausgang hätte rechnen können. Dies ist besonders ironisch, da es zu Keltons Wahlversprechen gehört, dass er so hart wie nie zuvor gegen die Kriminalität in Chicago vorgehen will. Hier zeigt sich, dass Kelton kein wirklicher Visionär ist, sondern ein machtgieriger Mann, der hierfür alle Prinzipien über Bord wirft und genau das macht ihn zu einem harten Gegenspieler.

Als die Unit diese korrupten Zusammenhänge erkennt, macht sich Besorgnis breit, da alle wissen, dass Kelton am längeren Hebel sitzt. Daher zweifeln sie, ob sie die Ermittlungen überhaupt sauber zu Ende bringen können. Hank will den Weg aber konsequent gehen, zur Not auch alleine. Da kann ihn auch Brennan nicht aufhalten, bei der ebenfalls klar wird, dass sie vor kriminellen Aktivitäten nicht zurückschreckt, da sie sogar das Leben eines Jugendlichen opfert, um die Macht ihres Chefs zu erhalten. Wo ich anfangs noch Hoffnung hatte, dass Brennan die erste weibliche Gegenspielerin ist, die Hank auch wirklich auf Augenhöhe begegnet, zeigt sich jetzt, dass sie nur ein jämmerlicher Spielball ist. Der Gegenspieler ist tatsächlich Kelton und als Hank diesen konfrontieren will, wird er von Jay Halstead zurückgehalten, der ihn warnt, dass es sich um langes Spiel handelt, bei dem man über mehrere Runden gehen muss. Damit ist klar, dass die Konfrontation von Hank und Kelton uns nun einige Zeit begleiten wird. Das ist aber ein ebenso großer Handlungsbogen, wie es der rund um Adam ist und aktuell befürchte ich etwas, dass dies zu viel werden könnte. Schon mit dieser Folge wurde etwas Großes ausgebremst und daher hätte ich es ratsamer gefunden, wenn man Adams Karriereentscheidung erst einmal besiegelt hätte, um dann den nächsten Kampf einzuläuten.

Nach längerer Zeit musste ich auch mal wieder feststellen, dass der Fall der Woche auf dem Rücken einiger logischer Fehler konstruiert wurde. So ist der Zeitablauf des Mordes an Bernie Hoffman überhaupt nicht nachzuvollziehen, da Hailey, Adam und Hank die Wahlkampfveranstaltung von Kelton verlassen und dann bekommen sie die Schüsse gemeldet. Später stellt sich heraus, dass Kelton zuvor noch bei Bernie gewesen sein muss, was aber sehr unlogisch erscheint, da er seine Veranstaltung dafür vor seinen Gästen verlassen haben müsste. Auch das Treffen von Brennan mit Gangmitglied Griffin erweist sich nicht als logisch eingebettet. Insgesamt lässt sich also sagen, dass wir es definitiv nicht mit einem raffiniert durchdachten Fall der Woche zu tun hatten.

Bereits in der Promo zu dieser Folge war die Schussverletzung von Kevin Atwater angeteasert worden, aber wie sich das Ganze im Gesamtblick der Episode entwickelte, hat mich unzufrieden zurückgelassen. Verletzungen von Unit-Mitgliedern werden gerne genutzt, um eine emotionale Ausnahmesituation zu kreieren und das sehe ich auch immer gerne, wenn es denn nicht zu übertrieben genutzt wird. Die Verletzung von Kevin geht in dieser Folge fast vollständig unter, so dass man sich diese Nebenhandlung besser gespart hätte. Zwar finden sich die Kollegen unmittelbar nach der Schussverletzung alle im Krankenhaus ein, doch nach der Nachricht der überstandenen OP verstreuen sie sich wieder in alle Winde. Natürlich musste der Täter noch geschnappt werden, aber ich hätte mir doch gewünscht, dass Kevin noch ein größeres Thema gewesen wäre. Mir hat vor allem gefehlt, dass Adam nicht an der Seite seines Partners ausharrt oder dass sich am Ende der Episode alle noch einmal bei ihm einfinden. Es gibt natürlich die kleine Szene mit Trudy Platt, die meine Enttäuschung wieder etwas aufwiegelt, aber insgesamt ziehe ich doch das Fazit, dass Kevin sich ganz umsonst eine Kugel gefangen hat.

Fazit

Nach den zahlreichen starken Folgen in der letzten Zeit verpasst "Chicago P.D." uns mit dieser Folge einen kleinen Dämpfer, da die Fragen aus der vorangegangenen Episode offen bleiben und für den nächsten großen Handlungsbogen auf Eis gelegt werden. Der Kampf Politik gegen Polizei hat sicherlich Potenzial, jedoch drängt sich mir der Gedanke auf, dass man aktuell zu viel will. Immerhin hat die Staffel bis dato gezeigt, dass weniger auch mehr sein kann.

Lena Donth – myFanbase

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