Berlinale 2014: Tag 5 und 6

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Nach der großen Clooney-Show begann nun wieder der relativ "normale" Festival-Alltag, welcher am fünften Tag mit einer bitterbösen norwegischen Tragikomödie namens "Kraftidioten" begann, bei der es um einen Schneepflugfahrer geht, der in der winterlich-kalten norwegischen Einöde seinen getöteten Sohn rächen will und dabei keine Gnade kennt.

Foto: Stellan Skarsgård, Kraftidioten - Copyright: Berlinale 2014
Stellan Skarsgård, Kraftidioten
© Berlinale 2014

In der Hauptrolle überzeugt Stellan Skarsgård, welcher bereits in von Triers "Nymphomaniac: Volume I" glänzen konnte und auch hier wieder voll seinen spöden Charme einzusetzen weiß. Der Film ist ansonsten ganz schön gemacht, wenn auch in seiner Charakterzeichnung und Storyentwicklung eher unterkomplex. Trotzdem sorgen einige reichlich komische Momente für großes Gelächter und für ein wenig Auflockerung in dem ansonsten zumeist so bierernsten Festivalalltag. Eine netter, kleiner schwarzhumoriger Film also, dem man Freunden des schwarzen skandinavischen Humors durchaus empfehlen kann.

Foto: Aimer, boire et chanter - Copyright:  A. Borrel
Aimer, boire et chanter
© A. Borrel

Unterhaltsam oder gar kurzweilig war der nächste franzözische Wettbewerbsfilm dann leider überhaupt nicht, sondern vielmehr ziemlich langwierig und anstrengend. Die Komödie "Aimer, boire et chanter" des großen französischen, bereits 92-Jahre alten Regisseurs Alain Resnais ist schlussendlich wohl nur Freunden des Stils des Altmeisters zu empfehlen. Die Verfilmung eines britischen Theaterstücks, bei dem drei Paare auch im Film auf einer Theaterbühne agieren, ist ohne Esprit inszeniert und leider in keinster Weise filmisch. Man hat vielmehr das Gefühl, einer mittelprächtigen Theateraufführung zuzuschauen, die dann abgefilmt wurde, was ein eher zweifelhaftes Vergnügen ist. Die Schauspieler sind noch das einzige, was hier zu funktionieren scheint, ansonsten regiert die gnadenlose Langeweile. Nicht wenige verließen schließlich in der Pressevorführung dann auch das Kino. Trotzdem scheint der Film bei anderen auch einen Nerv getroffen zu haben, was die teils doch euphorischen Kritiken zeigen. Ein Film, der spaltet und vielleicht auch einfach einem älteren Publikum zugänglicher ist. Für mich der bisher schwächste Wettberwerbsbeitrag.

Foto: Pierce Brosnan, Toni Collette, Imogen Poots, Aaron Paul, A Long Way Down - Copyright: DCM
Pierce Brosnan, Toni Collette, Imogen Poots, Aaron Paul, A Long Way Down
© DCM

Schon fast dachte man, dass der fünfte Tag gar keine Highlights mehr bringen wird, da überrascht die Romanverfilmung "A Long Way Down" einen dann doch noch. Der Film nach dem Buch von Nick Hornby ist ein heiterer, unverkrampfter und mit viel Witz erzählter Film über den Wert des Lebens und der Bedeutung von Freundschaft. Das klingt erstmal reichlich abgedroschen, wird aber von den vier Hauptdarstellern Aaron Paul, Imogen Poots, Toni Collette und Pierce Brosnan aber so überzeugend und sympathisch gespielt, dass einem die vier selbstmordgefährdeten Hauptfiguren, die sich in der Silvesternacht auf einem Hochhaus begegnen, sehr schnell ans Herz wachsen und trotz der Formelhaftigkeit des Drehbuchs zu interessanten, mehrdimensionalen Filmfiguren werden. Besonders die junge Imogen Poots ist eine echte Entdeckung, dominiert sie durch ihre forsche, direkte und unverkrampfte Art doch jede Szene und erntet so auch die größten Lacher des wunderbar kurzweiligen und leichtfüßig erzählten Films. Hervorzuheben ist natürlich auch noch Aaron Paul, der mit diesem Film wohl seine Post-"Breaking Bad"-Phase beginnt und hier besonders wieder in den emotionalen Momenten zu absoluter Hochform aufläuft und auch auf der ganz großen Leinwand absolut überzeugend agiert. Sehr toll war es zudem auch, dass zur Premiere am Abend alle vier Darsteller anwesend waren und sich auch den kompletten Film zusammen mit dem Publikum angesehen haben. Besonders Aaron Paul wirkte live besonders sympathisch, unheimlich aufgedreht und gut gelaunt. Das Highlight war schließlich, wie Paul für den Regisseur, der an diesem Tag Geburtstag hatte, ein Ständchen anstimmte und der ganze Saal laut mitsang. Ein schönes Ende eines Tages, der filmtechnisch nicht immer vollends überzeugen konnte.

Foto: Zwischen den Welten - Copyright: Wolfgang Ennenbach / Independent Artists Filmproduktion
Zwischen den Welten
© Wolfgang Ennenbach / Independent Artists Filmproduktion

Der sechste Tag begann dann mit dem vierten und letzten deutschen Wettbewerbsbeitrag "Zwischen den Welten", welcher sich um die deutsche Beteiligung am Afghanistan-Krieg und die Kollaboration zwischen den deutschen Soldaten und den afghanischen Einheimischen drehte. Eine sehr schwere und überaus komplexe Thematik wurde hier leider in eine ziemlich oberflächliche narrative Struktur gegossen, die der schwierigen Thematik damit nur leidlich gerecht wird. Am Ende des Films ist man dann leider auch nicht schlauer, als vorher. Trotzdem wird der Film sicher eine wichtige Debatte anstoßen, die dann vielleicht auch zu interessanteren und spannenderen Filmen und Debatten führen wird.

Foto: Praia do futuro - Copyright: Alexandre Ermel
Praia do futuro
© Alexandre Ermel

Viel besser war da die brasilianisch-deutsche Ko-Produktion "Praia do futuro", die zwar etwas Zeit braucht, um sich zu entfalten, dann aber eine stimmungsvolle, fast lyrische Geschichte um den Mut zu lebensweltlichen Veränderungen und der Suche nach dem eigenen Ich erzählt. Dabei umweht den Film eine stille Melancholie und fast schon anmutige Traurigkeit, die bewegt und fasziniert. Der Film lebt zudem von seiner ausdrucksstarken Bildsprache und den leidenschaftlich aufspielenden Schauspielern, die diesen Wettbewerbsbeitrag über einen brasilianischen Rettungsschwimmer, der der Liebe willen nach Berlin geht und der versucht, eine neue Heimat zu finden, zu einem kleinen Favoriten werden lässt. Bisher der mit Abstand am meisten berührende Wettbewerbsbeitrag und definitiv ein Highlight des Festivals, welchem es an großem emotionalen Kino bisher ein wenig mangelt.

Zuletzt soll noch kurz die kleine Musik-Dokumentation "DMD KIU LIDT" über die Band "Ja, Panik" erwähnt werden, die im schönen Schwarzweiß die Band im Alltagsleben begleitet und dabei bis kurz vor Schluss komplett auf den Einsatz von Musik verzichtet. Dass eine Musiker-Doku auch ohne Musik gut funktionieren kann, zeigt dieser knapp einstündige Film, der wohl abseits von Filmfestivals nie in die Kinos kommen wird. Ein überaus faszinierender kleiner Film, den wohl vor allem Freunden der österreichischen Musik-Formation mögen werden.

Moritz Stock - myFanbase

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