Bewertung
Don Hall & Qui Nguyen

Strange World

Foto: Strange World - Copyright: 2022 Disney und seine verbundenen Unternehmen
Strange World
© 2022 Disney und seine verbundenen Unternehmen

Inhalt

Searcher Clade kommt aus einer Familie von Entdeckern und auf einer Expedition mit seinem Vater Jaeger und dessen Crew hat er eine Elektrizität spendende Pflanze gefunden, mit der er seinem Heimatland Avalonia ein großes Geschenk gemacht hat, denn 25 Jahre später hat sich dort alles zu einem beeindruckenden Utopia gewandelt. Searcher ist Farmer geworden, um die Kultivierung der Pflanze zu sichern, aber der Kontakt zu seinem Vater ist abgebrochen. Plötzlich zeigt sich aber, dass die Pflanze kurz vor dem Sterben steht und Searcher schließt sich einer Expedition von Callisto an, um die Pflanze in ihrem Herzen zu retten. Sein Sohn Ethan hat sich aber heimlich auf den Flugträger geschlichen, so dass seine Mutter Meridian besorgt hinterhereilt und ehe Searcher sich versieht, ist die ganze Familie in ein Abenteuer verwickelt. Dazu treffen sie auf Jaeger und die alten Konflikte brechen auf, die auch das Gelingen der Expedition gefährden.

Kritik

Disney hatte 2022 wahrlich kein einfaches Jahr und ein Konflikt hat sich speziell um die LGBTQ+ Community gesponnen. Nachdem die Produktionen von Disney sich immer mehr einer breiteren Repräsentation von Ethnien verschrieben hatten, blieb ansonsten aber die Darstellung von heterosexuellen Beziehungen im Fokus. Es gab nur vereinzelte zaghafte Versuche, weswegen die Nachricht nur wenig überraschte, dass bei Pixar-Produktionen bewusst noch nachträglich Szenen mit Bezug zur sexuellen Orientierung rausgestrichen wurden. Dann wiederum hat sich aber Disney gegen das Don't Say Gay-Gesetz in Florida gestellt. Ein ganz schönes Hin und Her könnte man sagen. An dieser Stelle habe ich nun etwas weiter ausgeholt, weil Neuerscheinung "Strange World" in diesen Diskurs hinein unauffällig auffällig ein Statement setzt. Das ist mir doch mit am schnellsten ins Auge gefallen. Zum einen besteht die Expeditions-Crew aus einer breiten Vielfalt an Ethnien und zum anderen darf Teenager Ethan offen schwul sein, ohne dass seine Eltern – und fast noch beeindruckender – sein Großvater (der hat schließlich 25 Jahre in einer Art Einöde ohne menschlichen Kontakt gelebt) daran irgendeinen Anstoß nehmen. Es ist einfach kein Thema, es darf einfach sein und es wirkt in keiner Weise wie eine moralische Belehrung, sondern wie eine unumstößliche Tatsache und das ist sehr angenehm. Da bekommt man sogar Hoffnung, dass die Premiere von einer Live-Action-Version von Arielle mit Halle Bailey in der Hauptrolle im kommenden Jahr von der Promotion her gut eingefangen wird und die Hauptdarstellerin nicht im Regen stehen gelassen wird.

Kommen wir nun aber zum Inhalt des Films, der auf der Meta-Ebene eine weitere sehr wichtige Botschaft vertritt. Searchers Entdeckung der Pflanze, die Elektrizität liefert, ist eine Metapher für unseren Gebrauch von den Geschenken der Natur, die die Menschheit so viele Entdeckungen hat machen lassen, so dass sich die Zivilisation seit den ersten Menschen in Riesenschritten weiterentwickeln konnte. Doch der Punkt ist verpasst worden einzusehen, dass die Natur schon länger nicht mehr liefern kann, ohne nicht auch etwas zurückzubekommen und schon sind wir beim Thema Klimawandel. Die Warnungen durch die Wissenschaft sind nicht neu, sondern bereits im vergangenen Jahrtausend geboren worden, doch verändert hat sich seitdem nur wenig. Es gibt natürlich die Leugner, aber es haben auch schon längst genug kapiert, dass der Klimawandel sehr real ist und für unseren Planeten Erde eine Gefahr darstellt, aber all das scheint nicht auszureichen, um das Ruder rumzureißen. In "Strange World" ist es nun so, dass Searcher und Callisto durch die Seuche, die die Pflanze zu befallen scheint, ihr geschaffenes Utopia in Gefahr sehen und zum Kern der Sache vordringen wollen. Auch hier hat es einen Einklang mit der Natur gegeben, der der Menschheit viel geschenkt hat, doch die Quelle droht nun zu versiegen. Während Callisto eher die Fraktion ist, die alles daran setzen würde, dass die alte Weltordnung bestehen bleibt, ist Searcher ein Wissenschaftler, der die Fakten immer neu bewertet. Er ist es schließlich auch, der mit seinem Sohn Ethan entdeckt, dass die neu entdeckte Welt, zu der die Pflanze gehört, ein eigener lebender Organismus ist, was durch Auge und diverse andere Organe bildlich verstärkt wird und dieser Organismus ist kurz vorm Sterben. Auch unsere geschätzte Natur ist voll von Leben, weswegen die starke Verbildlichung hier sicherlich auch für die kindliche Zielgruppe clever ist, um so die Botschaft besser zu verstärken. Natürlich erscheint es naiv und unglaubwürdig, wenn Searcher ohne ellenlange Diskussionen entscheidet, dass er einfach die Elektrizität für verloren erklärt und damit mal eben ein so großes Opfer bringt. Aber alles in allem ist so eine drastische Botschaftsbildung für Disney nicht neu. Wichtig ist sicherlich auch, dass für die Rettung des Planeten nicht einer alle Opfer bringen muss, sondern dass wir alle Opfer bringen müssen und so alle mit weniger, aber dafür im Einklang mit der lebenden Natur auskommen können. Ob das bei den Zuschauer*innen hängen bleibt? Keine Ahnung, aber mir hat die Botschaft von "Strange World" jedenfalls gut gefallen, auch weil es an die Zielgruppe geht, die am längsten mit den Folgen des Klimawandels leben muss.

Angesichts der Wichtigkeit der Meta-Ebene hat es mich nur wenig verwundert, dass die Charakterebene eher oberflächlich geblieben ist. Es ist schade, dass das im Speziellen auch die beiden weiblichen Figuren Callisto und Meridian betrifft, die beide einen sehr starken Typus vertreten, aber entweder im entscheidenden Moment mal eben in die Antagonisten-Rolle (Callisto) gesteckt werden oder aber in den entscheidenden Konflikten nur eine Statistenrolle (Meridian) haben. Der Konflikt zwischen Jaeger, Searcher und dann auch schon wieder in der nächsten Generation mit Ethan ist eher platt, denn das Thema, dass Eltern ihre Kinder gerne in ihre Fußstapfen treten sehen wollen, ist nicht neu und auch schon von Disney vielfältig verarbeitet worden. Ich verstehe dennoch, dass dieser Konflikt ausgerechnet hier aufgegriffen wurde, denn das Entgegenstehen von Entdeckung und Forschung wurde sinnbildlich gebraucht, um in der Endkonsequenz aufzuzeigen, dass es auf beide zusammen ankommt. Diese drei Männer waren sehr deutlich das Herz des Films und beispielsweise die gemeinsame Szene mit Ethans Lieblingsspiel war an Doppeldeutigkeit herrlich getimed, dennoch hätte ich mir lieber in mehrere Richtungen Details gewünscht, auch weil alle drei Männer in ihrer Art anstrengend wurden. Ich hatte nämlich selten den Eindruck, dass sie das getan haben, was sie wirklich innerlich wollten, sondern nur agiert haben, um anderen etwas zu beweisen und das ist selten ein gesunder Antrieb.

"Strange World" entführt in gleich zwei neu erscheinende Welten. Avalonia erinnert dabei an eine menschliche Zivilisation, ist es aber nicht in dem Ausmaß, wie wir es kennen. Somit war es faszinierend, Einzelheiten dazu zu entdecken und auch zu sehen, was die Wissenschaftler*innen (denn es waren einige in die Konzeption eingebunden) sich ausgedacht hatten, was man mit der Elektrizität der Wunderpflanze wohl so alles zu erreichen ist. Für mich persönlich waren die Einblicke fast schon zu knapp, denn wir erleben die 'Stadt', als Vater und Sohn eine Auslieferung tätigen, ansonsten wird vor allem die Farm der Clades gezeigt, die der Sache geschuldet, eher einfach gehalten ist. Die völlig neue Welt wiederum bekommt viel Zeit zum Entdecken eingeräumt und sie war sicher auch durch die knallige Farbgebung sehr hübsch anzusehen, mir persönlich war sie aber zu abstrakt. Auch wenn am Ende durch den lebenden Organismus noch eine Erklärung geliefert wird, aber ich fand diese Welt dennoch nicht ganz so faszinierend, wenn ich auch die damit verbundene Einführung von Platsch sehr genossen habe. Er, gemeinsam mit alles abschleckendem Familienhund Legend, war definitiv der Scene Stealer des Films. Gerade für die kindliche Fantasie gibt es aber Unmengen zu entdecken. Abschließend bleibt dann noch die Erwähnung, dass "Strange World" eine Hommage an Abenteuerfilme ist. Auch wenn Searcher mit seiner Persönlichkeit dem eigentlich entgegensteht, so ist der Film eine einzige Expedition, im eigentlichen und im übertragenen Sinne. Da sind die typischen Überblendungen sowie die anfängliche Animation eine gute Erinnerung an dieses Genre und machen das Bild damit rund.

Fazit

"Strange World" bleibt mir vermutlich weniger wegen der Figuren als vielmehr wegen der Botschaften in Erinnerung. Zum einen ist es lobenswert, wie natürlich die Gegebenheiten der Figuren einfach sein dürfen und auch die übertragene Beschäftigung mit dem Klimawandel ist ein absoluter Pluspunkt. Die eigentliche Geschichte der Charaktere kommt da etwas dünn daher, aber an einem grundsätzlichen Unterhaltungsfaktor ändert das nichts. Im Kino ist "Strange World" international etwas untergegangen, aber der Film ist es definitiv wert gesehen zu werden!

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Lena Donth - myFanbase
28.12.2022

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