Bewertung
Martin McDonagh

Three Billboards outside Ebbing, Missouri

"This didn't put an end to shit, you fucking retard; this is just the fucking start. Why don't you put that on your Good Morning Missouri fucking wake up broadcast, bitch?"

Foto: Copyright: 2017 Twentieth Century Fox
© 2017 Twentieth Century Fox

Inhalt

Als auch nach sieben Monaten der Mord an ihrer Tochter immer noch nicht gelöst ist, beschließt Mildred Hayes (Frances McDormand), drei große Reklametafeln zu mieten und diese mit einer ganz besonderen Botschaft an die aus ihrer Sicht untätige örtliche Polizei auszustatten, allen voran Polizeichef William Willoughby (Woody Harrelson). Als sich Willoughbys rechte Hand Dixon (Sam Rockwell) auch noch einmischt, scheint die ohnehin angespannte Lage vollends zu eskalieren.

Kritik

McDonagh, der mit "Brügge sehen... und sterben?" oder auch "7 Psychos" zur Genüge bewies, das er ein Talent für schrullige Charaktere und schwarzen Humor hat, zeichnet sich mit "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" für einen Film verantwortlich, der wie kein anderer seiner Vorgänger in Bruchteilen von Sekunden zwischen tiefer Tragik und pechschwarzer Comedy wechselt. Das kann mithin verstörend wirken, manchmal auch unpassend. Dadurch verstärkt sich der Aspekt der Unvorhersehbarkeit des Films, da man als Zuschauer wirklich so gar keine Ahnung hat, wie sich die Handlung weiter entwickelt. Wenn man nach etwa der Hälfte der Zeit denkt zu wissen, in welche Richtung sich diese Tragikkomödie entwickelt, wird man am Ende feststellen, dass kaum eine der Vorhersagen eintraf. "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" schert sich nicht um Konventionen oder Political Correctness und wird so gleichermaßen amüsant als auch todtraurig und ärgerlich. Im aktuellen soziopolitischen Klima wirkt der Film regelrecht kathartisch, geht mit seiner furchtlosen Selbstjustiz aber auch zu weit und sorgt so eindrucksvoll dafür, dass sich jeder einzelne Zuschauer die Frage nach seinem eigenen moralischen Kompass stellen muss. Interessanterweise ist die Entstehungsgeschichte des Films deutlich älter als die Entwicklungen der letzten zwölf Monate, und so wurde die Rolle der Mildred bereits vor mehr als acht Jahren geschrieben – mit McDormand als Darstellerin im Hinterkopf.

Wieso McDormand gleichermaßen der Dreh- und Angelpunkt für das ganze Funktionieren von "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" und die ideale Besetzung ist, merkt man sehr schnell. Denn würde man Mildred und ihr Leiden nicht ernst nehmen, wäre der Film nicht einmal halb so viel wert, so zeigt er aber eindringlich, wie der Ärger und die Wut über die Umstände Mildreds Leben nach und nach zerstört haben, trotzdem wirkt sie im weiteren Zeitverlauf zusehends befreit.

Mildred kämpft gegen die Instanzen, gegen sexuelle Gewalt und gegen den Rassismus einer Kleinstadt, wie Don Quixote gegen die Windmühlen. Die Stadt ist gegen Mildred, deren Tochter auf brutalste Art und Weise verstarb, einfach weil sie trotz alledem als Sympathieträgerin nicht taugt. Hingegen sind die Bewohner von Ebbing klar für den an Krebs leidenden Willoughby, der einen hinreichend sympathischen Eindruck macht und letzten Endes auch nur der Kopf des stinkenden Fisches ist, eine Projektionsfläche für all den Hass und die Wut, die Mildred in sich hat. Und auch wenn man innerlich (und manchmal auch äußerlich) jubelt, wenn Mildred mit einer Selbstverständlichkeit die Missstände um sie herum nicht nur anprangert, sondern auch aktiv bekämpft – oft auch auf weniger legalem Wege – kann hier gar keine vollkommene Identifikation mit der Hauptfigur erfolgen. Das ist aber auch nicht gewünscht, da die Botschaft über der Figur steht.

Mildred ist umgeben von Männern, die offen sexistisch, rassistisch und gewalttätig sind. Dass sowas dennoch auch genug Anlass für Humor gibt, ist etwas, das sich viele Filme nicht trauen. Und doch gefriert einem das Blut in den Adern, wenn Mildreds Ex-Mann, der sie jahrelang verprügelte, sie besucht, oder der gleichermaßen unvorhersehbare wie einfältige Dixon jemanden braucht, an dem er seine angestauten Aggressionen auslässt. Der Sexismus ist allgegenwärtig, zumal man nicht nur diesen erlebt, sondern auch den Umgang der Bewohner der fiktiven Kleinstadt mit den Geschehnissen und den vermeintlichen "good guys". Leider wird der Aspekt des Rassismus im Film nicht konsequent angegangen, sondern dient eher als weiterer Beweis der Unfähigkeit der örtlichen Polizei, weniger aber als grundsätzliches Problem. Aber vielleicht war es auch einfach nicht möglich, auch diesen Punkt in knapp zwei Stunden Laufzeit auch noch adäquat abzubilden.

Dass man mit den Männern in Mildreds unmittelbarer Nähe dennoch auch durchaus mitfühlen (wenn auch nicht unbedingt Verständnis zeigen) kann, liegt an den famosen darstellerischen Leistungen von insbesondere Woody Harrelson und noch viel mehr Sam Rockwell. Harrelson ist wahrscheinlich noch die Person im gesamten Film, die die meiste Zeit am ehesten mit sich selbst im Reinen wirkt und sich weniger den eigenen Instinkten hin gibt. Harrelson als Polizeichef funktioniert auch deswegen so gut, weil der Balanceakt aus institutionalisierter Unfähigkeit, bewusster Ignoranz für den Rassismus der Polizei und ehrlichem Bemühen es irgendwie besser machen zu wollen, glaubhaft abgebildet wird. Irgendwie ist er eben doch sympathisch und man kann verstehen, warum im Grunde die ganze Bevölkerung von Ebbing hinter ihm steht und nicht hinter der Frau, deren Tochter vergewaltigt und ermordet wurde und die sich einfach nur nach Gerechtigkeit sehnt.

Mit Rockwell als Dixon ist es wiederum gänzlich anders. Dixon ist ein Redneck, wie er im Buche steht: einfältig, impulsiv, aggressiv, rassistisch. Um das Ganze aufzulockern ist er aber auch durchaus selektiv gutmütig und wohnt noch bei seiner Mutter, um die er sich kümmert. Dixon möchte das Richtige tun, hat aber gerade zu Beginn des Films komplett andere Vorstellungen von dem Richtigen. Im weiteren Verlauf des Films scheint ein Umdenken in sehr begrenztem Maße stattzufinden, das dazu führt, das man manchmal richtiggehend Mitleid mit Dixon hat, der, so die Vermutung, das Ergebnis seines Umfelds ist und nun zum ersten Mal versucht, sein Verhalten kritisch zu reflektieren. Darüber hinaus ist Dixons primitives Wesen oft der Lieferant einiger Gags, die für sich genommen eigentlich alle funktionieren. Rockwell liefert hier seit dem Sci-Fi-Verwirrspiel "Moon" die wahrscheinlich beste Leistung seiner Karriere ab und man kann nur hoffen, dass er nun öfter die Möglichkeit erhält, in derartigen Produktionen mitzuwirken.

Der weitere Cast ist weit bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzt, angefangen bei Abbie Cornish als Willoughbys Frau, die jedoch eigentlich nur in einer Szene die Möglichkeit erhält zu glänzen, über Lucas Hedges ("Manchester by the Sea", "Lady Bird"), der gefühlt in jedem herausragenden Film der letzten zwei Jahre mitspielte und auch hier wieder zeigt, warum er selbst als Sohn im High-School-Alter immer noch überzeugt. Und dann wären da noch Leute wie Caleb Landry Jones, dessen Filmografie trotz seines jungen Alters eine vollkommen verdient deutlich aufsteigende Kurve aufweist, oder bekannte Seriendarsteller wie John Hawkes ("Deadwood" bzw. "Lost"), Clarke Peters ("The Wire") und Peter Dinklage ("Game of Thrones"), die – besonders im Fall von Hawkes – längst im Filmgeschäft (wieder) angekommen sind und hier in den wenigen Szenen, die sie haben, zeigen können, warum.

Fazit

"Three Billboards outside Ebbing, Missouri" ist eine seltene Mischung aus pechschwarzer Komödie mit wunderbar pointiertem Humor und herzzerreißendem Drama, deren oft pfeilschnelle Änderung des Grundtons sicherlich nicht jedermanns Sache ist, ein Film, bei dem man sich nie sicher sein kann, welche Richtung er nun einschlägt. Vor allem aber ist es das Vehikel für eine unglaublich starke Frances McDormand, die hierfür jedes Lob der Welt verdient hat, und dabei wunderbar von ihren männlichen Kollegen unterstützt wird, um derart nachhaltig zu glänzen.

Andreas K. - myFanbase
24.01.2018

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