Bewertung
Christophe Gans

Die Schöne und das Biest

Ein Leben für eine Rose.

Foto: Copyright: 2014 Concorde Filmverleih GmbH
© 2014 Concorde Filmverleih GmbH

Inhalt

Im Jahre 1810: Ein vom Schicksal geprellter Kaufmann (André Dussollier) zieht gemeinsam mit seinen drei Söhnen und seinen drei Töchtern in ein karges Landhaus, um dem Spott der Stadtbewohner zu entkommen. Denn seit seine drei Handelsschiffe von der hohen See verschluckt wurden, steht die komplette Familie vor dem Ruin. Nur des Kaufmanns liebste Tochter Belle (Léa Seydoux) scheint sich mit den bescheidenen Lebensverhältnissen arrangieren zu können, während ihre Geschwister im Selbstmitleid baden. Und so verwundert es kaum, dass Belle sich von ihrem Vater lediglich eine rote Rose erbittet, als dieser auf Reisen geht. Kaum wieder zu Hause angekommen, berichtet der aufgelöste Kaufmann seinen Kindern von einer Bestie (Vincent Cassel), die ihm genau einen Tag gewährt hat, um sich von seiner Familie zu verabschieden. Der Grund: Er stahl der Bestie das Kostbarste – eine rote Rose – und muss dafür mit seinem Leben bezahlen. Tut er es nicht, sterben sie alle. Die selbstlose Belle zaudert nicht lange und begibt sich entschlossen in das abgelegene Königreich, um den Platz ihres Vater einzunehmen...

Kritik

Märchen sind bekanntlich zeitlos. Das ist wohl auch der Grund, warum sie gerne mit einem filmischen/literarischen Update versehen werden und uns unermüdlich zu begeistern wissen. Die Phantasie der Autoren kennt diesbezüglich keine Grenzen, während mittels modernster Tricktechnik effektvolle Akzente gesetzt werden. Wenn die Story in ihren Grundzügen schon bekannt ist, muss eben an anderer Stelle getrickst werden. Eine Märchenneuinterpretation wie "Die Schöne und das Biest" kann von solch einer Modernisierung nur profitieren. Immerhin gilt es mit einem gleichnamigen Disney-Klassiker zu konkurrieren, dem einige Verfilmungen folgten, wie beispielsweise das "Beastly"-Desaster (2011), und auch in der TV-Landschaft werden in "Beauty & the Beast" aktuell schön die Krallen ausgefahren. Die klassisch anmutende Neuerzählung aus Frankreich, arrangiert von "Der Pakt der Wölfe"-Regisseur Christophe Gans, erscheint somit eigentlich überflüssig, verberge sich dahinter nicht ein visuelles Meisterwerk.

Natürlich beginnt auch dieses Märchen mit den drei berühmten Worten "Es war einmal...". Diese manövrieren den Beobachter direkt in die historisch angehauchte Kulisse des frühen 19. Jahrhunderts und ebnen den Weg in eine opulent gestaltete Bilderbuchwelt, die ganz ohne die überteuerte 3D-Optik erstrahlt. Exzellent! Basierend auf dem französischen Volksmärchen "La Belle et la Bête", zeichnet Christophe Gans die Geschichte um die aufopfernde Kaufmannstochter Belle, die sich von ihrem Vater eine Rose wünscht und daraufhin einen hohen Preis zahlen muss, dabei keinesfalls nur nach. Obwohl sich das Drehbuch dicht an der traditionellen Vorlage von Gabrielle-Suzanne de Villeneuve orientiert, lässt der Film Raum für neuartige Impressionen und entfaltet seine bildgewaltige Farbenpracht, sobald man einen Fuß in das fabelhafte Reich des verfluchten Prinzen setzt. "Belle im Wunderland" wäre ein ebenso passender Filmtitel gewesen, unterdessen man sich sporadisch in dem Fantasy-Spektakel "Jack and the Giants" wiederzufinden glaubt.

Überaus phantasievoll gestaltet sich die Verschmelzung aus Belles gegenwärtiger Gefangenschaft in den Klauen des Biestes und ihren nächtlichen Träumen, denen stets ein schaurig schönes Wispern anhaftet. Peu à peu offenbart sich so eine märchenhaft resümierte Tragödie weit zurückliegender Tage, die kontinuierlich mit der Gegenwart verschmilzt. Phantastischer kann man ein Märchen wie "Die Schöne und das Biest" kaum inszenieren – veredelt mittels imposanter Kostüme, atmosphärischer Landschaftsaufnahmen und einem düster-verträumten Soundtrack aus der Feder des französischen Filmkomponisten Pierre Adenot. Besonders beeindruckend: Wenn das via Motion-Capture zum Leben erweckte Biest, bravourös gemimt von Vincent Cassel (arbeitete bereits bei "Der Pakt der Wölfe" mit Gans zusammen), die Bildfläche betritt und sich geschmeidig wie eine Raubkatze durch die verschlungenen Gärten des maroden Palastes bewegt.

Hauptdarsteller Vincent Cassel ist indes ein echter Glückspilz! Als ungezähmtes Biest/jagdhungriger Prinz stehen ihm nämlich gleich zwei begabte Schönheiten zur Seite. Als die schöne Belle darf sich die französische Charakterdarstellerin Léa Seydoux in farbenprächtige Gewänder hüllen und ihre Angst und Neugier dem bärbeißigen Biest gegenüber vielseitig zum Ausdruck bringen. Seydoux, die im vergangenen Jahr für ihre intensive Darstellung in "Blau ist eine warme Farbe" überraschend mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet wurde, vermag auch hier mit einem eindrucksvollen Bühnenspiel zu überzeugen. Durch ihre lebendige Darstellung blüht die recht stereotyp skizzierte Schöne im "Cinderella"-Stil überhaupt erst richtig auf. Nicht minder bewundernswert präsentiert sich die deutsche Sängerin und Schauspielerin Yvonne Catterfeld in einer Nebenrolle als einst geliebte Prinzessin. Eine Figur, die ebenfalls hinter den charakterlichen Möglichkeiten zurückbleibt, dafür aber von der hinreißenden Optik und Darstellung profitiert.

Bekanntlich besitzt jede Rose ihre Dorne und an eben dieser sticht sich dann leider auch diese Erzählung um "Die Schöne und das Biest", im fortschreitenden Handlungsverlauf. Ein Manko: Die eindimensional ausgearbeiteten Nebenfiguren. Trotz der detaillierten Einleitung um den verarmten Kaufmann und seinen sechs "Kindern", wirken eben jene genauso leer in ihrer Persönlichkeit wie das Versprechen, das der selbstsüchtige Prinz einstmals seiner großen Liebe gab. Dieses blutleere Schicksal schließt leider auch die Bande um den geldgierigen Schurken Perducas (Eduardo Noriega) und seiner geliebten Kartenlegerin Astrid (Myriam Charleins) mit ein. Ein Umstand, der sich aufgrund der märchenhaften Erzählform allerdings einigermaßen entschuldigen lässt. Unverzeihlich ist hingegen die Tatsache, dass die Liebe zwischen Belle und dem Biest scheinbar irgendwo zwischen dem täglichen 7-Uhr-Dinner und einem taktvollen Walzer erblüht, wobei die friedvolle Konversation hier auf ein schlichtes Minimum komprimiert wird. Völlig ignoriert werden jene bedeutungsvolle Momente, in denen die kluge Belle und das unsichere Biest auf ein gegenseitiges Verständnis stoßen und sich in trauter Zweisamkeit bedächtig zu lieben lernen. Schade!

Fazit

Inhaltlich mag diese filmische Rose ihre scharfkantigen Dornen besitzen, visuell betrachtet jedoch könnte man Christophe Gans' Neuinterpretation um "Die Schöne und das Biest" als eine der Schönsten unter den Schönen bezeichnen. Nicht unbedingt perfekt, aber sehr sehenswert!

Doreen B. - myFanbase
03.05.2014

Diskussion zu diesem Film