Bewertung
Tobias Wiemann

Grossstadtklein

Und du, du bist Ole, der so was ist wie ein Quickie für sie. Schnell und einfach.

Foto: Copyright: 2014 Warner Bros. Ent.
© 2014 Warner Bros. Ent.

Inhalt

Ole (Jacob Matschenz) genießt das Leben auf dem Land, irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit seinen Kumpels abhängen und Moped fahren, besser geht's eigentlich nicht. Doch nun ist Schluss mit lustig! Denn Opa Karl (Heinz W. Krückeberg) hat hinterrücks einen Praktikumsplatz für Ole arrangiert und ihn gedanklich gleich mal bei Cousin Rokko (Klaas Heufer-Umlauf) einquartiert – in Berlin. Kaum in der nachtlebigen Hauptstadt angekommen, beginnt das Chaos. Ole verliebt sich in Rokkos beste Freundin Fritzi (Jytte-Merle Böhrnsen). Die lebenslustige Fritzi ist in Liebesdingen allerdings eher verkorkst und schwört auf One-Night-Stands, statt auf eine feste Beziehung. Da kann mal wohl nichts machen. Oder? Außerdem gilt es noch einen Familienstreit von Anno Dazumal zu begraben, der für eine jahrelange Funkstille zwischen Rokkos und Oles Familien gesorgt hat.

Kritik

Manche Filme schaut man sich an und weiß nicht so recht, was man davon halten soll. Als genau solch einen Film könnte man "Grossstadtklein" von Nachwuchsregisseur und Drehbuchautor Tobias Wiemann bezeichnen, der mit dieser romantischen Komödie im Sommer 2013 sein Kinodebüt ablieferte. Die Besetzungsliste kann gewiss mit einigen "großen" Namen der deutschen Film- und Fernsehwelt aufwarten. Dass Til Schweiger als Produzent im Hintergrund fungierte, spricht ebenfalls für sich. Immerhin servierte er mit Komödien wie "Keinohrhasen" und "Kokowääh" sehenswerte Kinohits, die ins Herz gehen und die Lachmuskeln trainieren. Das wäre auch im Fall von "Grossstadtklein" wünschenswert gewesen. Doch leider erweist sich Wiemanns Debüt als äußerst klein, was den Weitblick und die Bodenhaftung betrifft. Seine Geschichte will zu viel und bietet dabei doch zu wenig. Von Allem!

Die Story ist eigentlich flott erzählt und überrascht kaum. Vom Dorf geht es ab in die angesagte Großstadt Berlin. Denn Ole, gespielt von Jacob Matschenz (war zuletzt in der zweiteiligen TV-Produktion "Die Pilgerin" zu sehen), wird von seinen Eltern und seinem Großvater etwas unsanft in Richtung berufliche Zukunft gestupst. Schließlich besteht das Leben nicht nur aus Moped-Rennen mit den besten Kumpels und ja, mit Anfang 20 sollte man so langsam wissen, wo die Reise hingehen soll. Deshalb hat der im Sterben liegende Opa hinter Oles Rücken einen Praktikumsplatz in der trendigen Hauptstadt klar gemacht. Der Schlafplatz ist ebenfalls gebongt, nämlich bei Cousin Rokko, den Ole zuletzt vor 15 Jahren gesehen hat und der wiederum wenig begeistert ist von seinem neuen Mitbewohner. An dieser Stelle wird es dann etwas kompliziert, zumindest in Bezug auf die Verwandtschaftsverhältnisse und die damit einhergehende Dramatik des Films. Beides ist allerdings kaum der Rede wert, könnte sich hinter der Tragödie vergangener Tage doch weit mehr verbergen, als es dann tatsächlich der Fall ist.

Das Problem: "Grossstadtklein" fühlt sich in seiner Gesamtheit an wie ein Gefüge von einzelnen Puzzlestücken, die eigentlich wunderbar ineinandergreifen könnten. Am Ende reicht es aber doch nur für ein halbfertiges Schwarz-Weiß-Bild. Für mehr sind die Charaktere einfach zu blass gezeichnet, sodass selbst ein Kostja Ullmann aus "Groupies bleiben nicht zum Frühstück" leer wirkt wie eine entladende Autobatterie, indes er gemeinsam mit Filmkollege Pit Bukowski (aus "Lost Place") als unterbelichteter Dorfdepp herhalten darf – beide spielen Kumpels von Ole. Die Story ist zudem zu klischeebeladen, vorhersehbar und sprunghaft skizziert, während man angestrengt versucht, derb lustig zu sein. Das stört zuweilen die angenehm leisen Töne, in denen es um Liebe, Freundschaft, Verlust und Vergebung geht.

So ist es einfach nur too much und witzlos, wenn Rokko, gemimt von Moderator Klaas Heufer-Umlauf ("Circus HalliGalli"), seinen blanken Hintern in die Kamera streckt und sich hingebungsvoll einer Intimrasur widmet, während Ole beschämt in der Badewanne liegt und - ebenso wie der Beobachter - lieber woanders sein möchte. Mal davon abgesehen, dass Heufer-Umlauf nicht wirklich überzeugend agiert, spielt er doch scheinbar sich selbst und vermag hier nichts anderes als seinen ganz persönlichen Halligalli zu veranstalten. Das mag aber sicherlich Geschmackssache sein. Ebenso wie allerhand andere Gags, die äußerst selten ins Schwarze treffen. Etwa, wenn Ole von seinem homosexuellen Kollegen gemobbt wird und sich dafür auf seine ganz eigene Art revanchiert. Man fragt sich: Wer ist dieser stereotype Pullunderträger überhaupt?

Dennoch sind sie durchaus zu finden, die ganz kleinen großen Momente in "Grossstadtklein". Denn nicht nur die malerischen Landschaftsaufnahmen irgendwo im begrünten Mecklenburg-Vorpommern verzücken Auge und Herz, sondern auch die Liebesgeschichte zwischen Ole und Fritzi. Das Lob gebührt dabei keinesfalls dem auch hier eher einfallslosen Skript, das mit etlichen Klischees und einem recht simplen Happy End gespickt ist, sondern der funktionierenden Chemie zwischen Jacob Matschenz und Filmpartnerin Jytte-Merle Böhrnsen ("Kokowääh 2"). Besonders letztere strahlt mit der Sonne über den Feldern von "wo auch immer" um die Wette und bringt eine ansteckende Leichtigkeit mit sich, die sich ausgezeichnet mit Oles anfänglicher Unsicherheit verträgt. Obwohl auch hier der charakterliche Buntstift an der einen oder anderen Stelle versagt, dürfen Ole und Fritzi gelegentlich über den Horizont hinausblicken und sich in eine komplizierte Liebesangelegenheit á la "Es ist mehr, als nur das eine" verstricken lassen – untermalt mit eingängig chilligen Songs von Stereolove ("Once") und Gloria ("Eigenes Berlin").

Fazit

Mit seinem Spielfilmdebüt vermag Nachwuchsregisseur Tobias Wiemann hier und da recht nett zu unterhalten, überwiegend treibt er es jedoch zu arg auf die Spitze und verzettelt sich in der nicht vorhandenen Komplexität seiner Charaktere. Dennoch, für einen gemütlichen DVD-Abend ist diese bittersüße "Boy meets Girl"-Komödie gewiss mal ganz nett. Das muss dann aber genügen.

Doreen B. - myFanbase
19.02.2014

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