Bewertung
Stephen Frears

Immer Drama um Tamara

"Wie hat sie sich nur in diese Shorts gequetscht? Ich hoffe, sie holt sich keinen Pilz."

Foto: Copyright: 2011 PROKINO
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Inhalt

Im beschaulichen und friedlichen Dorf Ewedown in England ist die Welt noch in Ordnung – bis eines Tages Tamara Drewe (Gemma Arterton) in eben jenes Heimatdorf zurückkehrt. Früher noch als hässliches Entlein verschrien, verdreht die junge und attraktive Journalistin den dortigen Männern nun reihenweise den Kopf. Zunächst beginnt sie eine Beziehung mit einem Rockstar, dann hat sie mit einem alternden Frauenheld eine Affäre, nur um am Ende festzustellen, dass sie ihre große Liebe vielleicht bereits kennt seitdem sie ein junges Mädchen ist.

Kritik

"Immer Drama um Tamara" basiert auf der Graphic Novel "Tamara Drewe" von Posy Simmonds, die wöchentlich in der britischen Zeitung "The Guardian" erscheint (und trägt daher im Original auch diesen Titel anstatt der durchaus fragwürdigen deutschen Namensgebung). Bereits seit längerem werden Comics verfilmt, die nicht dem gängigen Superheldenschema entsprechen und sorgen dafür, dass eine breitere Öffentlichkeit wahrnimmt, dass das Genre der Graphic Novels aus mehr besteht, als aus der x-ten Geschichte darüber, wie Superman die Menschheit rettet. Stephen Frears, seines Zeichens unter anderem Regisseur vom sechsfach für einen Oscar nominierten Film "Die Queen", für den Hauptdarstellerin Helen Mirren die einzige Trophäe mit nach Hause nahm, sah das immense Potential, das der Comic bot und schuf daraus eine Romantikkomödie, die auf den ersten Blick in die Inhaltsangabe schrecklich gewöhnlich klingen muss.

Dass sie dies mitnichten ist, ist das Resultat zahlreicher gelungener Komponenten, allen voran die Nebenrollen. Tamara kehrt nämlich nicht nur in ein verschlafenes Dorf zurück, sondern findet sich in unmittelbarer Nähe zu einem Anwesen, wo der erfolgreiche Schriftsteller Nicholas mit seiner Frau lebt und Schriftstellerkollegen sich einmieten können, um an ihren Werken zu schreiben. Damit gibt es schon einmal den Mainstream-Autor, der einen Bestseller nach dem anderen veröffentlicht, sowie den Intellektuellen, der an einer Schreibblockade leidet, da er sich selbst nicht darüber im Klaren ist, an welchen Leser er sein Buch überhaupt richten möchte. Dazu gesellen sich unter anderem der Drummer einer erfolgreichen Rockband und dessen Hund Boss, der attraktive Gärtner, der im Grunde Mädchen für alles ist, sowie zwei Schulmädchen, bei denen man sich lange fragt, welchen Part sie zur Story beitragen. All die Nebencharaktere sind voll von liebenswürdigen Eigenheiten und schrulligen Ticks und sorgen für einige Lacher. Dabei sind sie so wunderbar geschrieben, dass sie trotz alledem nicht wie Karikaturen oder Stichwortgeber wirken, sondern wie (mit)fühlende Menschen, mit denen man auch mitleiden kann.

Die zwei Schulmädchen Jody und Casey sind sicherlich eines der Highlights des Films. Sie sitzen an der Bushaltestelle, lesen typische oberflächliche Mädchenzeitschriften und sind voll unter dem Einfluss des Boulevards. Die Art und Weise, wie sich die beiden verhalten, sorgt dann sogar für den einen oder anderen boulevardkritischen und satirischen Unterton, was "Immer Drama um Tamara" eine weitere Facette gibt. Vor allem sind die beiden aber zum Brüllen komisch, sowohl was ihre Aktionen als auch ihre Dialoge ("Wieso schnappt sie sich ihn? Ich liebe ihn doch schon seit März!") angeht, und man stört sich als Zuschauer gar nicht dran, dass sie erst mit der Zeit voll in der Story integriert sind und sonst eher als kommentierende Beobachter in Erscheinung treten.

Aber auch sonst bietet der Film so einiges, angefangen bei den schönen Landschaften, einer Story, die tiefgründig genug ist, um sich auch tragische Momente erlauben und sehr passend transportieren zu können, bis zu einer Hauptfigur, die ebenso wie ihre Darstellerin durch und durch bezaubernd ist. Am Anfang ist Tamara geradezu unsicher bezüglich ihrer Schönheit, die sie nun auch aufgrund ihrer operierten Nase ausstrahlt, dass sie ihre Wirkung auf andere erst nicht einschätzen kann und schließlich lieber die schnelle Bestätigung durch ein kurzes Liebesabenteuer sucht als eine stabile Beziehung. Doch sie versucht, sich dies soweit möglich nicht anmerken zu lassen, und ist charmant und schlagkräftig als wäre sie die Person mit dem größten Selbstbewusstsein der Welt. Nicht nur die Männer des Films verfallen ihr so in Sekundenschnelle, auch der Zuschauer hat von Anfang an eine Hauptdarstellerin, mit der er mitfiebern kann und die darüber hinaus auch noch die reinste Augenweide ist. Ex-Bond-Girl Gemma Arterton verschafft ihrer Figur auch durch die Reifung, die sie im Verlauf des Films durchmacht, eine wohltuende Tiefe.

Wirklich böse kann man daher auch gar nicht sein, dass das Ende von "Immer Drama um Tamara" recht rasch vorherzusehen ist, denn irgendwie gönnt man ihr einfach das unweigerliche Happy End. Der Weg bis zu eben jenem Filmende nimmt jedoch glücklicherweise so manche Schlenker sowohl ins Lustige als auch ins Tragische und ist für so manche Überraschung gut. Und wenn sich nicht gerade alles um Tamara dreht, sind die Nebenfiguren stark genug, um den Film in gut geschriebenen Nebenplots notfalls auch ohne sie zu stemmen. Manchmal nimmt man sich vielleicht trotz der überschaubaren Laufzeit von 106 Minuten zu viel Zeit, um manche Sachverhalte darzustellen, während an anderer Stelle eine detailliertere Ausarbeitung angebracht gewesen wäre, aber am Ende reiht sich "Immer Drama um Tamara" ein in die durchaus namhafte Garde von britischen Romantikkomödien, die so unglaublich viel mehr bieten als die vielen unsäglichen US-RomComs mit Jennifer Aniston und Co.

Fazit

"Immer Drama um Tamara" wird keine Preise für Innovationen des Genres gewinnen, aber er macht so unglaublich viel richtig und entwickelt einen ansteckenden Charme, dass man über die ohnehin nur sehr vereinzelt auftretenden Mängel getrost hinweg sehen kann.

Andreas K. - myFanbase
30.04.2011

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