Bewertung
Tony Goldwyn

Betty Anne Waters

"It's time for you to start living your life."

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Inhalt

Es ist ein sonniger Tag im Mai 1980, als in Aver, Massachussets eine Frau erstochen wird. Im ganzen Dorf wird nach dem Mörder gesucht und gefahndet und drei Jahre später – nachdem er schon 1980 verhört wurde – wird Kenneth Waters (Sam Rockwell) festgenommen. Der auffällige Familienvater war immer wieder ein Gast im örtlichen Polizeipräsidium gewesen – jedoch meist wegen Bagatellen. Nun steht er jedoch wegen Mordes vor Gericht und wird schließlich, nach kurzem Prozess, zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt – in den USA tatsächlich lebenslang. Doch während fast alle daran glauben, dass Kenneth zu einer solchen Tat fähig ist, ist seine Schwester Betty Anne (Hilary Swank) von seiner Unschuld überzeugt. Sie setzt alles daran, ihren Bruder nicht aufzugeben und geht schließlich den harten Weg und kämpft alleine für ihn. Sie macht ihren Schulsabschluss und studiert Jura, um ihrem Bruder besser helfen zu können. Doch wird ihr das gelingen?

Kritik

Elf Jahre ist es her, dass Julia Roberts der Welt in "Erin Brockovich" die unglaubliche Geschichte der jungen, arbeitslosen Mutter Brockovich erzählte, der es im Jahr 1996 gelang, gegen eine der größten Energiekonzerne der USA einen dreistelligen Millionenbetrag zu erstreiten. Dieser hatte den Bewohnern des Ortes Hinkley – ganz in der Nähe einer Niederlassung – mit Chrom verschmutztes Grundwasser zur Verfügung gestellt.

Und obwohl die Geschichte in "Betty Anne Waters" eine ganz andere ist, so kann man diese Filme schon alleine deswegen vergleichen, weil beide Filme ungewöhnlich starke und mutige Frauen in den Mittelpunkt stellen. In "Betty Anne Waters" ist diese unglaublich mutige Frau Betty Anne, die trotz aller Ungereimtheiten und Widersprüche und auch wenn es kein anderer mehr tut an die Unschuld ihres Bruders glaubt und für diesen kämpft.

Dabei geht es in diesem Film vor allem um eines – Vertrauen. Denn was, wenn nicht unbegrenztes Vertrauen in die andere Person bringt einen dazu, sein Leben zu opfern – es hinten anzustellen –, um das des eines anderen Menschens reinzuwaschen und es ihm zu ermöglichen. Im wahren Leben wie auch im Film beginnt Betty Anne für die Freilassung ihres Bruders zu kämpfen, doch da man als Bedienung in einem Café nicht unbedingt viel Stimme verliehen bekommt – vor dem Gericht – macht sie ihren College-Abschluss nach und studiert Jura. Sie besucht ihren Bruder immer wieder, muntert ihn auf – gibt ihm Hoffnung, ebenso wie sich selber, denn immerhin verliert sie durch ihre Aktionen nicht nur ihren Mann, sondern verpasst auch einen Großteil der Kindheit ihrer Kinder. Und egal, wie viel man an diesem Film – dem Film wohlbemerkt – zu bemängeln hat, so ist die Geschichte von Betty Anne Waters doch tatsächlich eine, die es verdient hat, erzählt zu werden. Es ist eine mutige, emotionale und tieftraurige Geschichte, wobei der traurigste Teil im Film ausgelassen wurde.

Bei der wohl schwierigsten Aufgabe des Films, die Beweggründe hinter dem Treiben von Betty Anne zu erklären und greifbar zu machen, verharrt der Film leider über weite Strecken auf der Besessenheit von Anne, ihren Bruder reinzuwaschen. Und obwohl das Treiben der jungen Frau wohl tatsächlich irgendwann in eine Art Besessenheit übergegangen war, so war dies gewiss nicht der ausschlaggebende Punkt, der sie dazu brachte für das Leben ihres Bruders zu kämpfen. Um die Liebe zwischen den Geschwistern – und auch ihr Vertrauen ineinander – dem Zuschauer deutlich zu machen, bedient sich der Film zahlreicher Rückblenden, die wohl bei einem anderen Ensemble durchaus nötig gewesen wären, aber mit Hilary Swank und Sam Rockwell mehr als überflüssig sind, reicht doch bereits die erste Szene der beiden zusammen, um dem Zuschauer diese besondere Beziehung von Bruder und Schwester zu verdeutlichen. Schade sind diese Rückblenden vor allem, da sie die Erzählungen des Filmes immer wieder unterbrechen und die Screentime für weitaus wichtigere Szenen rauben. Auch werden die Zeitsprünge, die bei einer Geschichte, die sich über mehr als 18 Jahre hinzieht, nicht zu vermeiden sind, ungünstig eingesetzt.

So zieht sich der Film in der Mitte etwas hin, ohne dem Zuschauer Anhaltspunkte zum Festhalten zu geben. Erst mit dem Auftauchen des Innocence-Projekts und des Anwalts Barry Scheck (Peter Gallagher) wird der Film wieder mitreißender. Die letzten 30 Minuten sind dann tatsächlich solide Kinounterhaltung, da es "Betty Anne Waters" hier wieder gelingt, spannend zu werden.

Auch um die politischen Aspekte des Themas kommt der Film nicht hinweg, wenn er sie auch nicht unbedingt in den Mittelpunkt stellt. Denn wie dieser Film – mit den Aussagen des Abspanns – zeigt, heißt es eben doch nicht immer "Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist", sondern auch "Schuldig, bis die Unschuld bewiesen ist". Gerade der Fall Kenneth Waters zeigt aber auch was Staatsanwaltschaft, Polizei und andere Organe machen, um dem Druck der Öffentlichkeit nach einem Verurteilten zu entsprechen. Gerade in den Zeiten vor dem Einsatz und der Entdeckung von DNA-Spuren, war dies für die Ermittler immer wieder möglich.

Mit den Hauptdarstellern Hilary Swank und Sam Rockwell hat man die perfekte Besetzung des ungleichen Geschwisterpaares gefunden. Jede einzelne Szene der beiden zusammen zeigt dem Zuschauer die Liebe und den Bund zwischen ihnen und macht deutlich, warum Betty Anne dies alles auf sich nimmt. Gerade diese Szenen sind auch wunderbar geschrieben und zeigen die Stärken des Drehbuchs. Doch in den Szenen ohne ihr starkes Gegenstück Rockwell wirkt Swank häufig fehl am Platze, was jedoch weniger an ihr, sondern am Drehbuch zu liegen scheint. Unterfordert in ihrem Schauspiel merkt man ihr dies teilweise auch an. Da helfen auch Nebendarsteller wie Minnie Driver, Juliette Lewis oder auch Peter Gallagher und Melissa Leo kaum weiter.

Fazit

Eine wunderbare Geschichte, die es eigentlich verdient hätte, in einem besseren Film erzählt zu werden. Trotz Drehbuchschwächen kann der Film aber vor allem dank der beiden Hauptdarsteller und der emotionalen Geschichte durchaus überzeugen.

Eva Klose - myFanbase
31.03.2011

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