Bewertung
Uwe Boll

Postal

"Boll, ich bin Vince Desi. Was zum Henker hast du mit 'Postal' gemacht?"

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Inhalt

Der arbeitslose Dude (Zack Ward) lebt mit seiner unglaublich übergewichtigen Frau auf einem schäbigen Trailerpark in Paradise, Arizona. Um seinem elenden Leben zu entkommen, bittet er seinen Onkel Dave (Dave Foley), den Führer einer apokalyptischen Sekte, um finanzielle Hilfe. Dieser ist jedoch genauso pleite, plant aber den Diebstahl von heißbegehrten Krotchy-Puppen, damit er sie im Internet für horrende Preise verkaufen kann. Doch nicht nur der Dude und Onkel Dave sind hinter den Puppen her, sondern auch Osama Bin Laden und seine Taliban, die die Spielzeuge für einen Anschlag auf die westliche Welt brauchen…

Kritik

Die goldene Himbeere – ein Preis, der jährlich für die schlechtesten Leistungen im Filmgeschäft vergeben wird. Der umstrittene Regisseur Dr. Uwe Boll, bekannt für seine zahlreichen Videospielverfilmungen, wurde bislang ganze dreimal für seine Tätigkeiten hinter der Kamera nominiert und gewann die Auszeichnung 2009 für sein selbsternanntes Meisterwerk "Postal". Ihm wurde übrigens ebenfalls die große Ehre zuteil, die erstmals vergebene Himbeere für das schlechteste Lebenswerk verliehen zu bekommen. Doch war Bolls Regiearbeit wirklich so miserabel, dass er den Film, den er für seinen besten hält, auch in den Sand gesetzt hat? Die Antwort ist überraschenderweise: Nicht nur.

Aber größtenteils schon. Bereits im Drehbuch steckt das größte Problem von "Postal". Es sind die Geschmacklosigkeiten, die politische Unkorrektheit, mit der Boll seine Satire gespickt hat. So zeigt er zum Beispiel, wie die Terrorpiloten von 09/11 im Cockpit über die genaue Anzahl an Jungfrauen im Paradies streiten, um sich dann zu entschließen, doch lieber zu den Bahamas zu fliegen. Doch dann stürmen die Passagiere herein und das Flugzeug steuert in den Turm. Dass das missverstanden wird, besonders in den USA, ist eindeutig. Und um jeden Zweifel aus dem Weg zu räumen, sagt Boll taktvoll in den Audiokommentaren zu "Postal": "Und jetzt geht's gerade ab, wir zeigen im Prinzip in der Szene, dass die Amis, die jetzt hier das Cockpit übernehmen wollen, DIE sind eigentlich Schuld, dass die Maschine ins WTC stürzt. […] Also im Endeffekt geben wir's den Amis hier direkt am Anfang mal richtig bitter, weil wir quasi ja indirekt sagen... tja, da seid ihr selber Schuld."

Diese enorme "Feinfühligkeit" auf Seiten Bolls bleibt den ganzen Film über erhalten, sodass es am Ende wenig Zuschauer geben dürfte, die sich nicht beleidigt oder erschüttert fühlen. Dabei sind viele der Geschmacklosigkeiten gar nicht Teil der gesellschaftskritischen Ebene: Kinder werden erschossen, ein Kleinwüchsiger von einer Horde Affen vergewaltigt, ein Baby im Kinderwagen überfahren und eine extrem übergewichtige Frau von zwei Polizisten mit obskuren Sexspielchen beglückt. Und man fragt sich nur "Wozu?". Witzig ist es in jedem Fall nicht.

Überhaupt schafft es Uwe Boll mit seiner Schauspielführung, so manche Szene, an der nichts auszusetzen wäre, zu versauen: Wenn Assistent Richard (Chris Coppola) den Sektenführer Onkel Dave (Dave Foley) weckt, der mit vier attraktiven Kultanhängerinnen im Bett liegt, ist dies durchaus als gute Persiflage zu bewerten. Doch wenn Boll meint, es wäre lustig wenn er Dave Foley im darauffolgenden Gespräch der beiden Männer auf die Toilette schickt und dort sein großes Geschäft verrichten lässt, sinkt das zuvor aufgebaute Niveau wieder rapide. Eine Erklärung dafür gibt es natürlich auch im Audiokommentar: "[…] Da wo wir den Film gedreht haben, in dieser alten Mühle. Das Klo war tatsächlich direkt im Schlafzimmer. […] Wir konnten das wirklich nicht begreifen, weil ich mein', das ist ja irgendwie relativ geschmacklos […]. Naja, aber das haben wir dann sofort so in die Handlung eingebaut." Da will man nicht wissen was Boll noch alles eingebaut hätte, wenn es vorhanden gewesen wäre.

Doch eins kann man dem umstrittenen Regisseur nicht vorwerfen: Inkonsequenz. Denn auch er selbst hat einen Auftritt in "Postal", bei dem er sich selbst auf die Schippe nimmt und in einem Interview behauptet, er würde seine Produktionen mit Nazigold finanzieren. Ebenfalls unterhaltsam ist es, wenn der Gamedesigner der Videospielvorlage mit den Worten "Was hast du mit "Postal" gemacht?" eine Prügelei mit Boll anfängt. Doch seine Konsequenz ist nicht immer richtig am Platz, besonders wenn es um den Mangel an Geschmack geht. Da macht der Regisseur auch nicht halt davor, sich als Pädophilen darzustellen.

Doch wieso ist die unverfrorene Satire nicht der schlechteste Film aller Zeiten? Weil Boll tatsächlich auch einige Dinge richtig gemacht hat. "Postal" sieht zum Beispiel handwerklich ganz ordentlich aus und auch schauspielerisch ist das Level über dem von Soapdarstellern, denn aus unerklärlichen Gründen sind mal wieder einige erfahrene Hollywoodmimen für den deutschen Regisseur vor die Kamera getreten. Einzig Ralf Möller fällt hier aus dem Rahmen, der eine gewohnt schlechte "Hai-Alarm auf Mallorca" Leistung abliefert.

Was noch mehr verwundert ist jedoch die Tatsache, dass Boll stellenweise sein Ziel erreicht hat: Durch seine schonungslose Darstellung gibt es Momente, in denen er auf originelle Weise politische und gesellschaftliche Kritik übt. Ein schwarzer Polizist, der Asiaten und Behinderte diskriminiert, die Parallelen zwischen Sektenkult und Taliban, und nicht zuletzt Osama Bin Laden, der mit seinem Unterstützer George W. Bush Ölpipelines in die Luft sprengt, um die Versicherung zu betrügen. Wäre der Film auf dieser Ebene geblieben, hätte der Regisseur durchaus einen Hit landen können. Doch sein Hang zum Fäkalhumor und anderen Fehltritten hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Fazit

Wer es schafft, sich an den vielen Niveau- und Geschmacklosigkeiten von "Postal" nicht zu stören oder beleidigt zu fühlen, der kann hier den ein oder anderen filmischen Höhepunkt von Uwe Boll bewundern.

Markus Hauschild - myFanbase
14.03.2010

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