Bewertung

Review: #5.15 Drama, Euer Ehren!

Foto: Josh Charles, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Josh Charles, Good Wife
© Paramount Pictures

Es ist in der heutigen Zeit nicht wirklich leicht einen richtig großen Schocker innerhalb einer populären TV-Serie umzusetzen. Es gibt eigentlich immer im Vorfeld Berichte, dass etwas Großes ansteht, vage Andeutungen und Vermutungen machen die Runde und wenn man halbwegs aktiv bei Social Media Angeboten unterwegs ist, braucht man nun wirklich nicht bewusst nach Spoilern zu suchen, um in den meisten Fällen zu ahnen, was einem bevorsteht. Das bezieht noch nicht einmal mit ein, dass man gegen Ende einer Staffel, spätestens zum großen Finale-Cliffhanger als geübter Zuschauer einfach weiß, dass große Ereignisse bevorstehen. Wenn einer Serie dann aber doch noch einmal ein richtig großer Schocker gelingt, den man nicht nur selbst absolut nicht hat kommen sehen, sondern offensichtlich das gesamte Twitter-Publikum kalt erwischt hat, dann kann man wirklich nur den Hut ziehen.

Diese lange Vorrede dient nun einerseits zur Einleitung, aber auch dazu, eventuell hier hereinlunsenden Lesern den Schocker nicht gleich im ersten Satz aufs Tablett zu knallen und ich muss mich dabei wirklich enorm beherrschen nicht einfach nur hysterisch loszuschreien: "Sie haben wirklich und wahrhaftig Will erschossen!" Ich kann es wirklich noch gar nicht richtig glauben, und es fällt mir unheimlich schwer die ganze Dimension dessen zu begreifen, und normalerweise gehöre ich nicht zu denen, die Ereignissen innerhalb einer fiktionalen Serie eine übergroße Bedeutung beimessen. Aber ich habe es wirklich schon so lange nicht mehr erlebt, dass ich den Verlust eines geliebten Charakters so gar nicht habe kommen sehen und er aus meinem Serienleben ebenso abrupt heraus gerissen wird wie aus dem der Protagonisten, dass ich das ganze erst einmal verarbeiten muss.

Richtig schwer wird es, in Anbetracht der ereignisreichen letzten Viertelstunde dieser Episode, diese als Ganzes zu bewerten. Wahrscheinlich ist das jetzt noch gar nicht richtig möglich, ich zumindest habe ehrlich gesagt sogar Probleme, mich an die Zeit vor Wills Tod zu erinnern, obwohl ich die Episode erst vor einigen Minuten beendet habe. Es wäre sicher übertrieben zu behaupten, dass der Effekt ähnlich ist, wie bei einem wirklichen plötzlichen Todesfall, aber ich finde, man hat es doch auch für den Zuschauer enorm gut hinbekommen, dass das große Finale eben wirklich aus dem totalen Nichts kam und alles vorher nun einfach keine wirkliche Rolle spielt.

Der Fall, in den sich Will hier noch einmal mit vollem Elan hineingekniet hat, die Überlegungen Kalindas und ihr letztes Gespräch mit Will und auch die kleine versöhnende Geste von Alicia, diese Details hätten alle darauf hinweisen können, dass mit Will etwas passieren wird. Aber im Gegensatz zu abgenutzten Klischees des noblen Nebencharakters, der plötzlich ganz viel Screentime erhält und dann kurz vor der wohlverdienten Rente erschossen wird, hat man dies hier einfach nicht kommen sehen. Dennoch hatte man so als Zuschauer noch einmal Zeit sich von Will zu verabschieden, auch wenn man nicht wusste, dass dies der Fall war.

Und dann passierte es, Wills Klient Jeffrey Grant erleidet einen Zusammenbruch vor Gericht, schießt um sich und genau als uns klar wurde, was passieren wird, verlässt die Kamera den Ort des Geschehens und wir verfolgen das weitere aus Dianes und Kalindas Perspektive. Dabei bin ich zutiefst beeindruckt davon, dass man uns eigentlich nie vormacht, Will könne irgendwie überlebt haben. Die Zeichen seines Todes sind von dem Moment an, in dem Kalinda in den Gerichtssaal blickt, deutlich zu sehen. Wills ausgestreckter Körper ist immer zu erkennen und der Blick auf seine Füße lässt keine Zweifel offen, aber wider besseren Wissens hofft man ebenso wie die beiden Frauen, die Zeuge des schrecklichen Ereignisses werden, es gäbe doch noch eine Chance. Ich rechne es der Serie dabei hoch an, dass man nun nicht noch mehr Drama um Will im Krankenhaus eingebaut hat. Nein, wir blicken wieder auf seine Füße und wissen, was los ist. Der Schock sitzt immer noch tief und man denkt die ganze Zeit nur, dass kann einfach nicht wahr sein.

Nun heißt es für die Serie, zu sehen wie der Alltag nach dieser fundamentalen Veränderung weiter geht. Ich gehe davon aus, dass sich die nächste Episode direkt mit den Folgen des Geschehens beschäftigen wird (und bin auch ein wenig froh darüber, dass wir Alicias Reaktion erst dann sehen werden. Das wäre hier wahrscheinlich einfach zuviel gewesen, zumindest für mich). Ein derartig plötzlicher Todesfall wird sicher alle Beziehungen komplett verändern, die Feindschaft der Kanzleien steht nun vor vollkommen anderen Rahmenbedingungen, und Alicia, Diane und Kalinda sind die drei Frauen, die vom Tode Wills am unmittelbarsten betroffen sind. Wie diese drei Frauen nun damit umgehen werden, und um so dies gemeinsam tun, ist für mich die große Frage nun. Und auf lange Sicht muss sich zeigen, was dies für den Status Quo der Serie bedeutet. Denn der wirklich gelungen umgesetzte Schock rund um Josh Charles' Ausstieg ist nur dann etwas wert, wenn man mit den Auswirkungen dessen sorgsam umgeht. Aber ich habe ehrlich gesagt keine Zweifel an den Fähigkeiten der "Good Wife"-Autoren, die wohl bisher ihre durch die Bank weg stärkste Staffel abliefern.

Es bleiben viele Fragen offen, wie geht es mit Lockhart/Gardner weiter? Was geschieht nun mit den Ermittlungen gegen Peter Florricks Wahlbetrug? Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen Florrick & Agos und Diane und Kalinda? Das bietet enormes Potential für das letzte Drittel der Season und ich bin für alle Möglichkeiten offen, auch wenn ich nicht hoffe, dass man nun einfach alle Anwälte miteinander versöhnt.

Unterm Strich bin ich aber wirklich davon beeindruckt, wie man Wills finales Kapitel, und damit meine ich seine Entwicklung in dieser Staffel, angelegt hat. Josh Charles hatte Robert und Michelle King bereits nach der letzten Season über seinen geplanten Ausstieg informiert und das man ihn nun unter dem Gesichtspunkt, dass er die Serie bald verlassen wird und auf solch tragische Art und Weise in den letzten Wochen noch einmal derart komplex und oftmals als richtiggehend gemein und skrupellos dargestellt hat, lässt mich meinen imaginären Hut ziehen. Die Gegenüberstellung von Wills moralischen Kompromissen und seinem Machthunger gegenüber den doch sehr ähnlichen Charakterzügen von Alicia war ein großer Antrieb für diese Staffel und hat sie zu einer sehr guten gemacht. Nun muss man dieses Vakuum, dass er hinterlässt schließen und ich bin sehr gespannt, auf welche Art und Weise man dies nun angeht. Die Punktezahl dieser Episode oben rechts ist dabei aktuell nur ein Ausdruck meiner Gefühle, denn wie bereits beschrieben, fällt es mir schwer, die Folge als Ganzes zu bewerten. Aber der Schock hat mich derart erwischt, dass ich allein für meine emotionale Reaktion volle Punktzahl vergeben werde.

Cindy Scholz - myFanbase

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