Bewertung

Review: #5.22 Schwanenlied

Foto: Jared Padalecki & Jensen Ackles, Supernatural - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Jared Padalecki & Jensen Ackles, Supernatural
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Wo soll man nur bloß anfangen? Vor nicht einmal 20 Minuten flimmerte die Folge zum zweiten Mal vor meinen Augen hinweg, und meine nervliche Situation hat sich kein bisschen gebessert. Die Nerven liegen blank. So viel ist in dieser Folge passiert und das ohne einen großen Knall, den man zwar erwartet hatte, aber nicht nachtrauert. Die Folge hat das fokussiert, was die Serie so sehenswert macht, und das ist die zwischenmenschliche Beziehung von Dean und Sam, die schon immer das Herz von "Supernatural" ausgemacht hat. Jetzt heißt es, sich anschnallen und die Taschentücher bereithalten, denn es gibt einiges, worüber man schreiben kann. Zu aller erst muss man damit anfangen, dass es ganz schwierig ist, eine Bewertung abzugeben, da die Episode so viele Elemente beinhaltet, die zwar nach Serienfinale schreien, es aber doch noch eine sechste Staffel geben wird. Diese Situation kam zustande, weil Eric Kripke die Serie für fünf Jahre konzipiert hat und damit den großen Handlungsstrang um die Apokalypse nicht noch um ein weiteres Jahr verlängern wollte. Aufgrund dieses Plans gibt er sogar das Zepter an Sera Gamble ab, auch wenn er der Serie nicht ganz den Rücken kehren und als Produzent weiterhin am Geschehen teilnehmen wird. Wäre demnach die letzte Szene nicht gewesen, so könnte man tatsächlich von einem Serienfinale sprechen, und dass dem nicht so ist, ist die einzige Tatsache, die meine Nerven gerade beruhigt.

It's a story about two brothers

Vor fünf Jahren begann die Serie damit, dass Dean seinen kleinen Bruder Sam in Stanford aufgesucht hat, um ihren für verschwundenen gehaltenen Vater wiederzufinden. Zusammen fahren sie in ihrem Impala, den man ohne zu zögern als dritten Hauptcharakter werten kann, von Ort zu Ort und besiegen Folge für Folge irgendein übernatürliches Wesen. Dabei kommen sie allem Bösen langsam auf die Schliche. Wenn man jetzt an diese Zeit zurückdenkt, dann kann man nur dasselbe sagen, was Sam schon in #5.21 Two Minutes To Midnight zu Dean gesagt hat, nämlich das das alles damals soviel einfacher war. Natürlich kann man nicht vergessen, dass die Brüder schon damals eine große Last auf den Schultern getragen haben und dass sie schon so einiges bewältigen mussten. Kein normales Leben führen zu können, ein gelbäugiger Dämon, der hinter Sam her ist, und ein Vater, zu dem sie nie wirklich eine liebevolle Bindung aufbauen konnten, sind nur wenige Beispiele für das frühere Leben. Damals hing aber noch nicht die Apokalypse über Sams und Deans Köpfen, die die ganze Welt bedroht und nur noch mehr Verantwortung mit sich bringt. Plötzlich kommen Engel, Dämonen, der Teufel und Gott höchstpersönlich ins Spiel. Ab diesem Zeitpunkt fragte man sich nur noch, wieviel ein Mensch überhaupt ertragen kann. Die Antwort scheint simpel zu sein: Unglaublich viel!

Im Kampf gegen die Apokalypse sind Sam und Dean die Schachfiguren, oder sollte man besser sagen die Hüllen, für Luzifer und Michael, und die Optionen beschränken sich auf ein Minimum. Dean wird ad acta gelegt, da Michael in Adam seinen Platz gefunden hat, und Sam kennt nur noch einen Möglichkeit, und die besteht darin “Ja“ zu Luzifer zu sagen, um ihn dann wieder im Käfig einzusperren. Somit ist der Grundkonflikt für diese Folge gelegt.

The Promise

Die Welt geht zu Ende, und Dean sagt Sam genau das, was dieser von ihm am meisten gebraucht hat. Nicht die Erlaubnis seines großen Bruders, sich Luzifer stellen zu dürfen, sondern die Zusicherung seiner Unterstützung und seines Vertrauen in ihn. Dean hat perfekt zusammengefasst, wofür er die ganze Zeit gelebt und was ihn ausgemacht hat, nämlich Sam. Er hat auf ihn aufgepasst und sich darum bemüht, dass ihm nichts passiert, wenngleich er dabei vergessen hat, dass Sam irgendwann erwachsen geworden ist. Zum Schluss hat Dean realisiert, dass er akzeptieren muss, dass Sam seine eigenen Entscheidungen treffen kann, und trotz des ganzen Leids in seinem Leben war diese Akzeptanz wohl das schwierigste für Dean.

Ein Entschluss ist gefasst worden, und während man Luzifer immer näher kommt, müssen sich sowohl die Zuschauer als auch Sam und Dean damit abfinden, dass ein Happy End nicht im Rahmen des Möglichen liegt. Jedenfalls nicht so eines, wie man es sich wünscht. Die Endzeitstimmung wird erdrückend, und Sam hat nur noch einen Wunsch für seinen Bruder. Es ist eine bewegende Geste von Sam, dass er Dean darum bittet, ohne Sam ein normales Leben zu führen. Wenn schon nicht beide, dann soll wenigstens Dean die Möglichkeit erhalten, einen typischen Alltag zu erleben, welchen man sich als Zuschauer allerdings schlecht vorstellen kann, was aber nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass man die beiden nur im Doppelpack kennt.

Showdown

Spätestens als sich Sam von Bobby und Castiel verabschiedet, wird einem bewusst, dass man sich allmählich wappnen muss, um noch die nächste Hälfte der Folge zu überstehen. Bobby mit Tränen in den Augen dastehen zu sehen, ist nicht weniger traurig, als Deans schmerzerfüllte Blicke zu bemerken. Lange dauert diese Szene allerdings nicht, da Sam sich wie gefordert mit Dämonenblut vollgetrunken hat und Luzifer einen Besuch abstattet. Dieser hat, wie nicht anders zu erwarten, wieder eine Menge Humor parat, und ehe man sich versieht, ist Sam plötzlich ein Gefangener in seinem eigenen Körper, da er sich von Luzifer hat übernehmen lassen. Während man noch für einen kurzen Augenblick gedacht hat, dass Sam es schaffen wird, die Kontrolle zu behalten, so muss man sich in der nächsten Minute selbst auf die Stirn klopfen, da man nicht im Ernst daran geglaubt haben konnte, dass alles so schnell endet. Jared Padalecki hat sich selbst übertroffen und schafft es wie schon in #5.04 The End, Luzifer auf seine eigene Art und Weise darzustellen. Gekonnt wechselt er zwischen Luzifer und Sam, als die beiden sich duch einen Spiegel unterhalten. Luzifer versucht dabei, Sams empfindlichen Punkt zu treffen, indem er Sams Gefühl anspricht, immer fehl am Platz gewesen zu sein. Nebenher muss Sam noch erfahren, dass er fast sein ganzes Leben lang beschattet worden ist.

Azazel hatte dafür gesorgt, dass verschiedene Dämonen sich als Freunde und Lehrer von Sam ausgegeben haben, nur um ihn im Auge zu behalten. Das muss ein bitterer Schlag für Sam gewesen sein.

In der Zwischenzeit kann sich Dean nicht damit abfinden, Sam aufzugeben, und möchte um jeden Preis was unternehmen. Es ist schon ein bisschen schade, dass er mit dem Vorhaben zunächst alleine dasteht, weil Castiel und Bobby schon am Ende sind. Dies ändert sich aber, als Dean mitten auf dem Schlachtfeld vor Sam/Luzifer und Michael steht und dringend mit seinem Bruder sprechen will. Castiel beweist Mut und vertreibt Michael für eine Weile, indem er einen Molotowcocktail mit heiligem Feuer auf ihn wirft. Im Vorfeld war die Rede davon, dass im Finale ein Charakter sterben wird, als dann jedoch Luzifer Castiel und Bobby tötet, was einen erschüttern ließ, war man sich deswegen nicht mehr ganz sicher. Zeit zum Atmen und zum Verarbeiten wird einem aber nicht gelassen, da Dean von Luzifer brutal verprügelt wird. Die Maskenbildner haben großartige Arbeit geleistet, da es einfach nur schrecklich war, Dean so zugerichtet zu sehen. Zwischen all den Schlägen Luzifers bringt Dean es trotzdem zustande, seinem Bruder zu sagen, dass er ihn nicht alleine lässt, und ab diesem Zeitpunkt gerät vergießt man auch die eine oder andere Träne.

Deans Worte aber erreichen Sam wirklich. Der nächste Moment wurde einfach perfekt inszeniert, denn man sieht in kurzen Rückblicken Sams Erinnerungen an Erlebnisse mit seine Bruder und dies bewirkt, dass Sam die Kontrolle über seinen Körper und somit über Luzifer erlangt. Mit den Worten “Alles wird gut“, an die man sich verzweifelt klammert, öffnet Sam mit den Ringen der apokalyptischen Reiter das Loch, bevor es zu spät ist, und zieht auch noch Michael mit sich hinein.

Endings are hard...

Die Überschrift könnte besser nicht sein, da der komplette Schluss der Folge nicht gerade leicht verdaulich ist. Zunächst einmal ist man heilfroh, dass Castiel erschienen ist und sein Engel-Mojo wiederhat. Somit konnte er nicht nur Dean heilen, sondern auch noch Bobby wiederbeleben, was wirklich großartig ist. Die Ursache für seine Rückkehr bleibt ungeklärt, aber es wäre schön, wenn Gott wirklich dahinter stecken würde. Mit seinem zurückerlangten Engel-Mojo scheint Castiel allerdings mehr als nur der Alte zu sein, da er auch seine Distanziertheit wiedererlangt hat, die man zuletzt zu Beginn der vierten Staffel gesehen hat. Das ist ein kleiner Wermutstropfen. Zudem wird er wieder in den Himmel zurück gehen, was mehr oder weniger schon ein passendes Ende für ihn ist, da man noch nicht weiß, ob er in der sechsten Staffel mit dabei sein wird. So oder so, es war eine wirklich tolle Zeit mit unserem Lieblingsengel. Hoffentlich sieht man ihn wieder.

Es war eine gute Idee, Chuck aus dem Voice Over erzählen zu lassen, da er damit wie eine Verkörperung der Autoren wirkte, die hinter der Serie stehen, und man hatte das Gefühl, als hätten diese genau das geplant, als sie diese Folge konzipiert haben. So hat man einige interessante Aspekte erfahren und ein stimmiges Ende erhalten. Chucks Schilderung ist nachvollziehbar und hat die letzten Jahren gut zusammengefasst. Vor allem ist der Teil schön, als er sagt, dass Sam und Dean die Familie gewählt haben. Sie haben ihre eigenen Entscheidungen getroffen und nun ist man am Ende angelangt. Das Problem ist nur, dass zwar alles stimmig ist, man aber kein Glücksgefühl empfindet. Man ist einfach traurig, als gesagt wird, dass sich Bobby und Dean eine lange Zeit nicht sehen werden, und Dean am liebsten tot wäre oder nach einer Möglichkeit suchen würde, wie er Sam zurückholen kann. Dass er das nicht tut, liegt allein an dem Versprechen, welches er gegeben Sam hat. An dieser Stelle ist die hervorragende schauspielerische Leistung von Jensen Ackles hervorzuheben. Die ganze Folge über hat er brilliert, aber es war die Krönung, als er am Ende mit gebrochener Stimme mit Lisa gesprochen und seinem Schmerz freien Lauf gelassen hat. Wenn diese Folge das Serienfinale gewesen wäre, dann wäre Sam nicht mehr da, und Dean würde ihm zuliebe versuchen, ein normales Leben mit Lisa und Ben zu führen.

...but then again, nothing really ends, does it?

Die letzte und alles entscheidende Szene ist die, als Sam vor dem Haus von Lisa aufgetaucht ist. Diese Szene ist die Überleitung für die sechste Staffel, die durchaus Kontroversen hervorgerufen hat, da es für fraglich gehalten wird, dass das Niveau der letzten Staffeln gehalten werden kann, obwohl die Serie ursprünglich auf fünf Staffel konzipiert wurde. Jetzt aber will der Zuschauer sehen, ob und wie Sam und Dean wieder zusammen finden, daher kann man die sechste Staffel kaum erwarten. Natürlich lässt sich schon darüber spekulieren, ob das wirklich Sam ist, der zurückgekehrt ist, aber wenn die Apokalypse beendet sein soll, was laut Eric Kripke der Fall ist, dann wieso nicht?

Fazit

Die Folge ist also ein Staffelfinale, wäre sie das Serienfinale bräuchte ich eine längere Zeit, um das alles zu verarbeiten und würde mir überlegen, ob ich diese Folge je wieder anschauen würde, weil sie ohne die Gewissheit über eine sechste Staffel zu traurig gewesen wäre.

Mittlerweile wird darüber geredet, dass die Autoren angeblich vorhaben, in der sechsten Staffel wieder zurück zum Ursprung zu gehen und die zwischenmenschliche Beziehung der Brüder wieder stärker zu thematisieren. Es soll keine epische Schlacht geben, sondern einfach nur das, was schon bewirkt hat, dass man die erste Staffel von “Supernatural“ so gemocht hat. Wenn man tatsächlich diese Idee verfolgen wird, dann ist das wirklich eine angenehme Neuigkeit, denn nach der Apokalypse kann man die Serie gerne wieder aufs Wesentliche konzentrieren. Die endgültige Antwort bekommt man aber erst in vier Monaten.

Lukas O. - myFanbase

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