Bewertung

Review: #5.18 Kein Weg zurück

Foto: Jared Padalecki & Jensen Ackles, Supernatural - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Jared Padalecki & Jensen Ackles, Supernatural
© Warner Bros. Entertainment Inc.

An die 100. Episode einer Serie werden meist hohe Erwartungen gestellt. Bei "Supernatural" steht in erster Linie die Dynamik zwischen den Brüdern und ihre Entwicklung mit- bzw. zuletzt leider eher getrennt voneinander im Vordergrund, und in dieser Hinsicht ist diese Episode ein Meilenstein in der Seriengeschichte und in meinen Augen absolut gelungen. "Point of no return" – so ist es! Die Brüder sind wieder zusammen unterwegs! Jetzt sind sie wieder ein Team und haben dasselbe Ziel. Ein Zurück gibt es da nicht mehr. Gefühlte 100 Jahre sind sie durch die Hölle gegangen, hin und wieder zurück, und vor allem stand dabei eines im Vordergrund, sie waren nicht zusammen. Die 100. Episode hat dies geändert.

The road so far

Wenn eine der Lieblingsserien ihre 100. Episode ausstrahlt, lädt dies zu einem kleinen Trip in die Vergangenheit ein und dazu, manches nochmal Revue passieren zu lassen. "Supernatural" ist die einzige Serie mit dieser Episodenzahl, die ich von Anfang an ohne Unterbrechung oder Interessenseinbruch jede Woche verfolgt habe, und die auch konstant zu meinen persönlichen Serienfavoriten gezählt hat. Das ist nichtmals bei "Lost" der Fall. Mit einem generellen Interesse für Horror und Mystery wollte ich ursprünglich eigentlich nur sehen, wie sich Jared Padalecki nach "Gilmore Girls" und Jensen Ackles nach "Smallville in ihren neuen Hauptrollen machen. Knapp fünf Jahre später sind einem Sam und Dean Winchester ans Herz gewachsen wie kaum andere Seriencharaktere, und die Serie hat ihre sechste Staffel in der Tasche.

Im Gegensatz zu anderen Action- und/oder Mysteryserien wie "Heroes" oder "Prison Break" hat "Supernatural" es geschafft, Charaktere und Handlungsbögen stringent zu entwickeln und die Qualität und Komplexität konstant zu steigern. Dabei werden bei "Supernatural" zwar sicherlich nicht soviele Fäden zusammengehalten, wie bei den von vornherein meisterhaft konzipierten sechs Staffeln von "Lost", aber der kleine, meist nur aus zwei Darstellern bestehende Hauptcast, profitiert insofern von seiner Übersichtlichkeit, als dass Jared und Jensen jede Möglichkeit nutzen konnten, miteinander als Darsteller zu wachsen, was die wunderbare Dynamik zwischen ihren Charakteren beinahe einzigartig macht.

Konfrontation und Motivation

Die große Stärke dieser Episode liegt in den Konfrontationsmomenten. Diese sind allesamt hoch emotional, da sie im allerengsten Kreise ausgetragen werden, zwischen Sam, Dean, Bobby und Castiel. Vor allem Dean spricht Dinge aus, die als unverzeihlich betrachtet werden könnten, aber diese vier Charaktere wären nicht die, die sie sind, wenn so etwas Profanes wie verletzter Stolz sie aus der Bahn werfen könnte. Diese vier sind füreinander da – no matter what!

Nun tut Dean aber wirklich sein Bestes, alle von sich zu stoßen. Er war über all die Jahre der zuverlässige, treue und berechenbare Winchester, der, der brav mit Dad zusammengearbeitet hat, der seine eigenen Interessen hintenan gestellt hat, der seinen kleinen Bruder Sam nicht selten auf den richtigen Weg zurücksetzen musste, der zwischenzeitlich sogar gegen Sam kämpfen musste, um diesen zu retten, und der, der immer Stärke und Zuversicht gezeigt hat. Jetzt ist seine Kraft am Ende und er macht allen klar, dass er keinen anderen Ausweg sieht, als Michael seine Zustimmung zu geben, ihn als Hülle zu benutzen. Dabei stößt er seinen engsten Vertrauten bildlich gesehen das stumpfe Messer mitten ins Herz und dreht es auch noch in der Wunde herum. Er sagt zu Bobby, der in meinen Augen die sehr viel bessere Vaterfigur für Sam und Dean ist, als John Winchester es je war, dass er nicht sein Vater ist und auch keine Ahnung habe, wie es ist anfühlte, in seiner Haut zu stecken. Kurz darauf lockt er Castiel in eine Falle und vertreibt ihn durch das Blutzeichen, was, nach Castiels Schreien zu urteilen, ein grausames Erlebnis für den Engel sein muss, und zu guter Letzt schaut er seinem Bruder Sam in die Augen und sagt ihm, dass er nicht mehr an ihn glaubt.

All diese Worte tun ihre Wirkung, bei den Charakteren ebenso wie beim Zuschauer, dem die Charaktere über Jahre so sehr ans Herz gewachsen sind, dass man sie vor allem Bösen beschützen möchte. Was sich in diesen Szenen in Jensen Ackles' Gesicht abspielt, ist beachtlich. Er lässt seine Augen Bände sprechen über Trauer, Verlust und Enttäuschung, kurz gesagt er legt Schmerz in Deans Blick, tief empfundenen Schmerz. Ruft man sich ins Gedächtnis, dass die Serie nach der fünften Staffel hätte enden können und dies einer der letzten großen Momente zwischen Sam und Dean gewesen wäre, ich hätte abschalten und durchatmen müssen, denn einen so liebgewonnenen Charakater mit soviel Leid im Gesichtsausdruck zu sehen, mit so wenig Platz für Hoffnung (nur vier Folgen), das hätte zu weh getan.

Was aber bewirken diese Momente der Konfrontation bei Sam, Bobby und Castiel? Sie sind reine Motivation. Sie wissen, was Dean in seine aktuelle Gefühlslage gebracht hat, und vor allem bei Sam bewirkt Deans fehlendes Vertrauen in ihn ein Gefühl des Trotzes, ein Gefühl von "jetzt erst recht"! Mit einer wunderbaren Gelassenheit erklärt Sam Dean, dass er darauf vertraut, dass Dean das Richtige tun und sich Michael nicht hingeben wird. Die Tatsache, dass Dean Schwäche zeigt, macht Sam stark und optimistisch. Er stellt sich mit aller Vehemenz an Deans Seite und öffnet diesem damit die Augen. Dean wird im entscheidenden Moment, als Zachariah Michael herbeiruft, da Dean seine Zustimmung erteilt hat, klar, dass die Entscheidungsgewalt in seiner Hand liegt und er es zu diesem Punkt gebracht hat, weil sein Bruder ihm vertraut und ebenso Bobby und Castiel ihm den Weg geebnet haben. Dies gibt Dean die Kraft, im Alleingang das gesamte Geschehen herumzureißen, den überheblichen, siegessicheren und deshalb unvorsichtig gewordenen Zachariah unschädlich zu machen und mit Sam abzuhauen, bevor Michael angekommen ist.

Danach erleben wir endlich mal wieder eines der traditionellen Gespräche der Brüder im Auto. All die Konfrontationen der Episode, Bobbys, Castiels aber allem voran Sams Vertrauen haben Dean dazu motiviert, nun wieder Seite an Seite mit Sam zum Kampf antreten zu wollen. Der drängende Rhythmus des Songs in der Coda erzeugt Spannung und verleiht dem Ganzen eine perfekte Dynamik.

Wiedersehen

Einige Fans hätten in dieser Jubiläumsepisode sicher Jeffrey Dean Morgan gerne als John Winchester wiedergesehen. Ich aber bin froh, dass man sich nicht dafür entschieden hat, da mir die Szenen mit John und den Brüdern immer schon zu pathetisch waren und ich es sehr viel lieber sehe, wenn Sam und Dean ihre Emotionen nur unter sich ausmachen. Mary Winchester war zuletzt mehrfach zu sehen, und so hat man sich hier stattdessen für ein Wiedersehen mit dem Halbbruder Adam, den man aus #4.19 Grabräuber kannte, entschieden.

Aufgrund dessen, dass die Familie für Sam und Dean den höchsten Stellenwert hat, da ihre Familienmitglieder ihnen nach und nach genommen wurden, haben selbige Familienmitglieder auch immer den höchsten Motivationsfaktor. Dies machen die Engel sich in ihrem perfiden Plan zu Nutzen. Sie drohen damit, Adam anstelle von Dean als Hülle für Michael zu benutzen, da sie genau wissen, dass der ältere Winchester-Bruder dies niemals zulassen und eher selber seine Zustimmung geben würde. Gleichzeitig impft Zachariah Adam auch Misstrauen gegenüber seinen Brüdern ein, da sie -wie sagte er so schön- "psychotically, irrationally, erratically codependent on each other" seien und sich deshalb im Zweifelsfall nur umeinander und nicht um seinen Verbleib scheren würden. So will Zachariah sicherstellen, dass Adam sich von Sam und Dean nicht umstimmen lässt.

Erst im "Beautiful Room" offenbart Zachariah Adam mit aller Schadensfreude, dass er niemals als Hülle für Michael geeignet wäre, er ist nicht mehr als Mittel zum Zweck, um Dean anzulocken. Eins wird dadurch klar, John Winchesters Blutlinie allein reicht nicht. Es muss Dean sein, weshalb es für mich geklärt wäre, dass es nicht nur auf den Körper sondern auch auf Deans Seele ankommt. Michael will Deans Körper und seine Seele. Wenn die Erzengel mit einem klassischen Teufelspakt aufwarten, wer braucht da noch einen Satan?

Am Ende sieht es zwar so aus, als habe Zachariah Recht gehabt, Dean und Sam retten sich aus dem Zimmer und Adam bleibt allein zurück, aber für Dean ist Adams Rettung ebenso selbstverständlich wie die von Castiel, und da darf man annehmen, dass sie einige Hebel in Bewegung setzen werden, um ihren kleinen Bruder und unseren Lieblingsengel wieder zurück zu bringen.

Opfer

Castiel bringt hier das ultimative Opfer, um seine Freunde und die Welt zu retten. Da wir es aber bei "Supernatural" mit übernatürlichen Mächten zu tun haben, hoffe ich inständig, dass er wirklich nicht endgültig fort ist.

Misha Collins darf hier endlich mal richtig Gas geben. Bedurfte es hinsichtlich seiner schauspielerischen Fähigkeiten bisher in erster Linie des Ernstbleibens und Handauflegens, konnte er sich hier endlich mal austoben. Behält man im Hinterkopf, dass Misha Collins erzählte, es sei fast unmöglich, bei den Dreharbeiten mit Jared und Jensen ernst zu bleiben, so kann man erahnen, wieviel Spaß Misha und Jensen diese Schlägerei gemacht haben muss, und trotzdem präsentieren sie sie mit großer emotionaler Tiefe, da auf der Hand liegt, wieviel Dean Castiel zu verdanken hat und wie enttäuscht dieser vom Verhalten gerade des Menschen ist, der ihm menschliches Empfinden überhaupt erst halbwegs verständlich gemacht hat. Castiel und Dean hatten in Staffel 4 sogar eine bessere Chemie als Sam und Dean, und alles, was sich da angestaut hat, bei unserem meist emotionslos wirkenden Engel, entlädt sich in diesem ergreifenden Dialog, der mit der Schlägerei einhergeht:

Dean: What, are you crazy?!

Castiel: I rebelled for this?! So that you could surrender to them?

Dean: Cas, please!

Castiel: I gave everything for you, and this is what you give to me?

Das menschliche Verhaltensmuster, etwas anderes zu sagen, als man denkt, hat Castiel auch gelernt, denn bevor er am Ende in die Halle geht, um den Kampf mit den Engeln aufzunehmen, sagt er zu Dean, er habe kein so großes Vertrauen in ihn, wie Sam es hat. Was er aber tut, zeugt vom Gegenteil. Er tritt gegen fünf Engel an und nimmt in Kauf, getötet zu werden, um den Weg für die Winchesters frei zu machen. Vielmehr noch, er hat sich das Blutzeichen, mit dem Engel vertrieben werden, in die eigene Brust geritzt, um die anderen Engel mit sich zu reißen. Wieso sollte er das tun, wenn er nicht das tiefe Vertrauen hätte, dass Dean das Richtige tun wird.

Humor

So dramatisch, emotional und herzbrecherisch diese Episode auch ist, den "Supernatural"-typischen Comical Relief gab es trotzdem immer wieder und gewohnt pointiert. Trotz schmerzlicher Resignation oder gerade aufgrund dieser sprüht Dean immernoch vor Sarkasmus wie z.B. in der Situation, als Sam und Bobby ihn dazu bringen wollen, gemeinsam einen neuen Plan zu schmieden: "Eight months of turned pages and screwed pooches, but tonight is when the magic happens!" oder als Adam wenig überzeugt von Sams nicht-vorhandenen Plänen ist: "We are working on the power of love." Und wie immer ist auch Cas' trockener Humor unbezahlbar, als er einen blutenden Dean bei Bobby abliefert und auf die Frage von Sam "What happened to him?" schlicht und ergreifend antwortet "Me." oder dem Straßenprediger die Lampe ausknipst mit den Worten: "You pray too loud." Um es hier mit den passenden Worten zu sagen: Dank sei Gott für Castiel. Aber auch Zachariah trägt ordentlich zum Spaßfaktor der Episode bei, selbst wenn sein Humor auf wenig Gegenliebe stößt, wie als er Adam seine Situation klarmacht: "If it’s any consolation you happen to be the illegitimate half-brother of the guy we do care about. That’s not bad, is it?"

Fazit

Die 100. Episode hatte alles, was man sich für eine "Supernatural"- Jubiläumsfolge wünschen kann, neben sehr gut aufgelegten Darstellern nämlich den entscheidenden Entwicklungsschritt der Winchester-Brüder. Nun kann man sie sich doch wieder eines Tages Seite an Seite bei einem heldenhaften Abtreten im Stile von "Butch Cassidy and the Sundance Kid" vorstellen.

Nicole Oebel - myFanbase

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