Die besten Charaktere 2010/2011
Balthazar (Supernatural)

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Balthazar ist Teil einer recht lange zurückreichenden Tradition bei "Supernatural", bei der es in erster Linie darum geht, eine brillante Figur zu schaffen und sie von einem geeigneten Schauspieler – in diesem Falle dem unbeschreiblich talentierten Sebastian Roché – schleifen zu lassen. Der neu eingeführte Charakter erobert mit Ausstrahlung und Charme in Windeseile die Zuschauerherzen, die bereits dann höher schlagen, wenn ihr neuer Liebling auch nur im Hintergrund steht und die es letzten Endes verkraften müssen, dass sie mit einem Vorschlaghammer in tausend Stücke gebrochen werden...

"What are you doing?" – "Whatever I want. This morning I had a menage a… what's the French word for 12?"

Foto: Sebastian Roché - Copyright: Jenny Duckworth Photography
Sebastian Roché
© Jenny Duckworth Photography

Balthazar ist der Paradiesvogel der himmlischen Heerscharen und eine gekonnt merkwürdige Mischung aus Mick Jagger und Huckleberry Finn. Das beginnt schon damit, dass der Engel sich seine Freiheit dadurch erkaufte, dass er seinen eigenen Tod vorgetäuscht hat, um sich nun mit dem Duft der weiten Welt in der Nase schönen Frauen und Alkohol hingeben zu können. Nebenbei widmet er sich ein wenig dem übernatürlichen Schwarzmarkt, bei dem es in erster Linie um den "Ankauf" von Seelen geht, einem anscheinend wichtigen Gut nach der Niederlage Lucifers und Michaels. Man könnte ihn also als das himmlische Gegenstück zu Crowley betrachten. Wieder einen gutherzigen Bösewicht ins Spiel zu bringen, nachdem der Trickster das Zeitliche gesegnet hat, tut der Serie gut und als würde der Lausbubencharme des überirdischen Ganoven nicht ausreichen, um das Publikum voll und ganz gefangen zu nehmen, kann Balthazar nebenbei mit einem so breit gefächerten Charakter aufwarten, dass man das Gefühl hat, man könnte mit Geschichten über ihn eine eigene Serie füllen.

Balthazar verbindet mit Castiel eine gemeinsame Geschichte. Die Freundschaft der beiden geht so weit, dass der als Antagonist eingeführte Balthazar nicht einmal eine Sekunde zögert, und Cas sofort seine Hilfe zusagt, als dieser ihn darum bittet. Der Engel scheint seinem Freund und neuem Heerführer zutiefst dankbar dafür zu sein, dass dieser den Himmel vom Einfluss des Schicksals befreit hat. Castiel selber weist Balthazar darauf hin, dass er einst ein ehrbarer Krieger gewesen sei, sodass man sich unweigerlich fragt, wie er vor seinem Auftritt in der Serie gewesen sein muss. Denn auf der Erde reicht seine Ehre offenbar nicht einmal so weit, dass er nicht seine Trümpfe in der Hand behalten und Castiel den Zugriff auf seine Waffen verweigern würde. Alles in allem bleibt er also der Dieb, als der er sich zunächst zeigt.

Obwohl Balthazar von Anfang an durch seine Widersprüchlichkeit eine positive Faszination auf die Zuschauer ausübt, trägt seine Feindseligkeit gegenüber den Winchesters zunächst dazu bei, ihn nicht hundertprozentig als Sympathieträger zu sehen. Hinzu kommt noch, dass er einen Vorteil darin erkennt, dem noch seelenlosen Sam dabei zu helfen, seine Seele von ihm fernzuhalten. Das wiederum kostet beinahe Bobby das Leben und gerade hier beweist Balthazar, wie weit er es im Ansehen der Zuschauer gebracht hat, denn obwohl hier Sams Seele und Bobbys Leben auf dem Spiel stehen, ist man weiterhin von der kriminellen Koketterie des Engels begeistert.

Vollkommen für sich begeistern kann er aber, als er kurzerhand die Titanic vor dem Sinken bewahrt, nur um den Film und Celine Dions Titelsong loszuwerden – oder zumindest hat das zunächst den Anschein. Denn Balthazar, das kommt hier heraus, ist unentdeckt von den Zuschauern zu Castiels rechter Hand und dessen loyalem Untergebenen geworden, ohne jedoch seinen Witz und seine Eigenarten zu verlieren. Diesen Spagat zwischen zwei Charaktereigenschaften muss man bei einer Figur, die zuvor nur eine Hand voll kurzen Auftritten hatte, erst einmal hinbekommen...

Wirklich unsere Herzen gestohlen hat Balthazar aber am Ende der Staffel, denn hier zeigt er, wie vielschichtig sein Charakter in Wirklichkeit ist. Er tritt zunächst als das gewohnte Schlitzohr auf, wirkt aber glaubhaft schockiert und getroffen, als er von Castiels Zusammenarbeit mit Crowley erfährt, und obwohl es ihn dabei innerlich sichtlich zerreißt, hilft er Sam und Dean dabei, Cas und Crowley aufzuhalten. Sebastian Roché schafft es dabei in wenigen Szenen seinem Charakter so viel Tiefe zu geben, dass man als Zuschauer vergisst, wie klein die Rolle eigentlich ist, die der Engel spielt. Die Schlussszene, in der Balthazar um Castiel herumtänzelt und sich krampfhaft bemüht, sein Pokerface aufrecht zu erhalten, wird hier zum perfekten Abgesang und als der Engel schlussendlich von seinem Vorgesetzten und Freund ermordet wird, bricht es einem das Herz.

Der Tod war bei "Supernatural" noch nie ein endgültiges Konzept und so bleibt ein winzig kleiner Hoffnungsschimmer, dass wir Balthazar noch einmal zu sehen bekommen, und wenn nicht – was leider anzunehmen ist – dann können wir uns trotzdem noch an dem erfreuen, was man uns hier geboten hat. Nämlich einen so runden und fertigen Nebencharakter, mit so vielen unterschiedlichen Zügen, dass man meinen könnte, er hätte jahrelang Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Balthazar hatte Charme und Witz, er war intelligent und loyal und hat am Ende bewiesen, dass er hinter seiner nonchalanten Fassade auch noch felsenfeste Prinzipien verborgen hat. Detailversessene Autoren und ein Schauspieler in Höchstform haben uns also mit Balthazar ein Geschenk gemacht, für das man ihnen beinahe – aber nicht ganz – verzeihen möchte, dass seine Geschichte viel zu früh ein Ende gefunden hat.

Eva Kügerl – myFanbase

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