Bewertung

Review: #2.02 Innenleben

Nachdem die letzte Folge recht viel über die Geschichte erzählt hat, die uns anscheinend länger begleiten wird, erzählt #2.02 The Life Inside einen abgeschlossenen Handlungsstrang, der oberflächlich recht actiongeladen ist, durch Raylans Reaktionen jedoch darauf aufmerksam macht, wie abgestumpft man als Zuschauer heutzutage ist.

Givens, Crowder, Bennett

Zunächst jedoch zum Handlungsbogen der Staffel. Boyd versucht wieder einmal, auf die rechte Spur zu kommen. Ob es ihm dieses Mal gelingt, bleibt abzuwarten. Recht interessant ist, dass er und Ava nun offensichtlich wirklich zueinander gefunden haben. Das Pärchen hat eine ruhige und irgendwie sehr real wirkende Chemie. Man darf hoffen, dass man mehr von den beiden zu sehen bekommt, was allerdings irgendwie impliziert, dass Boyd sich wieder in irgendwelche dubiosen Machenschaften verwickeln lässt. Und so ganz nimmt man ihm sein moralisches Auftreten ja nie ab.

Leichen im Keller – und das wortwörtlich – haben auch Mags Bennet und ihre Söhne. Loretta wird nun also, ohne es zu wissen, von der Frau aufgenommen, die kurz zuvor ihren Vater ermordet hat und zwar mit jener selbstverständlichen Kaltblütigkeit, die wir inzwischen von Harlan gewohnt sind. Erschreckend ist, dass Mags trotz allem nicht wirklich bedrohlich wird, ganz im Gegensatz zu ihren Söhnen. Coover und Dickie erfüllen jedes Südstaaten-Vorurteil, da fehlt im Grunde nur noch die Hochzeit mit der Cousine. Doyle wirkt dagegen überaus zivilisiert und wird vermutlich am ehesten eine Gefahr für Raylan darstellen. Dem Polizisten fehlt zwar das Feingeistige, das Boyd ständig umgibt, allerdings scheint er dadurch nicht minder gefährlich.

Um das Familien-Dreieck zu komplettieren, in dessen Mitte sich Raylan befindet, kommt es auch zu einem Wiedersehen mit Arlo. Dass dieser im Wohnwagen schlafen muss, weil er Raylan verraten hat, ist herrlich und zeigt, wie stark Helen eigentlich ist. Man kommt nicht umhin zu fragen, was diese Frau eigentlich mit Raylans Vater will und ob hier nicht wieder einmal die Macht der Gewohnheit greift.

Prinzipiell bekommen wir in der Folge minimale Ausschnitte der drei Familien, die in der Serie miteinander verbunden werden und Raylan irgendwie nicht wirklich zur Ruhe kommen lassen. Es ist beinahe so, als wolle man uns sagen, dass , wenn auch nur am Rande, die Vergangenheit immer und ständig gegenwärtig ist, es recht, wenn diese so sehr in Blut getränkt ist, wie die der drei Familien, um die es geht. Ich glaube, ich lehne mich nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass Raylan in Zukunft den ein oder anderen Kampf ausstehen wird müssen, um nicht irgendwann im Kreuzfeuer unterzugehen.

"I can't handle silence"

Die Kernszene der Folge war aus meiner Sicht die ruhigste und unaufgeregteste überhaupt. Die ganze Episode lang zeigt man uns Bilder, die im Grunde unter die Haut gehen müssen. Eine junge Frau wird im Gefängnis schwanger, bricht aus, will ihr Baby in einem Hinterzimmer per Kaiserschnitt auf die Welt bringen und das Ganze ausgeführt von einem Sanitäter. Ihr Ex-Freund weiß nichts davon, das Baby ist von einem Wärter, die sie töten lassen will. Die Frau wird beinahe aufgeschnitten, ein Mann stirbt von der Hand desselben Verbrechers, der kurz darauf der Hochschwangeren eine Waffe an den Bauch hält. Der Mann wird erschossen, bevor er abdrücken kann.

Die Fernsehwelt, in der wir hinein erzogen wurden, die wir gewohnt sind, erlaubt es uns, da nicht wegzusehen. Und mehr noch, es ist nicht einmal wirklich ein Schulterzucken wert. "Justified" ist nicht die Art von Drama, bei dem man von vorneherein versucht, ein Gespür für die Gefühle der Charaktere zu bekommen. Es geht um Kugeln und Blut und darum, dass ein vollkommen unaufgeregter Protagonist alles bewältigt, was es eben zu bewältigen gibt. Nicht für eine Sekunde, wirklich nicht im Geringsten, habe ich mir darüber Gedanken gemacht, ob Raylan das verkraftet, was er in dieser Geschichte zu sehen bekommt. Wenn man auch nur einen einzigen Moment opfert, um darüber nachzudenken, was in dieser Folge passiert ist, wie kalt ein Ort sein muss, an dem solche Dinge überhaupt möglich sind, dann erschrickt man beinahe vor sich selbst. Weil es einem nicht aufgefallen ist. Weil man zu sehr damit beschäftigt war, sich von der "Action", die im Vordergrund steht, mitreißen zu lassen.

Raylans Gespräch mit Winona hat einiges zurückgerückt. Raylan nimmt sein Beruf augenscheinlich mit, was im Grunde eigentlich ganz logisch ist. Er will nicht darüber reden, will seine wiedergefundene Beziehung nicht mit Bildern und Gefühlen belasten, mit denen ein Mensch eigentlich gar nicht klarkommen kann. Winona beweist ihm das Gegenteil. Sie könne damit umgehen, sagt sie, und hält uns Zuschauern damit einen Spiegel vor Augen. Nicht mit dem Zeigefinger, wie andere Serien das tun, in denen man den Helden in den Mund legt, dass es nicht lustig oder spannend ist, was sie machen, sondern auf einer vollkommen anderen Ebene. Sie könne mit diesen Dingen umgehen, sagt sie, nicht aber mit Schweigen. Und die Frage, die man sich als Zuschauer stellen muss, ist, ob wir verlernt haben, mit Schweigen umzugehen. Wie viel können wir sehen? Wie viel können wir ertragen, bevor wir von irgendetwas ergriffen werden? Und wenn Timmons geschossen hätte? Hätten wir zurückgezuckt, weil ein ungeborenes Kind gestorben wäre? Hätte es uns berührt? Würden wir uns diese Serie anschauen, wenn sie ruhiger wäre, nachdenklicher, weniger brutal und kaltblütig? Für Winona ist Schweigen unerträglich, für uns ist es langweilig.

Die Vermutung liegt nahe, dass die Serie diese Botschaft gar nicht vermitteln wollte. Dennoch hat sie es getan. Und dafür muss man im Grunde dankbar sein. Wird sich dadurch etwas in unserem Leben verändern? Vielleicht. Vermutlich nicht. Aber manchmal reicht es schon, wenn man mit seiner Nase auf etwas gestoßen wird, was einem eigentlich ohnehin hätte klar sein müssen. "Justified" erzählt nicht nur Geschichten, die Serie zeigt uns auch Menschen. Das sollten wir nicht vergessen. Vor allem, wenn die Szenen ruhiger werden und wir wieder einmal in Gefahr geraten, das Wesentliche zu übersehen.

Fazit

"Justified" zeigt uns ein Leben, das hartherzig ist, kaltschnäuzig und brutal. Dennoch bleiben wir davon relativ unberührt, was im Grunde ein Skandal sein sollte, in der heutigen Zeit jedoch irgendwie nicht mehr überrascht. Die Folge war zunächst spannend und mitreißend, geht aber dank der letzten Szene wirklich an die Nieren. Das Drehbuch sowie das fein gezeichnete Schauspiel erzählen uns große Geschichten zusammen mit den kleinen. Die Trennlinie zu ziehen, bleibt uns überlassen. Die Serie fordert aktive Zuschauer. Diese Herausforderung anzunehmen, kann im Grunde für uns nur einen Gewinn darstellen, auch wenn man mitunter mehr über sich selbst erfährt, als einem lieb ist.

Eva Kügerl – myFanbase

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