Bewertung

Review: #3.01 Harte Zeiten

Es gab selten einen Staffelauftakt, den ich so herbei gesehnt habe, wie #3.01 Always von "Chicago Fire". Der Cliffhanger aus dem vergangenen Finale #2.22 Glück und Unglück war so spannend wie selten zuvor, was vor allem daran lag, dass Fans der Serie vier Monate lang im absoluten Ungewissen lagen, wer von Wache 51 sein Leben in der erschütternden Explosion lassen wird. Es waren vier spannende Monate voller Diskussionen, Spekulationen und großer Angst vor dem letztlichen Ergebnis. Doch damit ist es nun vorbei und die dritte Staffel beantwortet nicht nur die nervenaufreibende Frage, wer die Serie verlassen muss, sondern knüpft an die gewohnte Qualität an.

"The house is cursed Casey. There's nothing but misery and heartbreak there."

Bei den unzähligen Spekulationen welcher Charakter sterben wird, waren die meisten davon überzeugt, dass es Leslie Shay trifft. Ich persönlich habe diese Theorie nie vertreten, da ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass uns ein weiterer weiblicher Charakter verlässt, der dazu auch noch der einzige homosexuelle Hauptcharakter gewesen ist und – wie zuvor Rebecca Jones – eine enge Verbindung zu Gabriela Dawson hat. Somit hat sich auch die ersten fünf Minuten alles in mir dagegen gesträubt, dass das Gesehene, der Wahrheit entspricht. Doch wie im wahren Leben, kann man den Tod eines Menschen nicht rational erklären, sondern muss sich dem Verlust stellen, egal wie sehr man sich dagegen sträuben mag.

Wie so häufig in Serien, überspringt man die direkte Trauerbewältigung und lässt einige Zeit vergehen – in diesem Fall sechs Wochen -, um den Charakteren (und auch den Zuschauern) etwas Luft zum Atmen zu geben. Natürlich wiegt der Tod von Leslie Shay auf allen Charakteren sehr schwer, doch im Fokus dieser Episode stehen vor allem Shays beste Freunde Kelly Severide und Gabriela Dawson sowie Chief Wallace Boden.

Innerhalb von zwei Jahren musste die Feuerwache 51 vier tragische Verluste ertragen. Zuerst ist Andy Darden im Einsatz gestorben, dann wurde Matthew Caseys Langzeitfreundin Hallie Thomas ermordet, Feuerwehrfrau Rebecca Jones hat sich das Leben genommen und nun ist auch Leslie Shay im Einsatz gestorben. Da stellt man sich leicht die Frage, wie jemand nach diesen Tragödien überhaupt noch Lebensmut aufbringen kann. Ähnlich verhält es sich mit Kelly, der mit Darden und Shay zwei der wichtigsten Menschen in seinem Leben verloren hat, und das durch die einzige Familie, die er jemals gekannt hat: Die Feuerwehr. Dass er sich daraufhin zurückzieht und überlegt den Job als Feuerwehrmann an den Nagel zu hängen, ist mehr als nachvollziehbar. Aber es ist schließlich Casey, der seinen Freund daran erinnert, dass die Verluste zwar alle schwer wiegen, jedoch in keinem Verhältnis zu den zig Leben stehen, die sie tagtäglich retten. Und genau diese Tatsache ist es wohl auch, die Menschen in diesem Job jeden Tag neu ermutigen zur Arbeit zu gehen und ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Dass Kelly somit auch zurückkehrt und wieder Teil der Wache 51 wird, stand natürlich außer Frage, aber es war schön, dass es genau Casey war, der ihm den ersten Schubser aus diesem emotionalen Loch gab und Kelly auch schließlich dabei half, die gemeinsame Wohnung zu betreten und auszuräumen. Durch den Verlust von Hallie ist Casey (leider) prädestiniert dafür Kelly zu helfen und zu wissen, was er jetzt braucht. Ich hoffe die Freundschaft der beiden festigt sich in dieser Staffel noch weiter und beschert uns einige tolle Momente – die Tatsache, dass Kelly nun vorerst bei Casey einzieht, lässt zumindest darauf schließen.

Im Gegensatz zu Kelly, stürzt sich Gabby in die Arbeit, doch das nicht als Feuerwehrfrau, sondern zunächst weiterhin als Sanitäterin (was sich jedoch bald ändern dürfte…). Gabby nutzt die Arbeit und den Zusammenhalt der Wache 51 deutlich als Ventil für ihre extremen Schuldgefühle. Denn wie sich herausstellt, haben Gabby und Shay im letzten Moment die Plätze getauscht, sodass Shay anstatt von Gabby tödlich verwundet wurde. Der Verlust einer geliebten Person ist schon schwer genug, die Tatsache, dass man selbst jedoch – zumindest aus der eigenen Sicht – einen entscheidenden Anteil am Tod hat, wiegt nur umso schwerer. Die Autoren bleiben ihrer Linie jedoch treu und zeigen Gabby weiterhin als starke Persönlichkeit, die ihre Probleme direkt angeht und nicht davon läuft. Somit sucht Gabby eigenständig einen Psychiater auf, dem sie ihre Schuldgefühle anvertraut, und der auch ein potenzieller Ansprechpartner für sie ist, sollte sie den Job als Feuerwehrfrau in einer anderen Wache aufnehmen.

Etwas schade an dieser Storyline finde ich, dass Gabby zwar an der Verlobung mit Casey festhält, der Antrag nun jedoch einen negativen Beigeschmack hat, da er am Todestag von Shay geschehen ist. Zwar machen sowohl Gabby als auch Casey deutlich, dass Casey ihr einen neuen Antrag machen wird, den Gabby in jedem Fall annimmt, aber gleichzeitig verschweigt Gabby ihrem Freund, dass sie einen Psychiater aufsucht und sich mit Schuldgefühlen plagt. Da die beiden eh schon ihre Probleme haben, die sich sicherlich noch etwas verschlimmern werden, wenn Gabby wirklich als Feuerwehrfrau aktiv wird, befürchte ich, dass die Autoren hier eine neue Chance sehen, den beiden Steine in den Weg zu werden. Da ich – aufgrund der vielen Unstimmigkeiten zwischen den beiden in Staffel 2 – nicht wirklich positiv gegenüber ihrer Beziehung gestimmt bin, hoffe ich inständig darauf, dass man hier keine erneute Berg- und Talfahrt zu sehen bekommt.

Der dritte Charakter, der von Shays Tod maßgeblich beeinflusst wird in dieser Episode, ist Chief Boden. Mehr denn je muss er seine Leute zusammenhalten und dafür Sorge tragen, dass sie gemeinsam an einem Strang ziehen und sich Halt geben. Und man darf nicht vergessen, dass er die Trauer und den Schmerz kompensieren muss, obwohl er selbst eigentlich gerade sein Glück mit Donna Robbins gefunden hat, die er am Todestag von Shay geheiratet hat, und ein Kind mit ihr erwartet. Gewohnt gibt Chief Boden alles und hat glücklicherweise nun Donna Robbins an seiner Seite, die dafür sorgt, dass er sich bei all dem nicht selbst vergisst. Zwar waren die Szenen mit Boden, Donna, Mouch und Trudy Platt (btw. herrliches Paar!!!) eher dafür da, dass man zwischen all der depressiven Stimmung mal kurz durchatmen konnte, doch der Kern der Szenen passt sich perfekt denen von Kelly und Shay an. Wie immer kann man die Stärke, die Boden hier an den Tag legt, nur bewundern und seine verzweifelte Ansprache an Casey, dass er dringend Führungspersonen in der Wache braucht, damit nicht alles aus den Fugen gerät, hat seine Wirkung bei Casey und dem Zuschauer nicht verfehlt!

Wunderbar verknüpft wurden alle drei Handlungsstränge durch den Charakter Matthew Casey, der für jeden der Charaktere auf seine eigene Art und Weise ein Fels in der Brandung war und somit einmal mehr bewiesen hat, dass er die Seele von Feuerwache 51 ist und alles für seine Kollegen und Freunde tun würde.

Randnotizen und persönliche Eindrücke

  • Das titelgebende Zitat dieser Episode ("Always") stammt passenderweise von Leslie Shay, die mit Kelly Severide vereinbart, dass sie immer für einander da sein werden, egal was passiert.
  • Die Rückblenden waren eine schöne Methode, um sich von Shay verabschieden zu können. Neben den tollen Momenten, die man Shay dabei auf den Leib geschrieben hat, habe ich mich vor allem über ein Wiedersehen mit Andy Darden, Jose Vargas und Hadley gefreut. Genau solche Feinheiten schätze ich besonders an Serien.
  • Wie herzzerreißend war denn bitte das erste Aufeinandertreffen von Kelly und Shay? Der Inbegriff von Liebe auf den ersten Blick!
  • Christopher Herrmanns Idee das Molly's in ein Franchise zu verwandeln und Mouch und Joe Cruz ins Boot zu holen, hört sich für mich wie die dümmste Idee an, die er seit seiner Energiewasser-Verkaufsaktion hatte. Das kann doch nur schief gehen, aber gleichzeitig natürlich für jede Menge Spaß beim Zuschauen sorgen…
  • Ich muss zugeben, dass ich durch den Cliffhanger überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hatte, dass Peter Mills auf der Suche nach der Familie seines Vaters ist. Umso gespannter bin ich aber nun auf diesen Handlungsstrang und hoffe, dass Mills so wieder mehr in den Vordergrund gerückt wird.
  • Die Fehde mit Lt. Tommy Welch von Drehleiter 66 hat bereits in der vergangenen Staffel begonnen und wird hier freudig weiter gesponnen. Angesichts der Tatsache, dass man als Feuerwehrmann ständig auf die Hilfe seiner Kollegen angewiesen ist und Feindschaft in diesem Job absolut keinen Platz hat, könnte dies durchaus noch sehr interessant werden.
  • Mit Sylvie wurde (die erste?) neue Sanitäterin eingeführt, von der wir gleich erfahren, dass sie vor ihrer Hochzeit kalte Füße bekommen hat und ihr Leben somit komplett umgekrempelt hat. Sie wirkt definitiv sympathisch, was u.a. auch daran liegt, dass Gabby sie gleich akzeptiert. Dennoch hoffe ich irgendwie, dass uns auch Chout oder McAuley des Öfteren als Sanitäterin präsentiert werden. Oder noch besser, dass Allison Rafferty zurück kommen wird.

Fazit

Niemals hätte ich damit gerechnet, dass die Autoren wirklich Leslie Shay sterben lassen, doch letztlich bewundere ich diesen Schritt, denn damit zeigen sie einmal mehr, dass "Chicago Fire" versucht so realistisch wie möglich zu sein und deutlich zu machen, dass Feuerwehrmänner und Sanitäterinnen jeden Tag ihr eignes Leben aufs Spiel setzen, um andere zu retten. Shay wird sicherlich ein herber Verlust für die Serie sein, doch ich bin mehr als zuversichtlich, dass uns auch in der dritten Staffel grandiose, emotionale und spannende Handlungsstränge präsentiert werden, die über diesen Verlust hinweg täuschen werden.

Annika Leichner - myFanbase

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