Bewertung

Review: #6.01 Gedächtnisverlust

Foto: Dylan O'Brien - Copyright: myFanbase/Nicole Oebel
Dylan O'Brien
© myFanbase/Nicole Oebel

Eine leere Seite. Da war doch was. Ich schaue auf die leere Seite und versuche mich zu erinnern. Wollte ich etwas schreiben? Über "Teen Wolf"? Was bedeutet mir "Teen Wolf” und wie war das, über "Teen Wolf” zu schreiben? War da Leidenschaft und Begeisterung, und habe ich diese nur vergessen? Wie kann ich mich wieder daran erinnern, dass mir etwas fehlt? Stiles! Keine langen Faxen, kein monströses Konstrukt, einfach eine Staffelpremiere, die die Karten für die finale Staffel direkt auf den Tisch legt und Stiles in den Mittelpunkt stellt. Die Zeit der Werwölfe ist vorbei. Die Schulzeit in Beacon Hills ist vorbei. Die Geschichten sind beinahe zu Ende erzählt. Scott weiß, sie werden nicht mehr gebraucht. "Teen Wolf" erkennt, dass die Zeit gekommen ist, von den geliebten Figuren Abschied zu nehmen, und wie macht Jeff Davis das? Er feilt genüsslich die Speerspitze und macht das Vermissen auf packende Weise zur zentralen Handlung der finalen Staffel.

"Scott is a sworn protector of Beacon Hills." - "He can protect it at 3:30."

Diese Episode war "Teen Wolf" in a nutshell und deshalb einfach wunderbar! An allererster Front sind da Scott und Stiles als Gangsterjäger, die sich im Alleingang des organisierten Verbrechens von Beacon Hills annehmen. Schließlich konnte dieses zuletzt ungehindert in dem lauschigen Örtchen florieren, da die lokale Polizei damit beschäftigt war, japanischen Dämonen und Dread Doktoren nachzujagen. Und hat Sheriff Stilinski seinem Sohn am Ende der letzten Staffel nicht selbst die Flausen in den Kopf gesetzt, Gesetzeshüter zu werden? Dass Stiles, der liebe, gute, hyperaktive Stiles, sich seinen Kumpel Scott schnappt und in die Nacht stürzt, war jedem klar, der den Piloten der Serie gesehen hat. Herrlich jedoch, dass Papa Stilinski seinen Sohn in altgewohnter und geliebter Manier zurückpfeift, um Scott viel lieber zu erlauben, einem kleinen Jungen seine Krallen in die Nervenbahnen zu rammen. Was für ein großartiger Anfang. Nur bei "Teen Wolf"!

Dann gab es gemeinsame Ermittlungen der zentralen Helden, in denen alle in Bestform erscheinen durften. Scott in aller Ruhe als Anführer, Stiles, der zappelige, unnachgiebige Terrier, Lydia mit scharfer Zunge gegenüber Stiles und Malia als vollständig verwandelte Kojotin, deren anbetungswürdiger Nacktauftritt den Jungs nichtmal mehr die Röte ins Gesicht treibt. Aber nicht nur das! Die Wundertüte enthielt noch viel mehr Leckerbissen! Schulalltag, Jahrbuchfotos, in denen Malia grinst, als würde sie die Zähne fletschen, während Stiles ununterbrochen ins Bild stolpert, Scott, der richtig viel gelernt hat und den man sich nun wirklich als angehenden Tierarzt vorstellen kann, eine Mittelstufe, in der alle den unverschämt attraktiven Lehrer anhimmeln, der das Unterrichtspendant für Katzenvideos an die Tafel malt, Liam, der in den Pausen davon träumt, Alpha zu werden, und – am allerbesten – Mama Martin, die Scott und Stiles vom Schwänzen abhält, obwohl sie nun endlich eingeweiht ist und es trotzdem satt hat, dass ihre Schüler die Welt ausgerechnet während der Unterrichtszeit retten wollen. Wie war das bei euch, wenn in der Schule ein Film gezeigt wurde? Mein Gesicht war ausnahmslos immer das von Scott und Stiles, die lieber die Uhr mit Blicken malträtierten.

Der Staffelauftakt hat wirklich alle Wünsche erfüllt, denn last but not least, auch das Dreamteam kam zum Einsatz: Sherlock Stiles und Lydia Watson. Und das Zusammenspiel könnte poetischer kaum sein, denn es flüstert ihr hier kein anderer als Jim Morrison die kryptischen Lösungsworte ein. Und Stiles erkennt das Zitat auch noch in Sekundenschnelle als Liedtext von "Riders on the storm" (The Doors). Sherlock Stiles ist unschlagbar und Lydias Banshee-Fähigkeiten sind Gold wert. Zum krönenden Abschluss dann noch der kleine Kuss auf die Wange, den Stiles sich erlaubt, und der Lydia ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Ach komm schon, Lydia, du weißt es doch auch, einen liebenswerteren Kerl als Stiles wirst du in keinem Winkel auf der Welt finden!

"Find some way to remember me."

Gab es irgendjemanden, der nicht wusste, dass es in dieser Staffelpremiere direkt Stiles treffen wird? Was für ein phantastischer Tritt in die Magengrube muss das gewesen sein. Und das langsame Erkennen anhand der kleinen Hinweise, Stiles' leeres Schulfoto-Formular, sein Lacrosse-Shirt an einem anderen Jungen... Wie sehr hätte man das Offensichtliche verleugnet, schließlich ist es für einen "Teen Wolf"-Staffelauftakt etwas absolut Außergewöhnliches, dass sofort zentrale Figuren ins Fadenkreuz geraten. Die intensive Werbung jedoch hat viele von uns frühzeitig wissen lassen, dass man sich mit Dylan O'Briens vollem Stundenplan arrangieren musste. So wussten also viele Zuschauer, dass Stiles derjenige ist, der von den Ghost Ridern geholt wird. Und deshalb ist es ganz erstaunlich, welch intensive Wirkung der Aufbau des Unausweichlichen dennoch hatte. Dylan O'Brien kann von einer Sekunde zur anderen vom tollpatschigen Sidekick zum zentralen Emotionsträger werden, und seine Augen, Mimik und Körpersprache sind dabei entscheidend. Mit jedem einzelnen dieser Elemente kann er einen aus dem Nichts zum Lachen oder Weinen bringen, aber wenn alle drei Elemente zusammen zum Einsatz kommen, entsteht Magie. Stiles zu sehen, wie er realisiert, dass er sowohl aus dem Gedächtnis seines Vaters als auch aus Scotts gelöscht wurde, hat mir die Luft zum Atmen genommen.

Was wissen wir nun also über die Ghost Rider? Sie sehen aus wie Cowboys in Schwarz und gehören zur "Wilden Jagd", die Noshiko Yukimura in der letzten Staffel bereits hat kommen sehen und über die Lydia gelesen hatte, dass sie teuflische Reiter sind, die im Himmel mit schwarzen Hunden, besser gesagt Höllenhunden, stürmisch unterwegs sind. Sie kündigen sich mit Nordlicht an und wenn du sie einmal gesehen hast, kommen sie dich holen. Mit aller Gewalt. Mit Pistolen. Verfolgungsjagd auf Pferden. Sie entführen dich nicht nur, sie löschen dein komplettes Leben, Möbel, Bilder, Erinnerungen, als hättest du nie existiert. Furchteinflößender geht's eigentlich nicht. Viele Rätsel bleiben allerdings auch nicht. Außer vielleicht, mit wem fangen sie an? Wählen sie am Anfang einen aus und wenn ja, warum?

Randnotizen

  • Scott und Stiles sind zwar gemeinsam am Start, aber sie befinden sich erneut an entgegengesetzten Punkten in ihrem Leben. Scott ist die Ruhe selbst und mehr als bereit, sich frei zu fühlen. Stiles ist die Nervosität selbst und mehr als bereit, sich gebraucht zu fühlen. Es wird spannend sein zu sehen, was Scott nun fehlt, wo Stiles nicht mehr da ist.
  • "You want to split up?" - "Uh, absolutely not." Die beste Entscheidung seit es Teen-Grusel gibt. Bis sie sich dann doch getrennt haben!
  • Auf dem Schulhof wurde ein Foto der Clique gemacht. Dieses Bild werden wir sicher wiedersehen, ohne Stiles. Ich warte dann ab diesem Moment darauf, dass Stiles wie bei "Zurück in die Zukunft" wieder auf dem Bild erscheint.
  • Liam und seine Crew werden hier selbstständiger als neue Generation dargestellt. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten stand vermutlich noch nicht fest, dass es keine "Teen Wolf - The Next Generation"-Staffel geben wird. Liam hatte ein paar gelungene Comic-Relief-Momente, aber insgesamt kam bei mir kein Interesse für diese Figuren und ihre Handlung auf. Hatte das mit dem Kompass einen Sinn?
  • Der neue Vorspann hat die SlowMo-Einstellungen durch ein Best-Of der gruseligsten Figuren ersetzt. Und die Eltern! Ich musste zum Taschentuch greifen, als ich sah, dass endlich, endlich die Eltern für die finale Staffel ihren wohlverdienten Platz im Hauptcast eingenommen haben!

Fazit

Die vergangene Staffel zu lieben war nicht leicht, und viele Monate sind seither vergangen. Monate in denen Dylan O'Brien sich von einem schweren Unfall zu erholen hatte und Cast sowie Fans Herzensmeilensteine wie die letzte Comic Con ohne ihn begehen mussten. (Scott: "Or maybe you're sublimating the stress of graduating by avoiding key milestones.") Nun steht Dylan als CIA-Rekrut vor der Kamera und wird bald in die weite Welt hinausziehen. Die Kinder werden flügge und wir stehen vor dem Empty-Nest-Syndrom. Dafür aber bekommen wir eine nahezu perfekte Staffelpremiere serviert. Geradliniges Erzählen, keine Rahmenhandlung, die die gesamte Staffel zum schwindelerregenden Rückblick macht, keine Umwege über fremde Figuren, die keinen interessieren. Der Gegner ist das Vergessen, personifiziert durch die Ghost Rider, das Staffelmysterium ist unkompliziert und es geht direkt ums Ganze. Nämlich um Stiles!

Nicole Oebel - myFanbase

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