Die enttäuschendsten Staffeln 2011/2012
Dexter, Staffel 6

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Die ersten zwei Staffeln von "Dexter" zählen zweifelsohne zum Besten, was die Serienlandschaft in den vergangenen Jahren zu bieten hatte. Durchdachte Storylines, hervorragende Charakterzeichnung, hochspannende Wendungen, und der stets wunderbar aufgelegte Michael C. Hall ließen keinen Zweifel daran, dass "Dexter" in diesen ersten Jahren ein wahres Serienjuwel war. Doch dann kamen die dritte, vierte und fünfte Staffel und das Niveau sank kontinuierlich, sodass "Dexter" mittlerweile leider ein Paradebeispiel dafür ist, was mit Serien passieren kann, wenn sie einfach zu lange leben. Staffel 6 hatte schließlich fast überhaupt nichts mehr mit der genialen, nervenaufreibenden und komplexen Serie zu tun, die man am Anfang kennen gelernt hatte. Ganz im Gegenteil: Die sechste Staffel von "Dexter" war nicht nur ein Armutszeugnis für die Serie, sondern vor allem eines – reine Zeitverschwendung.

"I am a father… a son… a serial killer."

Foto: Michael C. Hall, Dexter - Copyright: Paramount Pictures
Michael C. Hall, Dexter
© Paramount Pictures

Nach der Storyline rund um Lumen und Jordan Chase mussten für Staffel 6 ein neues Thema und ein neuer Bösewicht her – et voilà, es traten Bruder Sam, Professor Gellar und Travis Marshall auf den Plan, die alle auf ihre Art mit der Thematik Religion zu tun hatten. Während Bruder Sam ein wenig christliche Moral in Dexter säen sollte, avancierten Gellar und Travis zu den Antagonisten der Season, gingen in dieser Rolle allerdings so gar nicht auf. Mehr als plakative Mordszenen, pseudoreligiöses Gelaber und Colin Hanks' immer gleichen Gesichtsausdruck hatte das Duo nicht zu bieten – und auch die "Auflösung", dass Gellar und Travis in Wirklichkeit ein- und dieselbe Person sind, wird zu diesem Zeitpunkt keinen mehr überrascht haben. Dafür war das Timing zu schlecht und das Geheimnis zu offensichtlich inszeniert worden. Keine Spur mehr von Subtilität und Mehrdeutigkeit, stattdessen sind Dexters Voiceovers zu einer Feststellung des Offensichtlichen geworden und als Zuschauer wird man einfach nur vor Tatsachen gestellt, anstatt partizipativ miträtseln zu können.

Genausowenig wie die Gellar/Travis-Storyline funktionierte, war auch Dexters religiöser Gewissenskonflikt nur am Rande interessant. Seine Freundschaft zu Bruder Sam war allenfalls nett, doch was hat Dexter denn aus dieser Begegnung herausgeholt? Prinzipiell gar nichts. Der innere Konflikt, ob er als Vater für Harrison geeignet ist, wurde zwar immer wieder erwähnt, doch nie wirklich zu einer Katharsis gebracht. Stattdessen wurde Dexter in eine ewig scheinende Jagd nach Travis verwickelt, die sich irgendwann bis ins Absurde steigerte und bei der man nicht einmal einen Anflug von Spannung verspürte. Denn mittlerweile ist das Muster einfach zu altbekannt: Dexter jagt den Bösewicht, überwältigt ihn und tötet ihn. Das war bei Rudy so, das war bei Lila so, das war bei Miguel so, bei Arthur, bei Jordan Chase, und nun eben auch bei Travis.

Die Mangelhaftigkeit und der stellenweise geradezu eklatante Dilettantismus der Autoren wirkte sich nicht nur auf Dexter, sondern vor allem auch auf die anderen Protagonisten aus. Allen voran Debra, deren plötzlich eingetretene psychologische Labilität einem irgendwann auf den Wecker gehen musste. Mit Bravour hat man es geschafft, Dexters Schwester von einer starken, unabhängigen und daher interessanten Frauenfigur zu einem weinerlichen, unsicheren und nervenaufreibenden Charakter zu machen, und damit einen riesigen Schritt rückwärts in ihrer Entwicklung zu gehen. Debras große Erkenntnis, dass sie in Dexter verliebt ist, kann angesichts dieser Tatsache eigentlich nur mit großer Skepsis aufgenommen werden – das einzige, das noch etwas Neugierde auf die kommende Season erweckt, ist die letzte Szene der Staffel, in der Debra Zeugin von Dexters Mord an Travis wird.

Von einer Serie, die in jedem einzelnen Moment zu fesseln vermochte, hat sich "Dexter" zu einem sehr unspektakulären, frustrierenden Serienerlebnis entwickelt, bei dem man viel öfter den Kopf vor Fassungslosigkeit und Enttäuschung schüttelt als vor begeisterter Überraschung. Trotz des immer herausragenden Michael C. Hall, der mittlerweile der einzige Qualitätsanker der Serie geworden ist, hat sich "Dexter" zu einem Format entwickelt, das das beste Beispiel dafür ist, dass man einfach aufhören sollte, wenn es am schönsten ist und eine sechste, siebte und womöglich achte Staffel nicht unbedingt etwas Gutes sind.

Maria Gruber - myFanbase

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