Bewertung

Review: #1.01 Moment of Truth

Foto: Mahershala Ali, Marvel's Luke Cage - Copyright: Courtesy of Netflix
Mahershala Ali, Marvel's Luke Cage
© Courtesy of Netflix

Im Kino mögen die ersten Ermüdungserscheinungen in Sachen Comic-Helden bereits eingetreten sein, schließlich sind die DC-Filme "Batman v Superman: Dawn of Justice" und "Suicide Squad" diesen Sommer gerade ziemlich gefloppt, im Fernsehen ist davon aber wenig zu spüren. Dabei bieten die TV-Serien zudem den Vorteil, dass sie ein ziemlich vielfältiges Spektrum an Geschichten rund um die Superhelden aus den gezeichneten Geschichten, die in zahlreichen Facetten stark variieren. Dabei stehen auf der einen Seite die familientauglichen und meist gut gelaunten Shows wie "Supergirl" und "The Flash", während auf der anderen Seite auch eher düstere Gangster- bzw. Noir-Krimis für das ältere Publikum existieren, Die Marvel-Netflix-Serien gehören eher zu den düsteren Krimivarianten des Superheldengenres, und auch die dritte Serie dieser Reihe, rund um den unverwundbaren und übernatürlich starken Luke Cage reihen sich in dieses Gefüge nahtlos ein.

Das Besondere an den manchen Marvel-Serien, die für Netflix produziert werden, ist für mich dabei, dass man meist versucht einen besonderen Aspekt herauszugreifen und diesen in Form einer Superheldengeschichte näher zu beleuchten. Besonders "Jessica Jones" hat dies durch seine klar feministische Perspektive auf Themen wie Trauma und Missbrauch ausgezeichnet, nun legt "Luke Cage" mit einem klaren Fokus auf die Sichtweise eines afroamerikanischen Mannes, dem von der Obrigkeit großes Unrecht zugefügt wurde, nach. Lediglich "Daredevil" lässt diese klare soziopolitische Identität vermissen, denn die kleinen Ansätze rund um die Behinderung Matt Murdocks und die Gentrifizierung von Hell's Kitchen werden in meinen Augen leider nicht sonderlich deutlich herausgearbeitet, sondern dienen nur hier und da als kleiner Beigeschmack am Rande.

Aber um "Daredevil" soll es hier nicht gehen, denn schließlich steht nun endlich Luke Cage selbst im Mittelpunkt des Geschehens, nachdem er ja bereits zum Cast der ersten Staffel von "Jessica Jones" gehörte. Diese erste Folge #1.01 Moment of Truth nimmt sich auch einige Zeit, um zu klären, wie sie zeitlich und inhaltlich zu Lukes Affäre zu Jessica steht. Diese liegt nach dessen Worten einige Zeit zurück, und Luke bezeichnet Jessica hier als sein "Rebound-Girl". Das wäre damit nun allerdings geklärt, ebenso wie die Tatsache, dass Luke versucht seine besonderen Fähigkeiten möglichst aus dem Lichte der Öffentlichkeit zu halten, in dem er versucht ein ruhiges und unauffälliges Leben zu führen. Er hilft in Pops Barbershop als Mann für Alles was anfällt und wäscht Geschirr im Nachtclub von Cottonmouth Stokes. Pops fungiert dabei als Lukes Vertrauter und auch so etwas wie dessen Gewissen, eine Charakterfunktion, wie wir sie auch bereits von Pater Lantem aus "Daredevil" kennen. Nur das Pops und Luke ein deutlich familiäreres Verhältnis als Matt Murdock und sein Beichtvater pflegen.

Warum Luke, der versucht möglichst unter dem Radar aller möglichen Autoritäten zu bleiben, allerdings ausgerechnet beim halbseidenen Nachtclubbesitzer Stokes anheuert, ist auf den ersten Blick eher unlogisch. Natürlich hat man so gleich eine direkte Verbindung zwischen den beiden gegenüberstehenden Extremen der Serie aufgebaut, zumal so die dritte involvierte Partei, die Polizei mit Misty Knight auch direkt mit Luke involviert wurde.

Dieser Pilot hat es sich auf jeden Fall zur Aufgabe gemacht, einerseits Lukes derzeitiges Leben vorzustellen, sowie Cottonmouth Stokes als dessen Widersacher zu etablieren. Grundsätzlich sind die Rollen nicht sonderlich kompliziert verteilt, hier der gute aber zögernde Held, dort der charismatische und selbstbewusste Bösewicht, mit der obligatorischen Neigung zur brutalen Gewalt. Seine Besonderheit schöpft "Luke Cage" bisher vor allem daraus, dass diese altbekannte Geschichte durch die klar ausformulierte Kultur und Szenerie von Harlem angereichert wird. Die aktuelle politische Bewegung rund um "Black Lives Matters" wird sogar namentlich erwähnt, die Bedeutung der Identität als Afroamerikaner und Schwarzer sowohl von Luke Cage, als auch Stokes wird immer wieder in den Vordergrund gestellt. Damit sticht diese erste Episode aus dem Einheitsbrei an bekannten Gangstergeschichten heraus und hat mein Interesse zunächst einmal klar geweckt.

Bisher ist dabei auch die Verbindung aus den ausformulierten Dialogen, wie Stokes klare Worte zu seiner Nutzung des N-Wortes, sowie der Bildsprache mittels in Szene gesetzter Momente (als Beispiel sei nur die Verwendung des gekrönten Porträts von Notorius B.I.G. in Stokes Büro genannt) und ikonenhafter Gesten wie Luke Cages Kapuze als Rüstung am Ende der Folge erwähnt. Das ist bisher eine wirklich runde Sache und lässt mich über einige Stolpersteine innerhalb dieses Piloten hinwegsehen. Vor allem, da die vorgestellten Charaktere bisher zwar alle noch einem Klischee entsprungen sind, dennoch aber interessant wirken und Lust auf mehr machen. Stokes ist vielleicht keine neue Inkarnation des puren Bösen, wird aber von Mahershala Ali charismatisch und nuanciert verkörpert, und auch Alfre Woodard macht die korrupte Politikerin Mariah Dillard zu einer interessanten Figur, über die man mehr erfahren möchte.

Einziger Schwachpunkt bisher ist für mich Simone Missick als Misty Knight. Ich weiß noch nicht genau, ob das daran liegt, dass die Schauspielerin der Rolle nicht gewachsen ist, oder meiner leichten Genervtheit darüber, dass Luke gleich beim ersten Treffen mit ihr im Bett landete. Das passt zwar zu dem, was wir über Luke als Womanizer aus "Jessica Jones" wissen, war aber doch irgendwie eher ein Augenverdreher innerhalb dieser ansonsten recht vielversprechenden Episode. Überhaupt gab es mir hier zu viele Szenen, in denen man einfach mal so zur Etablierung des Tons ein paar leichtbekleidete Frauen eingeworfen hat. Ich denke da besonders an Shameek im Stripclub und Stokes beim Klavierspielen vor halbnackten Stripperinnen. Zusammen mit dem Wege, Stokes als ernstzunehmenden Gangster zu etablieren, indem man ihn eben brutal Shameek zusammenschlagen und töten lässt, während er nebenbei ein paar frauenfeindliche Sprüche abliefert, gehörten nicht gerade zu meinen Favoriten dieser Folge.

Aufgrund dieser Tendenzen in Richtung Machokultur hat mich diese erste Folge zwar gut unterhalten und hat auch Lust auf mehr gemacht, konnte mich aber dann doch nicht ganz überzeugen. Es kommt nun darauf an, wie sich die Geschichte in den nächsten Episoden weiterentwickelt und auf welche Aspekte man den Fokus legt. Außerdem fand ich im letzten Akt dieser Episode die Übergänge seltsam aprubt, so als ob man kurz vor Ende noch merkte, das man schnell noch ein oder zwei Dinge einarbeiten musste, bevor dann der Abspann kommt. Bis dahin waren die Szenenüberleitungen eigentlich immer sehr elegant und geschmeidig, nachdem Misty Knight aber die Leiche von Shameek gefunden hat und von ihrem Partner aber zu einer Befragung von Luke Cage überredet wird, kamen mir die darauffolgenden Szenen seltsam holprig aneinander gereiht vor. Plötzlich werden dann Lukes Vermieter von Stokes oder Dillards Schlägern bedroht (wer hier der Auftraggeber war, hat sich mir nicht ganz erschlossen) und Luke lässt seine Fähigkeiten geradezu angeberisch den ungleichen Kampf entscheiden. Seine Motivation, sich von nun an nicht weiter zu verstecken sollte dabei wohl vorher durch seine Erinnerung an Reva erklärt werden, so ganz schlüssig war das dann aber für mich doch nicht. Es wirkte irgendwie so, als benötigte diese erste Folge einer Superheldenserie eben noch etwas coole Superheldenaction und die wurde dann noch geliefert. Zum Glück schloss die Szene mit dem unbestreitbar potenten Bild von Luke Cage, der seine Hoodie-Kapuze als Rüstung anlegt, und hat mich diese erste Episode zumindest noch mit einem Lächeln beenden lassen.

"Luke Cage" startet also vielversprechend, aber doch auch mit einigen Schwächen. Hoffen wir, dass sich bald die positiven Aspekte gegenüber den weniger guten Dingen durchsetzen können.

Cindy Scholz - myFanbase

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