Bewertung

Review: #2.09 Der Kleiderbügel

Foto: Joseph Fiennes, American Horror Story - Copyright: Frank Ockenfels/FX
Joseph Fiennes, American Horror Story
© Frank Ockenfels/FX

In Staffel 2 von "American Horror Story" scheint es zwei verschiedene Arten von Menschen zu geben:

a) Leute, die einfach kein Glück haben

Schwester Jude: glaubt, Bad Santa getötet zu haben, der einen Messerstich in die Schlagader aber natürlich problemlos wegsteckt, sodass sie jetzt als Mörderin gilt und im Irrenhaus sitzt.

Mary Eunice: muss seit acht Episoden für Satans Spielchen herhalten.

Kit: verliert seine Ehefrau und seine neue Freundin an Aliens, hat beste Aussichten auf den elektrischen Stuhl und muss sich dann auch noch von Dr. Arden eine Spritze geben lassen.

Grace: fängt eine Kugel ab für einen Mann, der sich dann bereitwillig töten lässt, und wird von Aliens entführt. Wenigstens lebt sie jetzt wieder UND ist schwanger.

Monsignore Timothy: besitzt die Gehirnkapazität einer Erbse.

Frank: macht nur seinen Job und wird einfach so aufgeschlitzt. Armer Junge.

(Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)

b) Leute, die richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, richtig, RICHTIG VIEL Pech haben

Lana: wird unschuldig ins Irrenhaus eingesperrt, gerät bei ihrer Flucht direkt in die Hände eines Psychokillers, wird von ihm gefoltert, flieht erneut und gerät in die Hände eines weiteren Psychokillers, landet wieder im Irrenhaus, und erfährt dann auch noch, dass sie demnächst wahrscheinlich Dylan McDermotts Mutter sein wird. Um aufs Englische zurückzugreifen: WTF!

Kurzum: #2.09 The Coat Hanger schickt sämtliche Charaktere noch eine Stufe tiefer in die persönliche Hölle – und lässt den Zuschauer irgendwo zwischen Ungläubigkeit, amüsantem Grinsen, Schock und der Frage, wie weit man jetzt noch davon entfernt ist, gewisse Elemente aus Staffel 1 zu kopieren.

"It's the ultimate cosmic joke. You got me pregnant."

Lana Winters ist zweifellos der Pechvogel des Jahrhunderts. Dass sie jetzt auch noch von Thredson schwanger ist, ist in der Tat der ultimative Witz des Universums und gleichzeitig auch der ultimative Horror. Weiterhin sind die Szenen zwischen Lana und Thredson sehr intensiv und packend, gerade weil man als Zuschauer den Hass und die Abscheu, die Lana für ihren Peiniger empfinden muss, mehr als nachvollziehen kann. Und so hofft man für sie, dass sie Thredson, egal ob mit einem Küchenmesser oder mit einem Kleiderbügel, endgültig den Garaus macht, nachdem sie das Geständnis für Kit aus ihm herausbekommen hat. Doch natürlich hat Mary Eunice wieder ihre Finger im Spiel und lässt Thredson laufen. Wo ist der nun?

Mit Lanas unerwarteter Schwangerschaft und der Rückkehr der schwangeren Grace liegt der Gedanke an Staffel 1 natürlich nicht fern. Auch Viviens Zwillinge hatten einen eher unkonventionellen Vater und zumindest einer ihrer Kinder entpuppte sich als Antichrist. Nun trägt entweder Lana oder Grace Bloody Face Junior in sich und wir haben wieder die Erwartung auf ein übernatürliches Kind – die Autoren müssen hier ganz klar einen anderen Weg einschlagen, um sich nicht selbst zu kopieren, doch wenn dieser, und das ist zu erwarten, mit Aliens zu tun hat, sehe ich da eher schwarz.

"There is no other goal than to save souls."

Etwas mehr Hoffnung macht die Storyline rund um Jude. Auch wenn Bad Santa eigentlich tot sein müsste, so ist es doch eine Freude, Ian McShane weiterhin dabei zu haben, dessen Darstellung absolut großartig ist. Natürlich ist Leigh Emerson ein perverser, kranker Mann, doch auch Jude ist kein Unschuldsengel, sodass man nicht um den Gedanken herumkommt, dass ihr das alles auch irgendwo recht geschieht. Sie wird von Timothy fallen gelassen, ist der Unbarmherzigkeit ihrer früheren Mitarbeiter ausgesetzt und ist nun eine von den Außenseitern, die sie früher so missbilligt hat. Dass sie sich auch noch anhören muss, dass Bad Santa ihr vergibt, setzt der Absurdität natürlich die Krone auf und unterstreicht, wie sehr Schuld und Unschuld doch im Auge des Betrachters liegen und wie einfach das System und andere Menschen sich täuschen lassen.

Doch keiner lässt sich so einfach täuschen wie Monsignore Timothy. Dieser Mann ist schlicht und ergreifend ein dämlicher Idiot, der auch noch von dem Größenwahnsinn getrieben wird, es irgendwie in den Vatikan zu schaffen. Hier scheitert die Charakterzeichnung allerdings – wie passt es zusammen, dass ein so unfassbar leichtgläubiger und naiver Mann gleichzeitig das Bestreben nach Macht hat? Timothy ist definitiv einer der schwächsten Charaktere dieser Staffel, sodass man eigentlich nur hoffen kann, dass der Todesengel sich seiner erbarmt und ihn mitnimmt. In dieser letzten Szene stellen die Macher die Kreuzigung auf wirklich bizarre und nicht ganz unkontroverse Weise auf den Kopf, erzielen dadurch aber definitiv den gewünschten Schockeffekt.

"I'm desperate."

Neben Timothy mangelt es noch einem anderen Charakter an wirklicher Substanz, nämlich Kit. Es mag an der unausgegorenen Konzeption der Figur liegen, an Evan Peters' relativ leidenschaftsloser Darstellung oder irgendwie an beidem, aber Kits Verzweiflung ist nicht viel mehr als ein paar Worte und überhaupt nicht greifbar. Für einen Mann, der mit Alma seine Ehefrau und mit Grace seine letzte Bezugsperson verloren hat und dazu noch kurz vor der Todesstrafe steht, ist Kit viel zu gelassen, wirkt gleichzeitig aber auch nicht resigniert genug, als dass man von wirklicher Lethargie sprechen könnte. So lässt sich Kit viel zu schnell von Arden zu seinem wahnwitzigen Plan überreden, gerade wenn man bedenkt, was Arden Kit bereits alles angetan hat. Kit hat zwar nichts zu verlieren, doch trotzdem fehlt hier ein gewisses Verständnis für seine spontane Entscheidung.

Paradoxerweise ist die Verzweiflung von Johnny Morgan aka Johnny Thredson aka Bloody Face Junior viel präsenter als die von Kit und das, obwohl er ja eigentlich ein verrückter Killer ist. Das ist sicherlich auch Dylan McDermott zu verdanken, der von der Rolle des Therapeuten in Staffel 1 nun in die Rolle des zu Therapierenden gesteckt wurde, was wunderbar ironisch ist. Auch wenn Ben Harmon nie der Sympathieträger Nummer 1 war, so ist McDermotts Rückkehr absolut zu begrüßen und es bleibt zu hoffen, dass wir noch mehr von ihm zu sehen bekommen. Ein wenig schade ist es aber, dass die "große Enthüllung", dass der moderne Bloody Face der Sohn von Thredson ist, nicht wirklich als Schocker funktioniert. Hier scheitern das Storytelling und die Inszenierung, die dem Publikum diese Möglichkeit einfach schon zu offensichtlich präsentiert haben.

So bleibt unterm Strich wieder eine durchschnittliche Episode, die mit den Storylines rund um Lana und Jude in die richtige Richtung gegangen ist, erneut von der fantastischen Präsenz von Ian McShane profitiert, die aber weiterhin an der absurden Alien-Idee krankt. Die Rechnung "American Horror Story" plus E.T. geht einfach nicht auf und sollte da nicht ein wahnsinnig guter Twist kommen, wird sich das auch nicht ändern. Doch warten wir ab: Der Staffel bleiben nun noch vier Episoden, um aus dieser Sache das Beste zu machen, und wer weiß, vielleicht schafft sie das ja.

Maria Gruber - myFanbase

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