Bewertung

Review: #1.20 Game On

Wieder einmal hat es "Switched at Birth" geschafft, die volle emotionale Bandbreite in mir zu entfachen. Genau dafür liebe ich die Darsteller dieser Serie, die einzelnen Handlungsstränge, die fantastische Erzählweise – schlicht und einfach die gesamte Serie an sich. Das Kernthema dieser Episode ist, dass sich die einzelnen Charaktere alle in einer ungewollten Lage befinden. Bay wird mitten in den Scheidungskrieg von Melody und Cameron hineingezogen, Daphne gerät unter Druck, da sie von der Gehörlosen-Community als großer Hoffnungsträger gefeiert wird, Simone wird (zu Unrecht) von allen als Buhmann abgestempelt, Regina wird von Patrick vollkommen überrumpelt, und Kathryns Buchidee benötigt frischen Wind.

"Sometimes I just wish I could be Daphne. Not deaf. Not hearing. Just a girl playing basketball."

Wie abzusehen war, wird uns in dieser Episode das Aufeinandertreffen zwischen Buckner Hall und Carlton präsentiert. Doch es geht hier keinesfalls um die derzeit mehr als angerissene Freundschaft zwischen Simone und Daphne, oder um die beiden konkurrierenden Schulen per se, was beides zwar in diese Episode mit einfließt, aber eben nicht in den Fokus gestellt wird. In dieser Episode geht es vielmehr darum, dem Zuschauer durch ein einfaches Basketballspiel die Gehörlosen-Community noch einmal näher vorzustellen und was es bedeutet, Teil dieser zu sein. Bisher haben wir als Zuschauer nur die Perspektive gesehen, wie gehörlose Menschen auf hörende Menschen treffen, und die Probleme die dabei entstehen können. Dass jedoch noch viel mehr dahintersteckt, eine gehörlose Person zu sein, wird uns in dieser Episode anschaulich gezeigt.

Die Basketballmannschaft von Carlton nimmt am Turnier in Springfield teil und die gesamte Gehörlosen-Community steht hinter den Mädchen und feiert sie, da sie bereits durch ihre – mehr oder weniger gelungene Qualifikation – bewiesen haben, dass auch gehörlose Menschen grandiose Athleten sein können. Daphne wird dabei eine ganz besondere Rolle zugeschrieben, denn als beste Spielerin des Teams, ist sie der Hoffnungsträger, der das Team zum Sieg führen soll. Eindrucksvoll bekommen wir als Zuschauer durch kleine Szenen und Gespräche vermittelt, dass Gehörlose aus ganz Amerika diesen Erfolg feiern und einige von ihnen voller Stolz selbst anreisen, um das Spektakel zu sehen. Was dies für ein enormer Zusammenhalt ist, wird uns vor allem durch die nicht vorhandene Unterstützung für das Team von Buckner Hall bewusst gemacht: Dort bekommen Bay und Toby noch nicht einmal schulfrei, um ihren Mitschülern beim Spiel zuzusehen, während für das Team von Carlton Personen auch gerne mal 11 Stunden mit dem Auto angereist wird, um sie zu unterstützen.

Und genau dadurch ist es den Machern der Serie gelungen, den Druck, unter dem Daphne steht, glaubhaft und nicht zu aufdringlich, zu vermitteln. Denn natürlich freut sie sich nicht nur über den immensen Zuspruch der anderen, sondern will diese nun auch nicht enttäuschen und weiß, dass sie als Hoffnungsträger für eine ganze Community fungiert. Dies hat man zum Anlass genommen, um ihr ein paar schöne Szenen mit John zu geben, der in dieser Episode einmal mehr bewiesen hat, was für ein fürsorglicher und toller Vater er für Daphne ist. Dass man es nach all dem Spannungsaufbau nicht wagt, das Carlton-Team verlieren zu lassen, hat mir auch sehr gut gefallen. Zwar war dies natürlich vorhersehbar, aber das tut der Storyline keinen Abbruch. Und die Szene, als John seiner Tochter andeutet, sie solle einfach alles um sich herum ausschalten, woraufhin Daphne ihre Hörgeräte abschaltet und man als Zuschauer keinen einzigen Ton mehr vernimmt, sondern nur noch Daphne dabei zusieht, wie sie den Ball mehrmals aufticken lässt, um ihn dann im Korb zu versenken, war einfach der Höhepunkt der Storyline. Dies sind genau die Szenen, die eine besonders emotionale Wirkung auf mich haben, da man sich schonungslos der Möglichkeiten bedient, dem Zuschauer zu vermitteln, wie der jeweilige Charakter diesen Moment gerade selbst erlebt.

Dass das Förderprogramm von Carlton dennoch gestrichen werden soll, ist zwar sehr schade, leider aber auch sehr realistisch, sodass ich gespannt bin, wie man diese Storyline noch weiter spinnen wird und vor allem welche Rolle John in dem ganzen einnehmen wird.

"Emmett. I did it, because I care about you."

Bay befindet sich in dieser Episode in einer schier ausweglosen Situation, jedoch meistert sie diese meiner Meinung nach bestmöglich. Das Einzige worum es Bay in der ganzen Sache mit Emmetts Eltern immer ging, war Emmett selbst. Sie will, dass er glücklich ist, sich selbst verwirklichen kann, gleichermaßen jedoch auch in einer behüteten Umgebung aufwächst. Und genau aus diesem Grund ist Bay damals über ihren eigenen Schatten gesprungen und hat Melody ihre Einschätzung über Emmetts derzeitige Wohnsituation geschildert. Dass daraus ein Vormundschaftsstreit entstanden ist, wie er im Buche steht, geht auf Melodys Kappe, die es nicht lassen konnte ihren Ex-Mann in aller Öffentlichkeit zu konfrontieren. Umso ungerechter ist es, dass Melody Bay erneut in die ganze Sache hineinzieht, indem sie diese um ein Statement bei der Anhörung bittet. Ich verstehe Melodys Verzweiflung, aber wie kann ein erwachsener Mensch einem Teenager eine solche Last auf die Schultern legen? Dankbarer Weise hat man auch Kathryn und Regina dieses Unverständnis für Melodys Bitte aussprechen lassen, und so nicht eine Situation entstehen lassen, bei der dies das normalste der Welt ist, wenn die eigene Freundin sich mehr oder weniger unfreiwillig gegen die Wünsche ihres Freundes stellt.

Den Zwiespalt in dem Bay steckt, kann jeder nachvollziehen: Melody ist nicht die perfekte Mutter, jedoch ist sie eine Person, die darauf achtet, dass ihr Sohn die Schule besucht, ihn nicht in einem Haus voller Drogen und Alkohol leben lässt und klare Grenzen setzt. Für mich sind diese Grenzen nicht immer gerechtfertigt, jedoch sehen wir derzeit ja, wie Emmett sich entwickelt, er bekommt diese Grenzen nicht gesetzt. Die Zwanglosigkeit im Hause seines Vaters tut Emmett meiner Meinung nach nämlich alles andere als gut. Und ähnlich sieht es auch Bay, die vor allem ein Problem mit Olivia zu haben scheint, die nicht nur jedem ihre Sexualleben aufs Brot schmiert, sondern auch mit ihrem illegalen Drogengeschäft nicht weit hinterm Berg hält. Diese Szene hätte ich nicht unbedingt gebraucht, jedoch fällt dies für mich nicht weiter ins Gewicht, da man sich nicht etwa dafür entschieden hat, Bay nun auf Melodys Seite zu stellen, sondern sie vielmehr Cameron selbst konfrontiert hat. Erneut eine starke Leistung von Bay, die wohl richtig erkannt zu haben scheint, dass sie die Einzige ist, der es um Emmetts Wohl geht – auch wenn sie dafür ihre Beziehung aufs Spiel gesetzt hat.

Dass Cameron nach diesem Gespräch den Entschluss fasst, dass Emmett zurück zu Melody gehen soll, zeigt leider zu deutlich, dass er keine Vaterfigur sein kann und wahrscheinlich auch wieder sehr schnell aus Emmetts Leben verschwinden wird. Er hätte sich mit Olivia auseinandersetzen können, mit Melody ein Gespräch führen können, seinem Sohn klare Grenzen setzen können, etc. Nein! Cameron wählt den einfachen Weg, gibt alle Verantwortung ab und schickt Emmett zurück zu Melody.

"I know the feeling. I wanted to punch a wall myself today."

Ich muss zugeben, dass mir Simone in dieser Episode das erste Mal sympathisch war. Zumindest hatte ich den Eindruck, dass sie beim Basketballspiel vollkommen selbstlos gehandelt hat und Daphne quasi in die Position gebracht hat, den entscheidenden Punkt zu machen, obgleich Buckner Hall locker auf Zeit hätte spielen und gewinnen können. Ob meine Einschätzung täuscht, wird in dieser Episode nicht wirklich klar. Was jedoch klar wird, ist, dass der erste Eindruck, den ich von Simone hatte, sich hier bestätigt.

Denn die letzten Minuten dieser Episode brechen mir regelrecht das Herz! Es war leider mehr als absehbar, dass die Autoren sich dafür entschieden haben, der Beziehung von Bay und Emmett ein Ende zu setzen. Die Streitigkeiten der letzten Episoden, Emmetts Ausbrüche gegenüber Bay, die immer größere Distanz zwischen den beiden… Alles Hinweise darauf, dass man diese wunderbar aufgebaute Beziehung, die sogar das Gefühlschaos von Daphne und Melodys Missmut gegenüber Bay überlebt hat, nicht mehr länger halten möchte. Doch wie man dieser Beziehung nun den Gnadenstoß versetzt hat, schockiert mich auf ganzer Ebene. Hinzu kommt, dass ich Emmett nun mit ganz anderen Augen sehe und nicht weiß, ob ich ihn jemals wieder so in mein Herz schließen kann, wie ich es einst getan habe.

Während Bay für Emmetts Wohl ihre Beziehung aufs Spiel gesetzt hat und nun trauernd zu Hause sitzt und ihrem Bruder den Tränen nahe gesteht, dass ihre Geburtstagsidee für Emmett wohl ins Wasser gefallen ist, braucht Emmett nur wenige Sekunden, um aus seiner Wut gegenüber seinen Eltern und Bay heraus, den Beschluss zu fassen, mit Simone ins Bett zu steigen. Mit Simone! Er weiß sowohl von seiner Freundin Bay, als auch von seiner besten Freundin Daphne, dass sie Probleme mit Simone hatten bzw. haben. Außerdem muss er wissen, dass Toby und Simone eigentlich in einer Beziehung stecken. Wie zum Teufel kommt er also auf die Idee gerade mit ihr zu schlafen? Was hat ihn da um Himmels Willen geritten? Ich kann seine Wut und seine Enttäuschung vollkommen nachvollziehen. Ich kann verstehen, dass er sich alleine und von allen bevormundet fühlt. Mir ist bewusst, dass Menschen in solchen Situationen zu unglaublichen Dummheiten fähig sind. Aber mit Simone?

Eine wirklich krasse Wendung, die ich nicht habe kommen sehen. Ich bin gespannt, wie das noch ausgehen wird. Unter welchen Umständen Bay und Toby davon erfahren werden. Ob Emmett diesen Schritt bereuen wird? Ob er versuchen wird, um Bay zu kämpfen? Wie Simone mit der ganzen Sache umgehen wird? Und welche Auswirkung dies auf die Freundschaft zwischen Bay und Daphne bzw. auch Daphne und Emmett haben wird?

"Sorry, I'm a baseball wife."

Fast nebensächlich erscheinen neben diesen drei Handlungssträngen, die Geschichten von Regina und Kathryn. Beide sind jedoch sicherlich noch für die zukünftigen Episoden von großer Bedeutung. Zum einen will sich Regina nun scheinbar doch auf Patrick einlassen, der in dieser Episode aber auch wirklich sympathisch war und sich für Regina mächtig ins Zeug gelegt hat. Ich hoffe zwar immer noch darauf, dass Angelo zurück kommt und gehe auch davon aus, dass er uns spätestens im Finale mit einem Auftritt überraschen wird, dennoch mag ich diese Annäherung zwischen Regina und Patrick derzeit sehr gerne.

Kathryn musste diesmal erfahren, dass ihre Buchidee zwar eine nette Sache ist, aber keine Chance hat, sollte Regina nicht mit einsteigen. Für Kathryn natürlich ein herber Rückschlag. Für uns als Zuschauer umso interessanter, denn bereits im eigentlichen Staffelfinale hatte ich irgendwie gehofft, dass die beiden Frauen sich mehr annähern und gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Und dies wäre doch nun der perfekte Zeitpunkt dafür.

Fazit

Ein rundum gelungene Episode, die mich auf jeder Ebene emotional berührt hat. Sowohl Daphne als auch Bay handeln vollkommen selbstlos und zeigen, dass sie gelernt haben, sich selbst zurückzunehmen und für das große Ganze einzustehen. Betrachtet man die Entwicklung von Bay seit dem Piloten, kann man nur staunen ob des starken, loyalen und einfühlsamen Charakters, der sie inzwischen geworden ist. Im Gegensatz dazu lässt mich Emmett einfach nur schockiert zurück und ich kann mir derzeit noch nicht ausmalen, wohin uns dieser vermeintliche Ausrutscher führen wird.

Annika Leichner - myFanbase

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