Die besten Staffeln 2015/2016
Grey's Anatomy, Staffel 12

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Von Ellen DeGeneres auf das Erfolgsrezept von Staffel 12 angesprochen (einer Staffel, mit welcher "Grey's Anatomy" wieder zur erfolgreichsten Serie ihres Heimatsenders ABC wurde), antwortete Ellen Pompeo mit den Worten "It's amazing how much you get done without a penis." Es ist ein trotziges und freches Statement und eines, das wie kein anderes die Ausgangssituation dieser Staffel beschreibt. Es ist die erste Staffel ohne Patrick Dempsey, ohne die Liebesgeschichte von Meredith und Derek, die in den elf Jahren zuvor die Serie so sehr bestimmte. Nach Dereks tragischem Tod gab es nicht wenige Fans (und ja, ich zähle mich selbst dazu), die unschlüssig darüber waren, wie die Serie weitergehen sollte und ob die Serie tatsächlich weiterhin überzeugen würde. Viel zu erwarten gab es leider nicht, denn "Grey's Anatomy" hatte sich über die Jahre hinweg eher negativ entwickelt. Doch bereits im Staffelauftakt zeigte man, dass man sich von diesen negativen Feedback nicht aufhalten lassen würde, indem sich Meredith direkt an den Zuschauer wendete. Mit den Worten "But I promise you, you're about to find out that everything has changed" wurde die Staffel eingeleitet – und konnte diesen Worten auf großartige Weise Folge leisten.

Foto: Ellen Pompeo, Grey's Anatomy - Copyright: 2010 ABC Studios
Ellen Pompeo, Grey's Anatomy
© 2010 ABC Studios

Wobei Meredith auch "Back to the roots" hätte sagen können - denn vor allem in der ersten Staffelhälfte liegt der Fokus auffällig häufig auf den Patienten. Endlich konzentriert man sich wieder mehr auf deren Geschichten und Schicksale und missbraucht sie nicht nur, um die Ärzte ihre eigenen Probleme lösen zu lassen. Dazu brachte man den Humor in die Serie zurück. Zwar war dieser nie wirklich verschwunden, konnte aber in den letzteren Staffeln nie wirklich herausstechen oder nachhallen. Doch in dieser Staffel schafft man einige wunderbar absurd-komische Momente, die ich immer wieder anschauen und mich dabei totlachen kann.

Gleichzeitig erhält die Serie auch sehr subtil eine Neuausrichtung – von einer Anatomieklasse, die von Meredith angeleitet wird und mit deren Unterrichtseinheiten die Folgen oft beginnen, bis hin zu den politischen und gesellschaftlichen Storylines, die in dieser Staffel mehrfach auftauchten. Sei es Waffengesetze und Waffenmissbrauch, Gewalt an Frauen oder auch Rassismus - man ließ die Ärzte debattieren und zeigte verschiedene Standpunkte auf. Insbesondere dem Feminismus wurde viel Platz eingeräumt und so gab es mit Bailey erstmals eine Chefärztin im Sloan Grey Memorial Hospital (und damit eine Bailey in alter Höchstform!), die dafür sorgte, dass Meredith für sich selbst kämpfte und sich nicht hinter Männern verstecken muss. Fast alle Abteilungschefs sind Frauen, die sich nicht nur über ihre Beziehungen unterhalten, sondern auch über ihre Stellung als Frau im Krankenhaus, über ihre Gehälter, sowie ihren Anspruch, mehr verdienen zu dürfen. Man kann die zwölfte Staffel damit noch als feministisches Plädoyer verstehen – wie Ellen Pompeo es schon ausdrückte, man braucht keinen Mann um eine großartige Serie hinzubekommen.

Doch natürlich liegt der Fokus bei "Grey's Anatomy" in erster Linie auf den Ärzten und ihren Problemen und in zweiter Linie auf ihrer Arbeit. Und in dieser Staffel gelang das Kunststück, dass jede Figur einmal im Vordergrund stand und zu überzeugen wusste – und das in einer Staffel, in welcher der Cast auf 16 Hauptdarsteller anwuchs! Meredith bleibt dennoch der Dreh-und Angelpunkt der Serie und kann in dieser Staffel ganz besonders überzeugen: Sie kämpft für sich und ihre Familie, muss ein erneutes Trauma überstehen und sich mit Dereks Tod auseinanderzusetzen und schafft es dennoch, wieder Hoffnung zu schöpfen und einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Dabei ist die Beziehung zu Amelia aufgrund ihrer komplexen und mitreißenden Dynamik das Herzstück dieser Staffel, das vor allem durch die Verarbeitung von Dereks Tod hervor sticht und berühren kann. Dies stellt ebenfalls eines der Highlights dieser Staffel dar, da dadurch die Figuren über sich hinauswachsen und die Wichtigkeit des Charakters Dereks nicht einfach, wie häufig zuvor, unterschlagen wird.

Meredith und Amelia beleidigen sich zwar manchmal auf das Schlimmste und behandeln sich gegenseitig oft schlecht, doch sie nähern sich immer weiter an und bilden eine Bindung, die man gerne weiter wachsen sehen möchte. Dritte in diesem Bunde ist Maggie, die als das neue Sweetheart der Serie für die nötige Komik und Liebenswürdigkeit sorgt. Der Fokus auf diesen drei starken, überzeugenden Frauen ist ebenfalls etwas, was mir sehr gut an dieser Staffel gefällt.

Zugegeben, nicht alles an dieser Staffel ist gelungen: Owen wird durch einen unglaubwürdigen Konflikt mit dem eigentlich vielversprechenden neuen Charakter Nathan völlig verhunzt und gehört dementsprechend zu den diesjährigen Flop-Charakteren, erneut gibt es ein zähes Hin und Her zwischen Jackson und April, wieder einmal einen ziemlichen unnötigen Streit zwischen Callie und Arizona und wieder einmal eine Bailey, die sich uneinsichtig gegenüber den Gefühlen von Ben zeigt. Im Grunde genommen war ich von Anfang gegenüber diesen Handlungssträngen skeptisch und wusste nie wirklich, was ich von ihnen halten sollte. Doch wie verflogen meine Zweifel schnell? Indem man zu diesen Geschichten stets einen grandiosen Ausgleich schuf! Jackson und April schaffen es schlussendlich, ihren Streitereien ein Ende zu setzen und beginnen eine zaghafte, natürlich wirkende Annäherung zum Wohle ihres Kindes und entschädigen somit für die nervige Zankerei zuvor. Dem Sorgerechtsstreit von Callie und Arizona wird eine mitreißende Folge gewidmet, die kein Auge trocken lässt und einfach nur berührt. Und der Grundsatzkonflikt von Ben und Bailey, der mit einer richtig starken Doppelfolge begonnen hatte, führt zu einer Stärkung des Paares, das wieder Vertrauen zueinander findet.

Überhaupt lassen sich die etwas anderen Folgen als große Highlights dieser Staffel zählen. Neben der oben genannten Gerichtsverhandlung sowie dem Ärztefehlerkrimi stechen noch das kammerspielartige Drama um Penny in der Jubiläumsfolge und die Aufarbeitung von Merediths Trauma, wo insbesondere mit visuellen und auditiven Mitteln großartige Arbeit geleistet wurde, hervor. Dennoch können auch die 'normalen' Folgen stets mit starken Charaktermomenten und geballter Emotionalität auffahren, wodurch eine ungeheure Intensivität und Eindringlichkeit erreicht wird. Stets wird man in dieser Staffel mitgerissen, was vor allem durch die großartigen schauspielerischen Leistungen erreicht wird. Von den Gastdarstellern bis zu den Hauptdarstellern kann jeder mit seinem Spiel überzeugen.

Sicherlich hat sich die Serie sehr verändert und es gibt sicherlich nicht wenige Fans, die sich nach den Anfängen der Serie zurücksehnen – und auch für mich gibt es Figuren, wie Lexie oder Cristina, die ich immer noch schmerzlich vermisse. Doch die zwölfte Staffel stellt unmissverständlich klar, dass man trotz einiger Fehlentscheidungen oder enttäuschenden Storylines großartige und starke Unterhaltung liefern kann. Durch großartige Charaktere, Frauenpower und mitreißende Episoden gelingt eine Neuausrichtung der Serie, die deutlich macht, dass "Grey's Anatomy" eine Serie ist, die nicht zu unterschätzen ist. Auf Staffel 13 freue ich mich bereits jetzt!

Lux H. - myFanbase

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