Bewertung
Kate Nash

Girl Talk

Ende der 2000er waren die Indie-Pop-Mädels im Kommen. Und wem Lily Allen ("It's Not Me, It's You") zu poppig, Regina Spektor ("What We Saw From The Cheap Seats") zu angestrengt, Feist ("Metals") zu ruhig und Zooey Deschanel zu süßlich war, der erlag Kate Nash. Während das junge Ding in ihrer britischen Heimat Platin und den BRIT Award holte, bekam sie bei uns nicht zuletzt dank ihres Fans Lena Meyer-Landrut ("My Cassette Player") viel Aufmerksamkeit und dann auch Gold. Heute bekommt sie in Presse und Internet viel Rüge und Häme. Warum? Weil sie nicht mehr den Sound von "Made of Bricks" bringt. Alle Kritiker und Spötter scheitern nun an ihren Erwartungen und ihrem Missverstehen der Sänger- und Songwriterin.

Foto: Kate Nash - "Girl Talk" - Copyright: Fontana
Kate Nash - "Girl Talk"
© Fontana

Denn bereits der Zweitling "My Best Friend Is You" war zwar meist noch so lässig und piano-basiert wie das Debüt, insgesamt aber doch deutlich voller und erdiger. In "Mansion Song" rappte Kate Marie Nash dreckig vor sich hin, in "I've Got A Secret" schrien die verzerrten Gitarren lauter als sie und "I Just Love You More" war schlicht purer Punk. Wie kann man da vom "Girl Talk"-Sound überrascht sein?

Erstaunt sein kann man höchstens vom plumpen "Labyrinth", dem flachen "Oh" und vom unausgegorenen "Conventional Girl" und dass es diese Nummern auf eine Platte geschafft haben, die ganz deutlich ernst genommen werden will. Auch die erste Single "3AM" verwundert, sind doch andere Titel viel stärker. Zum Beispiel das treibende "Fri-end?" mit übereinander gelegtem und verzerrtem Gesang, erdigen Gitarren und einem coolen A-cappella-Ende. Mit dem furiosen "Sister" und dem ruhig-düsteren "Part Heart" zeigt Kate ihre vielseitigen Stimmfähigkeiten und welch Intensität sie abliefern kann.

Einseitig ist "Girl Talk" tatsächlich nicht. Während "OMYGOD!" und "Are You There Sweetheart?" so chillig wie früher daher kommen, dürfte der Rotzpunkrock von "All Talk" manchen gar zu anstrengend sein. Im Akustikstück "You're So Cool, I'm So Freaky" erinnert Nash an Kimya Dawson und in "Death Proof" an den Sound des gleichnamigen Tarantino-Films. Außerdem wird gerappt und nach dem A-cappella-"Lullaby" endet die Platte wie aus dem Nichts mit einem pompösen Orchester. Punk ist für die Künstlerin nicht nur ein Musikstil, sondern eine generelle Haltung, die sie für sich schon immer hatte.

Wie kann man also von der Londonerin erwarten, sich an den Vorstellungen Anderer zu orientieren? Markenzeichen der heute 25-Jährigen waren seit jeher ihr Selbstbewusstsein und ihre Unangepasstheit, die sich in ihren geistreichen Texten wiederfanden. Diese Eigenschaften ließen sie auch ihren Plattenvertrag kündigen, weil ihr Label ihr in den Musikstil reinreden wollte. Unbeugsam (und ein Jahr vor'm "Veronica Mars-Geldsammeln") finanzierte sie "Girl Talk" über eine Crowdfunding-Plattform. Sturheit, Cleverness, Feminismus, Charme und Fantasie – all das findet man auch auf ihrer dritten Scheibe.

Nach dem Motto "Action! Words are only in my mouth." (aus "All Talk") nutzt sie ihre scharfe Zunge, kotzt sich aus, predigt schonungslos, wie hier im "Rap for Rejection": "He asked you to undress / Said you were dressed like a little slut / You're trying to tell me sexism doesn't exist / If it doesn't exist, then what the fuck is this? / How many boys will it destroy? / How many girls and boys will it annoy?" Doch sie klagt nicht nur an, sie gesteht auch ihren eigenen Kampf zwischen Überzeugung und Gefühlen: "It's not fair to watch you walk away like this /I just wish that I could get one more kiss / But you gave it, you gave it to another / And it's not fair of me to judge that." ("Sister") Immer wieder geht es um Beziehungen und Freundschaften, um Grenzen und Sehnsüchte: "You can spend your whole life getting down on one thing / You can waste all your time on one idea / You can get your little brain into one big mess / But what you gonna do now, baby, when it all comes down?" ("Death Proof") Ihre Antwort darauf ist, trotz allen Schwierigkeiten ein selbstbestimmtes, unabhängiges Leben zu führen.

Fazit

Wenn man Kate Nash begreift, wird man keine Prognose über ihren Musikstil wagen. Aber man kann wissen, mit welchen Botschaften und welcher Attitüde ihre Lieder daherkommen. Der Punk ihrer dritten Platte mag nicht jedem passen, aber er passt zu der jungen Egozentrikerin. Lässiger Indie-Pop war nie die Basis ihrer guten Musik, da ist ihr Recht zu geben. Ihr Händchen für Melodien war das, was so an Kate bestach – und jene werden auf "Girl Talk" leider stellenweise vermisst.

Anspieltipps

Part Heart

Fri-end?

Death Proof

Sister

Rap For Rejection

Artistpage

MyIgnorantYouth.com

Tracks

1.Part Heart
2.Fri-End?
3.Death Proof
4.Are You There Sweetheart?
5.Sister
6.OMYGOD!
7.Oh (feat. Siobhan Malhotra)
8.All Talk
9.Conventional Girl
10.3AM
11.Rap for Rejection
12.Cherry Pickin'
13.Labyrinth
14.You're So Cool, I'm So Freaky
15.Lullaby for an Insomniac

Micha S. - myFanbase
01.04.2013

Diskussion zu dieser CD